Konzert:Beherzt Fahrt aufgenommen

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Mit Durchschlagskraft: Projektchor, Solisten und Ensemble Lodron beim Konzert im Marienmünster. (Foto: Nila Thiel)

Kirchenmusiker Stephan Ronkov nimmt sich im Dießener Marienmünster zwei Mozart-Werke vor

Von Reinhard Palmer, Dießen

Ob die Werkzusammenstellung für dieses Konzert im Marienmünster Dießen so glücklich war? Im Grunde haben diese beiden Mozart-Werke wenig miteinander gemein: Die Sinfonia concertante Es-Dur (KV 364) weist allenfalls in ihrem schwermütigen, opernhaften und fast schon tragisch endenden c-Moll-Mittelsatz Anklänge an das berühmte Requiem (KV 626). Eine weitere Parallele ergibt sich durch die Rahmensätze mit ihrem feinsinnigen Changieren ins Moll. Doch grundsätzlich kommt dieses Zwitterwesen zwischen Sinfonie und Konzert der Totenmese zumindest vordergründig nicht besonders nah.

Ullrich König (Violine) und Daniel Schmitt (Viola), die den solistischen Part einfühlsam und aufmerksam im Dialogisieren untereinander und mit dem Orchester übernahmen, blieben jedoch verhalten selbst in den heiter-galanten Abschnitten des Kopfsatzes. So blieb ein melancholisch-nachdenklicher Grundton das gesamte Konzert über erhalten. Nur das vergnügte Wirbeln im Schlusssatz der Sinfonia concertante ließ sich kaum eintrüben: Zumal Mozart in dem Doppelkonzert für die Bratsche eine Scordatura - ein Umstimmen also- um einen Halbton nach oben verlangt hatte, um gerade mehr Brillanz zu gewinnen.

In enger Verbindung zum Orchester Ensemble Lodron meisterte der Dießener Kirchenmusiker Stephan Ronkov am Pult daher auch die engmaschige Verbindung der Solisten mit dem Klangkörper. Er setzt auf Klarheit, mitreißende Tempi und eine Dramaturgie, die den mit Bravour agierenden Solisten Raum zur Entfaltung ließ. Was König und Schmitt insbesondere in den von Mozart ausgeschriebenen Kadenzen effektvoll nutzten.

Ronkovs Interpretation hatte eine herausragende Stärke: Er formte die Satzschlüsse jeweils nach sorgfältiger Hinführung markant und nachhaltig beeindruckend, was dem nachfolgenden Werk von vorneherein eine gute Spannungsgrundlage verschaffte.

Der Kontrast zum Requiem fiel gerade dank der angezogenen Tempi, der Minimierung der Pausen zwischen den Sätzen und Requiem-Teilen sowie aufgrund des scharfen Zuschnitts der rhythmischen Passagen in beiden Werken dann doch relativ zurückhaltend aus. Nach der Sinfonia Concertante blieb das versöhnliche Element der Totenmesse allerdings in seiner Wirkung etwas geschwächt. Umso eindringlicher zeigten sich die tragisch-dramatischen Momente.

Der Projektchor Marienmünster Dießen brachte die unverzichtbare Durchschlagskraft mit, zudem die nötige klare Artikulation, um in der doch recht halligen Akustik des Marienmünsters bis in die letzten Reihen noch verständlich zu bleiben. Keine Mühe hatte der Chor damit vor allem in den großen strahlenden Abschnitten, so etwa im ins Dramatische abgleitenden Sanctus oder im Anschwellen des Satzes "Lacrimosa" als Schlussteil der umfangreichen Sequenz (III).

All die energische Beherztheit und Transparenz sollten jedoch die lyrischen Momente des Werkes, wie etwa das "Hostias" im Offertorium, nicht ihrer wärmenden Wirkung berauben. Diese Stellen sind meist den Solisten vorbehalten, dabei insbesondere in ihren kunstvoll geflochtenen Quartettsätzen. Dahingehend überzeugte mit besonderem Reiz das Benedictus, das sich nach einem Tempowechsel galant entwickelte und in ordentlicher Fahrt eine Stretta anschloss.

Danielle Zuber (Sopran), Florence Losseau (Alt), Robert Wöhrle (Tenor) und Thomas Gropper (Bass) erwiesen sich als ein absolut homogen agierendes Vokalquartett in den verhaltenen Sätzen, während in den kraftvollen Höhenflügen Sopran und Tenor von der Raumakustik leider allzu sehr begünstigt hervortraten.

Besonderes Augenmerk richtete Ronkov auf die Nähe zum Text. Das farbenfrohe Aufblühen in den tröstlichen Momenten zum Beispiel oder das schwermütige Nachdunkeln bei den düsteren Textaussagen steigerten die Ausdruckskraft deutlich, was darüber hinaus auch dem erzählerischen Charakter einiger Stellen zu einer fesselnden Diktion verhalf.

Mozart sah bisweilen aufgrund von Stimmungswechseln und -wendungen im Text auch adäquate Änderungen im Tempo vor, meist zu beherzter Beschleunigung hin. Das war schon ein besonderer Effekt, den Ronkov immer wieder explizit nutzte, um ordentlich Fahrt aufzunehmen und packende Pointen daraus zu erarbeiten. Das Publikum zeigte sich begeistert von den Interpretationen und spendete lang anhaltenden Applaus.

© SZ vom 29.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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