Konzert:Bitte noch einmal!

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Ausdrucksstark: Kaspar Reh (links) und Øyvind Gimse vom Ensemble Berlin spielen Mozarts Sonate für Fagott und Violoncello. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das Ensemble Berlin wiederholt bei seinem 20. Auftritt im Bosco das Programm des ersten Klassikforum-Konzerts

Von Reinhard Palmer, Gauting

Einmal mehr sorgte das Ensemble Berlin für Begeisterung im Gautinger Bosco. Kam jemandem das Programm bekannt vor? Das kann daran gelegen haben, dass sie oder er bereits vor 19 Jahren beim Gründungskonzert des Klassikforums dabei gewesen war. Aus Anlass des 20. Besuchs wiederholte das neunköpfige Kammerensembles das ausschließlich aus Originalkompositionen bestehende Programm.

Im Zentrum stand natürlich der Auftritt in Komplettbesetzung mit dem Grand Nonetto op. 31 von Spohr. Eine Komposition, die schon nah an ein orchestrales Werk heranreicht, aber doch vordringlich auf die kammermusikalischen Finessen setzt. Laut Auftrag hatte Spohr den Eigenheiten der einzelnen Instrumente sein Augenmerk zu schenken, was er akribisch umsetzte. Die imitatorischen Aneinanderreihungen der Themen und Motive ermöglichten es, die Instrumente einzeln sprechen zu lassen, um mit den unterschiedlichen Charakteren der sonst drohenden Einförmigkeit entgegenzuwirken. Die Musiker setzten das sorgfältig um, dennoch tat es gut, immer wieder auch die orchestrale Homogenität des gesamten Klangkörpers zu erleben, ganz besonders im schönmelodischen Adagio.

Besonders reizvoll erklang das Scherzo, das auch einen erfrischenden wienerischen Ländler beinhaltet. Wie schon im Kopfsatz bedachte Spohr, der große Geigenvirtuose vom Format eines Paganini, die Violine mit einem bisweilen geradezu konzertanten Part, den allerdings Primarius Simon Bernardini mit kammermusikalischer Zurückhaltung in die Schranken verwies. Das tat dem Zusammenhalt des Klangkörpers gut und sorgte für edle Färbung. Auch die spritzige Leichtigkeit des Vivace-Finales profitierte von dieser blühenden Schlankheit und weckte mit ihrer wohlbemessenen Beherztheit Euphorie.

Auch die anderen drei Werke des Abends waren Raritäten von qualitativ hohem Rang. Ihr Seltenheitswert im Konzertbetrieb liegt vor allem an den besonderen Besetzungen, für die es in der Regel kaum feste Ensembles gibt.

Bisweilen aufgeführt wird die Sonate B-Dur für Fagott und Violoncello KV 292 von Mozart, der seine Zeitgenossen und die Nachwelt mit der instrumentalen Kargheit irritiert hat. Heute spricht die Musikwissenschaft vom stilistischen Übergang zur Frühklassik, entsprechend mit Gleichwertigkeit der Stimmen behandelt von Kaspar Reh (Fagott) und Øyvind Gimse (Violoncello), die aus der instrumentalen Askese starken Ausdruck gewannen.

Boccherini hatte sein Sextett op. 42/2 zwölf Jahre später im fernen Madrid komponiert. Ob ihn die Neuentwicklung erreicht hatte, ist schwer nachzuvollziehen, zumal diese Mischbesetzung aus Oboe (Christoph Harmann), Violine, Viola (Walter Küssner), Horn (Franz Draxinger), Fagott und Kontrabass (Ulrich Wolff) zu den Ausnahmen im Streicherwerk des Komponisten gehört.

Die sechs Musiker jedenfalls präsentierten ein Werk, das mit dem berühmten Menuett des Komponisten wenig zu tun hat. Die galante Geschmeidigkeit wich einer körperhaft-plastischen Festigkeit, von der führenden Oboe und der Violine mit einfühlsamem Gesang versehen. Die beherzten schnellen Sätze zeigten aber Witz und Verve. Freilich nicht so reichhaltig wie es Erwin Schulhoff in seinem Concertino von 1925 erlaubte. Das Klangbild mit Flöte und Piccolo (Wally Hase) sowie Viola und Kontrabass hat schon etwas Skurriles an sich. Der Tonraum ist dadurch extrem weit angelegt, wodurch der Zusammenhalt im Ensemble nur mit extremer Einfühlsamkeit zu meistern war, auch wenn selbst dann noch eine gewisse klangliche Befremdung bestehen blieb.

Dankbar nahm das Trio die reichhaltigen musikantischen Elemente auf, doch nicht um "karpathorussisch" (so Schulhoff) zu poltern, sondern daraus vielmehr einen kraftvollen Puls zu gewinnen, vor dem sich die melodischen Elemente deutlich abheben konnten. Die langsamen, lyrisch-sinnierend interpretierten Sätze wiesen Schulhoff als einen freitonalen Experimentierer aus. Auch die Verwendung alter Kirchentonarten im Schluss-Rondino macht Schulhoff zum Vorreiter der Neuen Musik. Aber es ging in dem Konzert vor allem um die instrumentale Klangfarbigkeit, deren Besonderheiten sich letztendlich in Spohrs Nonett - dort ergänzt mit der Klarinette von Ishay Lantner - zu einem wahren Feuerwerk summierten. Lang anhaltender begeisterter Applaus und Spohrs Scherzo als Wiederholungszugabe.

© SZ vom 11.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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