Konzert:Ausgezeichnet

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Junge Meister (v.l.): Vita Kan (Klavier), Marina Grauman (Violine), Marius Urba (Violoncello) und Diyang Mei (Viola). (Foto: Arlet Ulfers)

Preisträger des ARD-Musikwettbewerbs spielen im Gautinger Bosco Raritäten und gängige Stücke so lustvoll und energisch, als würden sie seit Jahren ein festes Ensemble bilden

Von Reinhard Palmer, Gauting

Es hat seine Berechtigung, dass der Bayerische Rundfunk die Konzertreihe der ARD-Wettbewerbs-Preisträger trotz verschiedener Spielorte als Festival bezeichnet. Zum einen begründet sich das mit den innerhalb eines Konzerts wechselnden Besetzungen, zum anderen mit dem Repertoire, das eben nicht zum Standard der etablierten Konzertreihen gehört. Im Gautinger Bosco nahmen Raritäten sogar den größeren Teil des Abends ein. Marina Grauman (Violine; Russland), Marius Urba (Violoncello; Litauen) und Vita Kan (Klavier; Russland) errangen als Trio Marvin im vergangenen Jahr den dritten Preis. Der Neuseeländer Thomas Hutchinson hatte sich 2017 an der Oboe einen zweiten Preis erspielt, der Chinese Diyang Mei 2018 siegte mit der höchsten Platzierung im Fach Viola und bekam sowohl den Publikumspreis als auch den Preis für die beste Interpretation der Auftragskomposition. Letzteres war für die Musiker Grund genug, die Zugabe Mei alleine zu überlassen, wobei nicht nur er glänzte: Auch das Capriccio von Henri Vieuxtemps, mit dem Mei tief zu berühren vermochte, erwies sich als intensiv und geistvoll.

Die solistische Zugabe war deshalb sehr fordernd, weil sie unmittelbar auf Schumanns Quartett Es-Dur op. 47 folgte. Dessen große Qualität ist die geschmeidige Verflechtung der Stimmen über die Satzgrenzen hinweg: Eines geht aus dem anderen nahtlos hervor. Verve und Leidenschaft verwandelten sich in Lyrik und Zartheit. Ausbrüche und Wendungen wahrten ihre Überraschungs- und Kontrastwirkung, doch nicht auf Kosten der dramaturgischen Entwicklung oder des dichten Spannungsaufbaus.

Selbst mit so geläufigem Repertoire schienen die Interpreten der Festival-Idee gerecht werden zu wollen. Das gelang mit Interpretationen, die lustvoll und intensiv, aber auch empfindsam daherkamen und so Geist und Seele auf einen Nenner brachten. Was auch für das in München entstandene Quartett für Oboe und Streichtrio F-Dur KV 370 von Mozart galt, dessen langsamer Mittelsatz mit melodischer Schönheit, aber auch wohliger Klangbalance zur Ruhe fand. Die blühend kolorierten Allegro-Rahmensätze dieses Werkes gehörten zu den vitalsten im Programm, zumal die Oboe als entrückt schwebendes Glanzlicht fungierte. Anders als in Brittens "Phantasy Quartet" op. 2, wo die Streicher dominierten und mit rhythmischem Groove für Spannung sorgten, während die Oboe gezielt als Farbe hinzukam oder melancholisch sinnierend die ruppige Streichertextur kontrastierte.

Dass in Gauting das einsätzige Werk so intensiv ausfiel, lag vor allem am musizierfreudigen, und beredten Zugriff, dessen Rhetorik immer wieder mit expressiven Verdichtungen für Nachdruck sorgte. Diese Art der dramaturgischen Intensivierung beherrschen alle fünf jungen Musiker herausragend, so energisch und entschieden, als stellten sie ein festes eingespieltes Ensemble. Zwar hatte die Oboe einen exponierten Part, der nicht gar so nahtlos im Ensemble aufzugehen hatte. Doch Meis Viola erwies sich als entscheidend für die Homogenität im Zusammenspiel. Sein Einfühlungsvermögen und seine spieltechnische Präzision, auf der anderen Seite das kommunikationsfreudige Agieren des Trios Marvin machten es möglich, die Bratsche mühelos zu integrieren.

Das wurde schon eingangs mit Fanny Mendelssohns Klavierquartett As-Dur deutlich, in dem das Streichertrio ein eng verflochtenes Quasi-Kammerorchester zu mimen hat, während Kan mit ebenmäßig perlender Pianistik ihren virtuosen Part zum Leuchten brachte. Im Larghetto zeigte sich, dass die lange unterschätzte, damals erst 17-jährige Komponistin auch kammermusikalische Feinsinnigkeit beherrschte, was die Streicher zu empfindsam-kantabler Ästhetik anspornte. Die schlug dann auch die Brücke zu Ernst Křeneks Triophantasie op. 63, in der das Trio Marvin ein einziges Mal unter sich blieb. Křenek war ein mutiger Neuerer, aber aus der Tradition heraus. Seine Schubert-Studien brachten romantische Wärme in die Triophantasie, die mit den Exkursionen in die Atonalität absolut stimmig zusammengingen. Einmal mehr ein ereignisreicher Abend, der das Publikum begeisterte.

© SZ vom 01.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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