Konzert:Betörendes Andante

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Gefühlvolle Takte im voll besetzten Bosco in Gauting (v.l.): Lena Neudauer, Matthias Kirschnereit, Wen Xiao Zheng und Julian Steckel. (Foto: Arlet Ulfers)

Ein Konzert erinnert an den verstorbenen Klassikforum-Initiator Rainer A. Köhler

Von Reinhard Palmer, Gauting

Mendelssohn schrieb seine "Variations sérieuses" d-Moll op. 54 für einen Sammelband, von dessen Erlös ein Beethoven-Denkmal im Bonn hätte finanziert werden sollen. Ein passendes Thema, das Gedenkkonzert für den im vergangenen Jahr verstorbenen Rainer A. Köhler zum 75. Geburtstag zu beginnen. Der Initiator und langjährige künstlerische Leiter des Klassikforums Gauting, der mit seiner Euphorie Gauting in den Rang einer bedeutenden Klassikhochburg hieven konnte, sollte hier aber in seinem Gesamtwirken gewürdigt werden. Und wer hätte es besser tun können, wenn nicht Gautings Altbürgermeister Ekkehard Knobloch, der schon vor Jahrzehnten zusammen mit Köhler im Gemeinderat gesessen und ihn auch als herausragenden Architekten unmittelbar zu schätzen gelernt hat.

Köhler mischte sich stets erfolgreich ein, setzte sich für Kultur und für ein gutes Zusammenleben in Gauting ein. Und nirgends hätte der Erfolg seiner Bemühungen derart eindrucksvoll demonstriert werden können als im voll besetzten Bosco-Konzert, das so geistvoll mit Matthias Kirschnereit am Flügel begann. Nah am Vorbild Beethoven orientiert, klassisch reduziert trotz perlender Virtuosität, stellenweise aber doch schon romantisch aufblühend, ungeahnt dessen, wohin sich dies weiter entwickeln würde.

Die feinsinnige und unaufgeregte Spielweise Kirschnereits sollte in den beiden Klavierquartetten im Programm eine entscheidende Rolle spielen. Die Aufgabe eines homogenen Klangkörpers war insofern eine Herausforderung für den Pianisten, da Lena Neudauer (Violine), Wen Xiao Zheng (Viola) und Julian Steckel (Violoncello) ein wunderbar warmtonig homogenes Streichtrio bildeten.

Schuberts Allegro B-Dur D 471, der Kopfsatz eines nicht vollendeten Streichtrios, sollte die Ensemblequalitäten der drei Streicher in kultivierter und emotional feinsinnig austarierter Spielweise demonstrieren. Nicht ohne den Spielwitz und die spieltechnische Raffinesse zu vernachlässigen. Die Orientierung an Haydn rückte das Werk in die Nähe des op. 2 von Mendelssohn, in dem Kirschnereit sich gegenüber dem Streichtrio weit zurücknahm, trotz des virtuosen Klavierparts. Das Auf und Ab mit bereits fließenden Übergängen des 14-jährigen Komponisten fand in der Homogenität des Klangkörpers eine wunderbare Plastizität.

Die sollte sich in Schumanns Quartett Es-Dur op. 47 ausladender ausbilden. Doch keinesfalls als virtuoser Selbstzweck, vielmehr als ein Florieren im Sinne des romantischen Konzepts. Das Quartett beeindruckte nicht nur in den sanglichen oder lyrischen Passagen - ganz besonders im betörenden Andante cantabile - sondern auch mit spritziger Leichtigkeit oder wirbelnder Präzision der schnellen Sätze. In angemessener Verhaltenheit auch im Larghetto des Es-Dur-Quartetts KV 493 Mozarts in der lang anhaltend erklatschten Zugabe.

© SZ vom 22.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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