Kommunalwahl:Starnberg muss nachzählen

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Der Wahlausschuss hat erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses der Stadtratswahl. Grund dafür sind offenbar Software- und Bedienungsfehler bei der Computererfassung der Stimmzettel.

Von Sabine Bader

Kommunalwahl 2014 Starnberg Wahlhelfer in der Schloßberghalle (Foto: STA Franz X. Fuchs)

Für jeden Wahlleiter ist das der Albtraum: Das Ergebnis wird beanstandet, es muss nachgezählt werden. So beschlossen am Mittwochvormittag im Wahlausschuss der Stadt Starnberg. Kein Wunder, dass sich die Miene von Augustin Ullmann, Ordnungsamtsleiter und Wahlorganisator in Personalunion, in dieser Sitzung von Minute zu Minute mehr verdüsterte. Mag doch vor seinem inneren Auge eine Art Endlos-Schleife aus meterhohen Stimmzetteln und übernächtigten Mitarbeitern aufgetaucht sein.

Fakt ist: Die Wählergemeinschaft Pro Starnberg (WPS) hat aus mehrerlei Gründen Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses der Stadtratswahl vom Sonntag. Zweifel, die der fünfköpfige Wahlausschuss der Stadt in seiner Sitzung am Mittwoch nicht entkräften konnte. Das Gremium mit Bürgermeister Ferdinand Pfaffinger an der Spitze beschloss darum nach längerer Diskussion einstimmig, die Stimmzettel von drei Briefwahlbezirken (32, 38 und 39) sowie die der Wahllokale "Alte Oberschule" und Wangen per Hand nachzählen zu lassen. Sollte sich der Verdacht erhärten, muss die gesamte Stadtratswahl noch einmal gezählt werden, daran ließ Pfaffinger keinen Zweifel. Den Gedanken an dieses Szenario dürfte sich Ullmann jetzt allerdings noch verboten haben.

Unstrittig ist, dass es bei der Stimmenauszählung in der Wahlnacht zu teils erheblichen Software-Problemen und Bedienungsfehlern kam. So mussten vom Programm fehlerhaft erfasste Stimmenzahlen nachträglich per Hand korrigiert werden. Die Folgen sind laut WPS Berechnungsfehler und somit falsche Ergebnisse. So sollen beispielsweise allein im Briefwahlbezirk 38 rund 5000 Einzelstimmen schlicht verloren gegangen sein. Vorstand dieses Wahllokals war Stadtrat Thomas Ledergerber (WPS). Er sprach von bedenklichen Vorfällen und "fahrlässiger" Software. In einem anderen Briefwahlbezirk seien bei CSU und "Bürger Mitte Starnberg" (BMS) Stimmenschwankungen aufgetreten, die auffällig von den zu erwartenden Mittelwerten anderer Briefwahlbezirke abweichen. "Das darf eigentlich nicht sein", findet auch Rathauschef Pfaffinger. Dass beispielsweise die Umfahrungsbefürworter in einer Ortschaft, die nahe an der propagierten Trasse liegen würde, weniger Stimmen erhalten, als in weiter entfernten Orten, ist nachvollziehbar. Bei den Briefwahlen aber spielt dies keine Rolle, denn die rund 6000 eingegangenen Wahlumschläge wurden zum Auszählen gleichmäßig auf die zehn Briefwahlbezirke verteilt. Eine örtliche Zuordnung der Wähler ist nicht mehr möglich. Daher müsste es folgerichtig auch eine Gleichverteilung geben.

Und noch ein Problem ist aufgetreten - es betrifft die Stimmen der Bürgerliste (BLS): Sie hatte im Gegensatz zu allen anderen Parteien und Gruppierungen auf ihrer Stadtratsliste nur zehn statt 30 Kandidaten angegeben. Jeder Bewerber war dafür dreimal genannt. Hat ein Wähler nun ein Listenkreuz bei der Bürgerliste gemacht und damit jedem der Kandidaten eine Stimme - in diesem speziellen Fall drei Stimmen je Bewerber gegeben - habe das System der Bürgerliste aber nur zehn statt dreißig Stimmen gutgeschrieben. Aufgefallen ist dies zuerst den Wahlhelfern in der Alten Oberschule. Sie behoben das Problem, in dem sie jeweils von Hand 20 Stimmen dazuzählten. Die Rechnung stimmte wieder. Dass das jedoch nicht im Sinne des Erfinders sein kann, liegt auf der Hand und wirft die Frage auf: Wie viele Stimmen sind der BLS, die im neuen Stadtrat überraschenderweise nur noch mit einem Stadtrat (Walter Jann) vertreten sein wird, nun möglicherweise entgangen? Das Problem in der Alten Oberschule scheint jedenfalls kein Einzelfall zu sein. Bürgermeister Ferdinand Pfaffinger gab an, ihm sei dasselbe auch aus dem Wahllokal in Wangen zu Ohren gekommen. Unstrittig scheint zu sein, dass es sich bei den beanstandeten Punkten nicht etwa um bewusste Wahlmanipulation, sondern lediglich um Bedienungs- und Softwarefehler handelt. Nickeligkeiten wie ein möglicherweise zu spät oder auch zu früh geleerter Rathausbriefkasten am Wahltag oder zu früh aufgeschlitzte Briefwahlunterlagen erschienen dem Ausschuss vernachlässigbar.

Bis die Stimmen der fünf Wahlbezirke nachgezählt sind, könnten etliche Tage vergehen. Erwartungsgemäß wird der Wahlausschuss kommende Woche erneut zusammentreten; der Termin steht noch nicht fest. Vom Ergebnis hängt ab, ob die gesamte Stadtratswahl nachgezählt werden muss. Unberührt davon ist das Ergebnis der Bürgermeisterwahl und der Stichwahl zwischen Eva John (BMS) und Ludwig Jägerhuber (CSU) am 30. März.

Übrigens: Schon einmal mussten ein paar Stimmbezirke in Starnberg nachgezählt werden. Das war vor fast dreißig Jahren. Der FDP fehlten damals nur ein paar Stimmen für die Stichwahl. Genutzt hat ihnen die Überprüfung nichts: Am Ende fehlten ihnen noch zwei Stimmen mehr.

© SZ vom 20.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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