Kabarett:Reimspielereien

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Silvana und Thomas Prosperi auf dem Cover ihrer neuen Platte. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Neues Album von "Faltsch Wagoni"

Von Armin Greune, Herrsching

"Immer schön rebellisch bleiben - das hält jung": Diesem Erfolgsrezept folgen Silvana und Thomas Prosperi als "Achtundsechziger von 1978" schon ziemlich lange. Als Faltsch Wagoni stehen sie inzwischen seit 37 Jahren gemeinsam auf der Bühne. Nun haben die beiden Wahl-Herrschinger nach längerer Pause wieder eine CD herausgebracht: "Politik und Liebe" ist ein Best Of der Programme "Wort & Wild - artgerechte Unterhaltung", "Damenwal" und "Auf in den Kampf, Amore". Bei den Neuaufnahmen im Studio wirkte eine Reihe illustrer Gäste mit: Evi Keglmaier und Alex Haas aus der Hochzeitskapelle, Johann Zeller ( KlangZeit), der Herrschinger Ludwig Himpsl ( Unterbiberger Hofmusik, Bavaschôro) und der Pionier der Weltmusikszene Roman Bunka an der Oud. Und für den Kinderchor, der "Im Namen der einen Welt" mit den Parolen "Unser Leben, unsere Welt, unsere Zukunft" zum Kampf aufruft, danken die Prosperis der "Nachbarschaftshilfe".

Man merkt dem Album an, wie viel Freude es ihnen bereitet hat, im Studio das musikalische Potenzial ihrer Couplets aufzuwerten. Dazu tragen nicht nur Bass, Bratsche, Akkordeon, Horn und Percussion der Gastmusiker bei - mehrere Gesangsspuren und Hall geben den Instrumenten und Stimmen räumliche Tiefe, die Studiotechnik lässt die kompositorischen Qualitäten der Songs klarer hervortreten. Stellvertretend sei hier "The Waiter" genannt, der mit seinem prägnanten, nervenzehrenden Gitarrenriff an die frühen Folkballaden von Bob Dylan erinnert.

Im Vordergrund aber stehen bei Faltsch Wagoni stets die Texte. Sie singen das Hohelied der fortgeschrittenen Wortklauberei, die Inhalte bleiben unberechenbar: Ist "Im Namen der einen Welt" ein flammender Appell aufzubegehren und für die Freiheit zu streiten, versteckt sich hinter "Der blaue Planet" keineswegs ein Lamento über die globale Vernichtung der Arten und Ressourcen, sondern ein beschwipster Ballermann-Walzer. Zwischen dadaistischem Nonsens und politischer Botschaft dominiert die spielerische Vergnügen am Vers, Sprachwitz und -rhythmus. Notfalls müssen dafür auch geografische Grenzen etwas erweitert werden: Dann reicht das Mittelmeer des schönen Klangs wegen "vom Libanon bis Lissabon" und reimt sich so schön auf "laue Plastikmüll-Bouillon". Und nicht immer weist die Gesellschaftskritik eindeutig in eine Richtung: "Begrabt mein Herz in der Krümmung des Raumes" scheint erst in die breite Kerbe der Kritik an moderner Architektur zu schlagen ("Die Flächen der Fassaden sind glatt und stählern kalt") - um dann die Sehnsucht nach einem "barocken Plüschlabyrinth" in den Kakao zu ziehen: "Wer baut mir ein Hochhaus aus Blättern und Rinde im neostorchigen Amselhausstil?"

So gibt das Album einen schönen, musikalisch fein abgestimmten Überblick über das kreative Schaffen von Deutschlands dienstältestem und dennoch jung gebliebenem Kabarettisten-Duo vom Ammersee. Freilich kann es das hochkomische Amusement eines Live-Auftritts von Faltsch Wagoni nicht ersetzen, wenn Mimik, Gestik, schräges Instrumentarium und Dialoge zwischen Duett und Duell Hirnschmalz und Zwerchfell erschüttern.

© SZ vom 10.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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