Kino:Klischee und Überraschung

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Bettina Reitz.. (Foto: Robert Haas)

Junge Filmemacher zeigen ihre Arbeiten im Starnberger Kino und diskutieren mit Hochschulleiterin Bettina Reitz. Künftig will der Kinochef regelmäßig Studenten einladen

Von Blanche Mamer, Starnberg

"Ich könnte nie in Ihr Land gehen und einen Film über Ihr Leben machen", sagt die schwarze Hochschulprofessorin der Universität von Kapstadt am Ende der Dokumentation von Annelie Boros' "Fuck white tears". Damit bringt sie das Dilemma der angehenden Fernsehjournalistin auf den Punkt. Geplant war eine Reportage über die ungleichen Studienbedingungen und die Studentenunruhen in Südafrika im Rahmen des jährlichen Close-up-Projekts. Doch die schwarzen Studenten weigerten sich, mit ihr zu sprechen. Sie warfen ihr vor, sich als reiches weißes Mädchen nicht wirklich für die Probleme der Schwarzen zu interessieren, sondern nur ihren Semesterfilm drehen zu wollen. Also was tun? Ohne Film nach München zurückfahren? Boros hat sich also mit der Frage befasst, ob und wie sie als weiße Europäerin die Probleme der schwarzen Südafrikaner sieht.

Ihr Film ist beim Publikum der Sonderveranstaltung mit jungen Filmemachern im Starnberger Kino mit großem Interesse aufgenommen worden. Kinochef Matthias Helwig, selbst ein Alumnus der Münchner Filmhochschule (HFF), hat in Kooperation mit dem Kulturforum die HFF-Leiterin Bettina Reitz und fünf angehende Filmemacher mit ihren Kurzfilmen, Werbespots und Dokumentationen zum Filmgespräch eingeladen. Eins ist klar, sagt Boros. "Ich habe die Macht über das, was ich mitteile. Ich entscheide, was nachher in den Bericht kommt, ich entscheide im Schneideraum, welche Aussagen in welchen Zusammenhang gestellt werden." Klar ist auch, dass 22 Jahre nach der Wahl Nelson Mandelas zum Präsidenten sich die Hoffnung nicht erfüllt hat, das Land von Gleichberechtigung weit entfernt ist. Die HFF-Chefin lobt die Entscheidung, die eigene Arbeit zu hinterfragen.

Mal ehrlich, welche Mutter hat ihren krakeelenden Dreijährigen oder die ständig nörgelnde Tochter nicht schon mal auf den Mond gewünscht? Doch das ist weit davon entfernt, zu bereuen, Kinder in die Welt gesetzt zu haben. Die Dokumentation "Regretting Motherhood" von Merle Grimme und Felizitas Hoffmann befasst sich mit einem Thema, das auf viel Unverständnis stößt. Da Muttersein immer noch als etwas Heiliges gilt, hätten es jene Frauen schwer, die das Glück in Frage stellen und es bereuen, Kinder bekommen zu haben, sagt die 28-jährige Grimme. In ihrem Alter stelle sich nun einmal die Frage nach der Familiengründung und der Vereinbarkeit von Job und Familie. Sie haben im Vorfeld mit vielen Frauen aus unterschiedlichen Milieus gesprochen, drei sind als Gesprächspartnerinnen für das Filmprojekt übrig geblieben, wobei eine ganz besonders viel von sich preis gegeben hat, wie Grimme sagt. Da ihnen Anonymität zugesichert war, stellte sich die Frage, wie man den Film bebildern könne. Die beiden Autorinnen entschieden sich für Naturszenen wie eine Pfütze, eine Bergkulisse. Man könne diese Bilder durchaus mit den Stimmungen einer überforderten Mutter assoziieren, jedoch bedienten sie auch Vorurteile und Klischees, sagt ein Zuschauer.

Viel Applaus bekommen die drei fiktionalen Filme: Zuerst der dreiminütige Spot "Das Erbe" von Ferdinand Arthuber und Lorenz Weißfuß. Thema ist die Erbschaft einer Briefmarkensammlung und die späte Erkenntnis, dass eine Marke mehr Wert hat, als die aufgedruckte Zahl. "Knapp, prägnant und vielversprechend", so Reitz. Viele Lacher, aber auch nachdenkliches Nicken erntet der Kurzfilm "Liftboy" von Anne Heinze. In zehn Minuten erzählt sie die Geschichte eines frustrierten Studenten, der nachts an einer Tankstelle jobbt. Bis ihn ein hustender asthmatischer Räuber überfällt und sich als alte Bekanntschaft entpuppt. Fast euphorisch reagiert das Publikum auf Bernhard Kreutzer und seinen Spielfilm "Aron Bow", bei dem sich Fantasy und Realität vermischen. Großes Vorbild des zehnjährigen David ist der Comic-Held Aron Bow, der die Schwachen beschützt und die Bösen überlistet. Dahin flüchtet sich der Bub immer dann, wenn seine Mutter und ihr Freund streiten. Warum er das Klischee bediene, dass der Bub seine Mutter schützen müsse, fragt eine Filmstudentin. Helwig hat vor, künftig regelmäßig Filmstudenten einzuladen.

© SZ vom 01.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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