Konzert:Anglikanisches Abendlob

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Die Chöre der Pfarreiengemeinschaft Ammersee Ost und der evangelischen Kantorei bei ihrem gemeinsamen Auftritt in der Kirche St. Nikolaus. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das dritte Nachtkonzert der Kirchengemeinde Herrsching begeistert als ökumenisches Projekt

Von Reinhard Palmer, Herrsching

Der Evensong oder Evening Prayer ist so etwas wie ein alltägliches anglikanisches Abendlob: Eine Mischung aus Vesper und Nachtgebet. Beliebt ist vor allem die Form des Choral Evensongs, der weitgehend musikalisch gestaltet wird. Und da ihn auch Laien durchführen dürfen und daher keiner strengen liturgischen Reglementierung unterliegt, konnte in Herrschings St. Nikolaus daraus problemlos eine ökumenische "Geistliche Abendmusik" werden, mit knapp gehaltenen Lesungen und Gebeten der evangelischen Pfarrerin Angela Smart und des katholischen Pfarrers Simon Rapp.

Ökumenisch waren aber nicht nur die Form, sondern auch die musikalischen Gestalter gewählt. So kamen die Evangelische Kantorei Herrsching mit Birgit Henke als Leiterin am Dirigierpult sowie der Chor Projekt Pfarreiengemeinschaft Ammersee Ost mit Anton Ludwig Pfell, der als konzertanter Orgelvirtuose und Orgelbegleiter zu hören war, zusammen, um gemeinsam in sinfonischer Stärke rare englische Chorsätze und Orgelwerke zu interpretieren. Abgesehen von einer melancholisch mäandernden Hymne, die Thomas Tallis im 16. Jahrhundert komponiert hatte, ging es hier um Musik des 19. und 20 Jahrhunderts. Dass die allerwenigsten Namen dabei dem Publikum bekannt sein dürften, lag daran, dass die ausgewählten Komponisten in ihrer Musik wenig Eigenes hervorgebracht und sich rückwärtsgewandt orientiert hatten. Das hing aber auch damit zusammen, dass hier tradierte Gattungen zu hören waren, die weniger der Kunst als dem liturgischen Gebrauch zu dienen hatten.

Im Zentrum stand der Ire Charles Villiers Stanford, der sich große Verdienste um die Erneuerung der englischen Musik ("English Musical Renaissance") erworben hat. Schon sein Orgelwerk Prelude and Fugue in c-Moll hatte etwas Archaisches an sich, auch wenn der ruhelos vorantreibende Duktus durchaus ins 20. Jahrhundert wies. In guter englischer Tradition pflegte Stanford ein gewisses Pathos, das im Psalm "O be joyful in the Lord" hymnische Größe annahm. Seine Chorsätze zeigten sich überaus farbenreich, insbesondere im Magnificat, das die Chöre zielsicher unter einen schlüssigen dramaturgischen Bogen brachten. In Stanfords "Nunc dimittis" überzeugte der etwa 80-köpfige Klangkörper mit ausgebreiteter Atmosphäre in melancholischer Melodik. Hier war die englische Tradition besonders spürbar und setzte sich im A-cappella-Antifon "How calmly the Evening" des Stanford-Mitstreiters Edward Elgar fort. Einen ähnlichen Zugriff fand das Ensemble in "Our Father" des Franzosen Jacques Berthier, der als Schöpfer der "Gesänge aus Taizé" gewisse Popularität genießt. Ein rein katholisch-liturgischer Komponist ist indes der US-amerikanische Priester Jan Michael Joncas, dessen Fürbitten "Response 5" schon deutlich auf Musical-Songs verwiesen: popartig, schönmelodisch und beschwingt.

Zu den Orgelkomponisten des Nachtkonzerts zählten der hymnische Charles J. May, der vergnügt beschwingte William Wolstenholme und der romantisch sinnierende Bertold Tours. Unter der Orgelliteratur präsentierte Pfell zudem eine denkwürdige "Melody": Nicht, weil das melancholische Lied etwa besonders spektakulär wäre, sondern weil der Komponist des frappant schlichten Werkes Samuel Coleridge-Taylor der erste schwarze Komponist Englands war. Seine Familie stammte aus Sierra Leone, wohin sein Vater schon bald zurückkehrte und Frau und den musikalisch hochbegabten Samuel zurückließ. Genaueres über sein bewegtes Leben ist im Film "The Samuel Coleridge-Taylor Story" (2013) zu erfahren. Alles andere als harmlos erwies sich indes "Concert Fugue on a Trumpet-Fanfare" von William Thomas Best: Energisch und klangscharf im drängenden Duktus setzte Pfell mit dem Werk einen kraftvollen Schlusspunkt - ein fast schon pompöses Finale dieses musikalisch vielfältigen Abends.

© SZ vom 17.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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