Konzert:Berührend dramatische Poesie

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Nicht einfach, aber gelungen: Der Kammerchor des Collegium Bratananium führt das Deutsche Requiem von Johannes Brahms auf. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der Kammerchor des Collegium Bratananium hinterlässt mit dem Requiem von Johannes Brahms tiefe Eindrücke beim Publikum

Von Reinhard Palmer, Gauting

Kein Kunstwerk steht für sich alleine. Sonst gäbe es auch keine Stile. Gerade bei Komponisten, die sich zur Tradition bekannten und sich mit ihren musikalischen Ahnen auseinandersetzten, sind die Bezüge vielfältig und weit zurückreichend. Kein Wunder also, dass sich im "Ein deutsches Requiem" von Johannes Brahms, das in der Gautinger Christuskirche zur Aufführung kam, gewisse Anleihen finden. Und dass einst bei diesen Gelegenheiten auch Versatzstücke von Bach und Händel eingeflochten wurden. Schmälert das die Qualität des Brahms'schen Werkes?

Wohl kaum, im Gegenteil: Solch prominente Querverweise werten sein Requiem vielmehr auf. Dennoch war Johannes X. Schachtners "Parergon zum deutschen Requiem", eine Art Materialsammlung mit Bezugskompositionen der Musikgeschichte mit eigenen Einschüben zu einer Einheit arrangiert, ein spannender wie erhellender Prolog. Im Grunde eine Hinführung auf das hochemotionale, mit textlicher wie musikalischer Poesie gesättigte Werk des Romantikers, der eben die barocken Sinnenfreuden nicht verschmähte, dennoch ein eigenes Meisterwerk schuf.

Für den Kammerchor des Collegium Bratananium allerdings eine Herausforderung, den adäquaten Zugriff zu einem derart vielfältigen Kompendium an Highlights von Bach, Händel, Schütz, Schumann und Brahms zu finden, zumal ein erleichterndes, weil tragendes Element fehlte: das Orchester.

Genauer gesagt war es durchs Klavier zu vier Händen ersetzt. Die beiden glänzenden Pianistinnen, Halina Bertram und Lauriane Follonier, verstanden es aber, den adäquaten Zugriff herauszufinden. Keine einfache Aufgabe, galt es hier die symphonische Größe sowie orchestrale Farbigkeit mit kammermusikalischer Verschlankung und Präzision zu verbinden und pianistischen Parametern gerecht zu werden. Im Brahms-Requiem half die enge Verbindung des Instrumentalen mit dem Vokalen, eine übergreifende Balance aller Stimmen zu finden, zumal das Collegium Bratananium die kammermusikalische Klarheit und Transparenz bis ins Detail verfolgte. Schachtner rief hier am Pult ein sorgfältig einstudiertes Werk ab. Jeder Chorlaut war aus den Aussagen heraus ausgefeilt und im emotionalen Kontext exakt platziert. Dass dieses texttreue Ausgestalten das Werk mit seinem Auf und Ab weder zerklüftete noch sprengte, lag vor allem an der Ausgewogenheit des vokalen Satzes wie der behutsamen Vorgehensweise der Mitwirkenden. Zudem hatte es Schachtner verstanden, jeden Abschnitt mit einer bestimmenden Atmosphäre zu verbinden und den Stimmungsverlauf einer schlüssigen Gesamtdramaturgie unterzuordnen.

Ein wesentlicher Faktor zur Interpretation aus einem Guss waren freilich die Solostimmen, wobei Brahms auch dabei klare klangliche Aufgaben verteilt hatte, denen die beiden Solisten auch zielsicher gerecht wurden. Bariton Florian Prey ging konsequent den schmalen Grat zwischen Atmosphäre sowie erzählerischer Entschiedenheit und Bestimmtheit. Sibylla Duffe - derzeit wohl wegen ihrer Rolle als Blondchen in Mozarts Entführung blond gefärbt - nahm im Sopran wiederum die Aufgabe wahr, die Poesie ihres Parts mit dem Chor feinsinnig abzustimmen, aber auch eine gewisse romantische Verklärung zu erlauben, die dann deutlich auf kontemplative Momente bei Bach verwies.

Die von Schachtner eng am Wort geführte Dramaturgie der einzelnen Abschnitte ließ aber nie das Übergeordnete aus den Augen, was zu einem wirksam ineinander greifenden Geflecht führte. Wunderbar schon mit dem gedämpft einsetzenden "Denn alles Fleisch, es ist wie Gras" mit vom Klavier imposant mitausgearbeiteten Höhepunkten, um schließlich in "Aber des Herren Wort bleibet in Ewigkeit" in gesteigerter Expressivität zu kulminieren. Betörend schön entwickelte sich "Ihr habt nun Traurigkeit" mit lyrisch-romantischer Schönfarbigkeit, von Duffe auf Höhenflüge geschickt. "Denn wir haben hie keine bleibende Statt", allmählich gesteigert bis zum scharfen "Tod, wo ist dein Stachel?", oblag dem kraftvoll-dramatischen Auftritt Preys, der zusammen mit dem Spannung und Energie vorantreibenden Chor diesen Höhepunkt des Requiems packend meisterte. Das weite Auf und Ab im Finale zwischen blühender Empfindsamkeit und hymnischer Erzählung hinterließ einen seelentief berührenden Eindruck - vom frenetischen Beifall abgelöst.

© SZ vom 28.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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