Interview:Umgesattelt

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Tutzings Bürgermeisterin Marlene Greinwald hat bislang noch keinen Gegenkandidaten. Um die Verwaltung nicht über die Weihnachtstage zu binden und einen Konflikt mit den Landtagswahlen im Oktober zu verhindern, legte das Landratsamt die Abstimmung auf den November. (Foto: Nila Thiel/Starnberger SZ)

Ein Jahr ist Tutzings Bürgermeisterin Marlene Greinwald jetzt im Amt. Auch wenn sie schon lange in der Kommunalpolitik tätig ist, sind viele Aufgaben neu für sie. Da heißt es anpacken. In den Stall des heimischen Reiterhofs geht sie morgens nur noch als Frühsport

Von Manuela Warkocz, Tutzing

Als sie erfährt, dass sie die Bürgermeisterwahl gewonnen hat, ist Marlene Greinwald erst mal nur sehr erleichtert. Der Wahlkampf ist vorbei. Die Nachfolge für den verstorbenen Rudolf Krug geklärt. Eigentlich steht die Frau vom Greinwald-Hof und staatlich geprüfte Wirtschafterin für Landbau nicht so gern im Mittelpunkt. Nach vorn schauen. Anpacken. Danach lebt Marlene Greinwald, die in eine der ältesten Tutzinger Fischerfamilien eingeheiratet hat. Ein Jahr nach ihrer Wahl hat sie sich als erste Frau und erste Vertreterin der Freien Wähler an der Spitze Tutzings einen guten Ruf erarbeitet. Sie ist beliebt im Rathaus, im Gemeinderat und im Ort. Die 57-Jährige gilt als fleißig, umgänglich, kompromissbereit, als Team-Playerin. Von Kommunalpolitik verstand sie zwar durchaus einiges, nach 27 Jahren im Gemeinderat und zuletzt als Dritte Bürgermeisterin. Als Rathauschefin ist sie allerdings mit ganz neuen Herausforderungen konfrontiert. Natürlich kann sie da immer auch auf das Fachwissen ihrer Rathausmitarbeiter zurückgreifen, allen voran Geschäftsleiter Marcus Grätz.

SZ: Sie haben vor einem Jahr die Wahl zur Ersten Bürgermeisterin gewonnen. Haben Sie dann erst einmal einen Kurs gemacht, um den neuen Job zu lernen?

Marlene Greinwald: Kurse für Neulinge gibt's tatsächlich, allerdings nur nach den regulären Wahlen. Die Politische Akademie hier bietet aber immer wieder sehr interessante Tagungen zu wichtigen kommunalpolitischen Themen. Das ist wirklich toll, dass wir die beiden Akademien hier am Ort haben. Ich bin demnächst wieder dort, wenn es um Kommunen als Zukunftsgestalter geht.

Den Blick von einer höheren Warte auf die lokalen Dinge zu haben ist Ihnen wichtig?

Ja, gerade, wenn es um ökologische Ansätze geht. Das hat mich immer interessiert und ich finde es weiter sehr wichtig. Leider kann ich viele Ideen nicht umsetzen, weil unser finanzieller Rahmen so eng ist.

Als Dritte Bürgermeisterin haben Sie den Greinwaldhof zu einem Bioland-Betrieb umgestaltet. Packen Sie jetzt auch noch aktiv mit an?

Ich bin auf dem Hof voll ausgestiegen. Ich geh' in der Früh noch eine Stunde mit in den Stall, aber das ist mehr Frühsport und gemeinsame Zeit mit meinem Mann. Die Arbeit ist inzwischen verteilt, unsere Tochter ist mit eingestiegen. Alle helfen zusammen. Das läuft. Ich muss aber auch immer wieder klarmachen - Bürgermeisterin ist jetzt mein Fulltime-Job.

Wie hat es sich mit den Bürgermeister-Kollegen im Landkreis angelassen?

Sehr gut. Die kann ich jederzeit um Rat fragen, ganz gleich welcher Parteizugehörigkeit. Die Hilfsbereitschaft ist groß, und die Zusammenarbeit gerade mit den Nachbarbürgermeistern in Bernried, Pöcking und Feldafing funktioniert.

Sie haben zugesagt, alle Tutzinger Vereine zu besuchen. Bei über 100 eine Herkulesaufgabe.

Bis auf ein oder zwei bin ich zu allen Mitgliederversammlungen, zu denen ich eingeladen war. Der Besuch von allen möglichen Veranstaltungen in der Gemeinde hat sich nicht groß geändert, weil ich auch schon als Gemeinderätin zu vielen gegangen bin. Zu den meisten sind auch die Gemeinderäte eingeladen - gehen nur meistens nicht so viele hin.

Sie wünschen sich mehr Präsenz?

Ich will da jetzt nicht erfahrene Gemeinderäte erziehen. Aber mit dem neuen Gemeinderat kann ich mir nächstes Jahr eine gemeinsame Veranstaltung vorstellen, in der es auch um das Selbstverständnis gehen könnte.

Die Sanierung der Hauptstraße ist das größte Projekt, das Sie in diesem ersten Jahr beschäftigt hat und sicher die nächsten Jahre begleiten wird. Was muss noch passieren, bis es losgeht?

Zwischen Staatlichem Bauamt und Abwasserzweckverband müssen noch Verträge geschlossen werden. Konkret geht es darum, dass das Niederschlagswasser der Straße entsorgt werden muss. Der Zweckverband pocht - zurecht, wie ich meine - darauf, dass das Straßenbauamt die Kosten trägt. Das Straßenbauamt hat alte Verträge und will nur so viel zahlen wie früher. Die Differenz soll die Gemeinde zahlen. Das geht nicht. Wir verhandeln gerade. Aber das bremst alles.

