Konzert:Betörende Totenklage

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Trauermusik im Vergleich: David Schultheiß, Nino Gurevich und Andreas Heinig (v.li.) beim Konzert im Roncallihaus Tutzing. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das Trio Heinig, Schultheiß und Gurevich spielt in Tutzing Musik großer russischer Komponisten

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Konkurrenz belebt das Geschäft, heißt es. Ob Rivalität unter Komponisten einen ähnlichen Effekt auslösen kann, ist wohl eher fraglich. Doch der Tutzinger Cellist Andreas Heinig sieht einen positiven Aspekt im Vordergrund: den Ansporn, besser als die anderen der Generation zu sein.

Um drei russische Komponisten sollte es in diesem Kammermusikkonzert im Tutzinger Roncallihaus gehen: um den Moskauer Konservatorium-Professor Anton Arensky (1861 bis 1906) und seine beiden nur wenig jüngeren Studenten Alexander Skrjabin (1871 bis 1915) und Sergej Rachmaninow (1873 bis 1943), die eine beachtliche pianistische Laufbahn einschlugen. Sowohl die ernsthafte Rivalität als auch die gegenseitige Verehrung der drei Musiker sind offenbar dokumentiert. Zusammen mit dem Konzertmeister des Bayerischen Staatsorchesters, David Schultheiß (Violine), und der georgischen Pianistin Nino Gurevich machte sich Heinig daran, in diesem Spannungsfeld den gemeinsamen Geist dieser großen Epoche der russischen Musik zu ergründen.

Einem direkten Vergleich mit Klaviertrios, die jeweils komponiert wurden, um bserühmte Musiker zu betrauern, unterzog das Trio Arensky und Rachmaninow, zwischen denen dann doch Welten zu liegen schienen. Arensky widmete seine Elegie in der Tradition russischer Totenklagen, sein Klaviertrio d-Moll op. 32, dem großen Cellisten Karl Davidow, der fünf Jahre zuvor, im Jahr 1889, gestorben war. Ein Kontext, der Arensky dazu bewog, den ausführenden Musikern die betörendsten Melodien an die Hand zu geben, um an Davidows legendären Cellogesang zu erinnern.

Schultheiß, Heinig und Gurevich kosteten diesen Zug des Werkes ausgiebig aus, zumal vor diesem Hintergrund der Emotionalität keine Grenzen gesetzt waren. Anders als beim Trio élégiaque op. 9 von Rachmaninow, das der Komponist noch am Tag von Tschaikowskis Tod begann und daher von seiner Bestürzung geleitet wurde, ist Arenskys Trauermusik eine Art nostalgische Rückbesinnung.

So fand darin immerhin auch ein Scherzo Platz, das mit spritziger Leichtigkeit ein ausgelassenes Tänzchen über perlenden Klavierläufen zum Thema hat, um im Trio mit inniger Schönmelodik zu kontrastieren.

Die Adagio-Elegie, der zentrale Satz dieser Hommage, zeichnete denn auch kein düster-tragisches Szenario. Das Trio des Abends verzauberte vielmehr mit selentiefer Zartheit. Berührender kann man sich diesen Satz wohl kaum vorstellen. Solch eine Feinsinnigkeit war bei Rachmaninow nur bedingt möglich. Seine Klage enthält zwar ebenfalls großartige melodische Gesänge, doch taten die Protagonisten des Abends schon gut daran, mit satter Leidenschaft aufzuwühlen und die nötige Portion Tristesse auf der Musik lasten zu lassen.

Die so oft bemühte Metapher von der russischen Seele voller Schwermut und Melancholie traf hier jedenfalls eher zu als bei Arensky. Aber nur bisweilen, fand doch das Trio etwa im dritten Quasi-variazione-Satz ein weites Feld der Ausdrucksdifferenzierung, verbunden mit überraschenden spieltechnisch grundierten Charakterwechseln.

Ein Satz, der noch am ehesten mit den ausgewählten sieben Miniaturen aus Skrjabins 24 Preludes op. 11 für Klavier solo, in denen letztendlich die Tonarten den Ausdrucksgehalt ausmachen, zu vergleichen war. Die Meisterschaft des Komponisten lag vor allem darin, auf einem sehr reduzierten Raum ohne Umschweife zum Kern der Aussage zu gelangen. Was Gurevich mit ausgeprägter Treffsicherheit und blitzschneller Umstellung in ein intensives Wechselbad der Gefühle zu verwandeln verstand.

Vom leidenschaftlich wogenden Fluten über Chopin-Seligkeit bis hin zu aufgewühlter Dramatik: Gurevich führte so einen in viele Richtungen offenen Komponisten vor, der aus diversen Einflüssen das Beste für sich herauspickte. Auch wenn der Vergleich aufgrund der unterschiedlichen Werkgattungen und Kontexte etwas hinkte, gelang es dennoch, den gemeinsamen Geist auferstehen zu lassen. Am deutlichsten dann doch in den wuchtigen Momenten, etwa den spannungsgeladenen und energischen Schlusssätzen in den Trios, die im Höhepunkt der Dramatik ihre finalen Takte zu drückender Schwere hin lenkten.

© SZ vom 08.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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