Umleitungen während der Bauphase sollen über Unterzeismering laufen. Dort ist aber die Brücke kaputt. Wann ist die wieder hergerichtet?

Ich hoffe, dass wir da mit dem Wasserwirtschaftsamt Weilheim auf dem richtigen Weg sind. Ich weiß, dass Leute verärgert sind und sagen ,Warum macht ihr nicht schnell die Brücke'. Aber wir dürfen das nicht ohne Genehmigung.

Glauben Sie, dass es - wie angekündigt - mit dem südlichen Bauabschnitt dieses Frühjahr losgeht?

Ich bin Optimistin. Und Frühjahr geht ja bis Juni. Aber das sind jetzt alles so Sachen, die nicht in unserer Hand sind.

Anderes Thema - im Oktober 2017 musste das Alte Lehrerwohnhaus gesperrt werden. Problematische Umbauten im Keller hatten plötzlich Statikfragen aufgeworfen. Mittagsbetreuung, Musikschule, Billardclub, Gilde und der Jugendverein JM mussten raus. Wann können sie wieder rein?

Die Mittagsbetreuung ist wieder eingezogen, jetzt Anfang Januar. Dafür hat Herr Kühnel (Kreisbaumeister Anm.d.Red.) das Okay gegeben. Die anderen müssen sich noch gedulden. Denn aus Brandschutzgründen darf nicht mehr als ein Nutzer ins Gebäude. Wir warten jetzt auf die Baugenehmigung, in der wir vermutlich die Auflage bekommen, eine Brandmeldeanlage einzubauen. Welche Veränderungen wir sonst noch vornehmen müssen, wissen wir nicht.

Eine Baugenehmigung für ein bestehendes Gebäude?

Das Lehrerwohnhaus wurde als Wohnhaus gebaut, aber nicht mehr so verwendet. Wir nutzen es als Schulhaus. Daher gelten ganz andere Auflagen. Barrierefreiheit, Brandschutz und das alles. Die Statik ist in Ordnung. Das Haus war nie einsturzgefährdet. Aber es muss alles den aktuellen Genehmigungsanforderungen angepasst werden.

Was kommt finanziell auf die Gemeinde zu?

Das wissen wir noch nicht.

Hört sich nicht so an, dass das heuer noch abgehakt wird, oder?

Ich weiß es nicht. Wir hoffen, dass die Baugenehmigung wenigstens den Billardclub im Keller wieder gestattet.

Zwei andere Liegenschaften, die der Gemeinde gehören, waren vergangenes Jahr immer wieder in der Diskussion: das denkmalgeschützte Mayr-Haus an der Hauptstraße und das Thoma-Haus aus dem 16. Jahrhundert, eines der ältesten Tutzings, an der Graf-Vieregg-Straße. Beide im Zentrum, beide mehr oder weniger ungenutzt und nicht sehr ansehnlich. Gibt es Pläne?

Mein Wunsch wäre, das Thoma-Haus herzurichten. Ich finde das vom Charakter her schön, mit dem Stadl hinten dran. Im unteren Bereich könnte ich mir eine öffentliche Nutzung vorstellen, etwa mit unserer Kulturreferentin Brigitte Grande, vielleicht auch ein Kiosk. Ansonsten würde ich gern bezahlbare Wohnungen reinmachen. Für Mitarbeiter brauchen wir immer wieder was. Das Mayr-Haus würde ich gern verkaufen oder auf Erbpacht hergeben und davon das Thoma-Haus sanieren. Das müsste aber der Gemeinderat beschließen.

Mehr günstigen Wohnraum in Tutzing schaffen, und das mit der SoBoN, der Sozialgerechten Bodennutzung - das ist eines Ihrer Herzensanliegen. Der Gemeinderat ist Ihnen gefolgt, hat die SoBoN im vergangenen Sommer beschlossen. Bislang gibt's aber noch keinen umgesetztes Fall, oder?

Es gibt kleinere Projekte. Die sind dem Gemeinderat schon nichtöffentlich vorgestellt worden, weil es sich um Grundstücksangelegenheiten handelt. Da tut sich was. Das ist noch keine Masse an Wohnungen, die da entstehen, aber schon ein paar. Das wird im Lauf des Jahres bekannt werden.

Das Ganze ist doch auch eine finanzielle Frage. . .

Ja, klar. Wenn neues Baurecht entsteht und uns der Besitzer die Hälfte anbietet, müssen wir den Grund in der Regel kaufen. Und ihn irgendwie bezahlen können.

Anderer Dauerbrenner ist der Seehof. Über das Grundstück wurde im Herbst eine Veränderungssperre verhängt. Was tut sich?

Die Eigentümer haben ihren Antrag für ein Boardinghaus offiziell zurückgezogen. Jetzt fangen wir wieder fast bei Null an. Im Moment schaut unser Planer, wie man im Rahmen eines Bebauungsplans mit Zielsetzung Hotel bestmöglich die Baumasse auf dem Grundstück platzieren kann. Gespräche mit den Eigentümern laufen. Für die Tutzinger ist es wichtig, dass es Sichtschneisen zum See gibt und eine gewisse Öffentlichkeit des Geländes. Wie das aussehen kann - ich kann mir vorstellen, dass das im Februar oder März wieder in den Gemeinderat kommt.

© SZ vom 25.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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