Tag der offenen Tür:Die Situation mit aushalten

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Ein schwer krankes Kind verändert alles. Die Stiftung Kinderhospiz unterstützt betroffene Familien. (Foto: Catherina Hess)

Die Stiftung Ambulantes Kinderhospiz mit Sitz in Inning leistet in betroffenen Familien wertvolle Arbeit, ist aber wenig bekannt. Wie die neue Leiterin das ändern will.

Von Carolin Fries, Inning

Einmal in der Woche fährt Eveline Hofmeier zu den "Mädels", einfach so, um "für sie da zu sein", wie sie sagt. Sechs und elf Jahre alt sind die Schwestern, ihr jüngerer Bruder ist schwer an Krebs erkrankt. Vieles in der Familie dreht sich um den kleinen Buben, weshalb Hofmeier bei ihren Besuchen mit seinen Schwestern spielt, mit ihnen zum Schwimmen fährt, bei den Hausaufgaben dabei ist, ihnen zuhört, "was eben gerade ansteht", wie Hofmeier erzählt. Seit April ist sie ehrenamtlich als Familienbegleiterin für die Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München (AKM) tätig. Das Zentrum Südwestoberbayern koordiniert ihre Einsätze sowie die der anderen 44 Ehrenamtlichen. Warum Hofmeier sich engagiert? "Ich war vor 13 Jahren selber schwer krank. Und ich hätte mir damals einen Ansprechpartner von außerhalb der Familie und dem Freundeskreis gewünscht."

Eveline Hofmeier engagiert sich als ehrenamtliche Familienbegleiterin beim Ambulanten Kinderhospiz München (AKM). (Foto: Nila Thiel)

Hofmeier kennt das, wenn eine Krankheit Menschen zwingt, "total im Jetzt-Zustand" zu leben. Sie habe nach ihrer Genesung bewusst nach einer Möglichkeit gesucht, "etwas zurückzugeben". Zufällig ist sie bei der Stiftung in Inning gelandet. Und damit eine von ganz wenigen Personen ohne eine persönliche Betroffenheit, die den Weg zum Kinderhospiz finden. Denn wie Heike Otten sagt: "Alleine das Wort Kinderhospiz schreckt viele ab." Die 59-Jährige leitet das Zentrum Südwestoberbayern seit Juli. Und ihr sei sofort klar gewesen, dass das Thema - so schrecklich es auch sein mag - mehr Öffentlichkeit braucht. Darum hat sie zusammen mit ihrem Team am vergangenen Freitag zu einem Tag der offenen Tür in die Räume in Inning eingeladen.

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Seit 2016 gibt es das Zentrum in der Ammersee-Gemeinde, seit 2019 versteckt im Rückgebäude eines Wohnhauses gelegen. Einerseits ist die Lage ideal, weil ruhig und dennoch zentral. Andererseits kommt hier niemand zufällig vorbei. Und so bliebe die Arbeit der Stiftung in ihrem ganzen Spektrum vielen Menschen unbekannt. Die Stiftung bietet ihre Unterstützung Familien etwa nicht nur an, wenn ein Kind lebensverkürzend erkrankt ist, sondern auch, wenn ein Elternteil eine solche Diagnose bekommt.

Die Sozialpädagogen und Helfer beraten die Angehörigen, bereiten eine Pflegesituation in der häuslichen Umgebung vor und helfen bei den nötigen bürokratischen Schritten. 458 solcher Gespräche fanden im vergangenen Jahr statt. Vor allem aber sind sie da. "Wir begleiten", sagt Otten "und zwar den ganzen Weg". Sehr oft bedeute das vor allem: mit aushalten. 55 Patientinnen und Patienten hat das Zentrum im vergangenen Jahr betreut. Und fast ebenso viele Patienten in der sozialmedizinischen Nachsorge. Der Einsatzbereich reicht von Fürstenfeldbruck über den Tegernsee und Miesbach bis nach Garmisch-Partenkirchen.

Elisabeth Kern, Heike Otten und Alexandra Keller (von links) arbeiten für das AKM in Inning. (Foto: Nila Thiel)

Und weil sich Krankheit, Erschöpfung und Verzweiflung nicht nach Geschäfts- und Öffnungszeiten richten, gibt es den "Ruf 24". Eine Nummer, über die rund um die Uhr jemand ansprechbar ist. Acht Familien wurden so im vergangenen Jahr in Akutsituationen versorgt. Darüber hinaus gibt es gezielt Angebote für Geschwisterkinder, Mütter und Väter, zum Beispiel in den Ferien. Neun fest angestellte Mitarbeiter hat das Inninger Zentrum, zehn bis zwölf könnten es sein. "Aktuell sind wir noch auf der Suche nach Personal", sagt Otten. Auch Sozialpädagogen scheuen die Kinderhospiz-Arbeit offenbar.

Am Freitagnachmittag nutzen nur wenige Menschen die Möglichkeit, sich ein Bild von der Arbeit der Stiftung zu machen. So bleiben die Helfer größtenteils unter sich. Aber Unterstützer sind gekommen, wie etwa Ursula Bischof und Gerhard Ege aus dem Kuratorium einer Jugendsozialstiftung aus dem benachbarten Fürstenfeldbruck. "Das ist eine wichtige Arbeit", die ihren Preis habe, sagt Bischof. Etwa 6000 Euro kostet die Unterstützung einer Familie pro Jahr im Schnitt. Symbolisch können Förderer Patenschaften übernehmen. Die Stiftung arbeitet zu 70 Prozent spendenbasiert, lediglich ein geringer Teil der Leistungen wird von den Krankenkassen getragen oder über Bußgelder beglichen, die der Stiftung von Gerichten zugewiesen werden.

Der "Wünschewagen" kommt mit Björn Feldmann, Silvia Kaske oder Kurt Züge (von links), wenn er gebraucht wird. (Foto: Nila Thiel)

"Zufrieden und demütig" mache ihn seine ehrenamtliche Arbeit, erzählt Björn Feldmann am Freitagnachmittag beim Tag der offenen Tür. Er fährt ehrenamtlich den "Wünschewagen" des Arbeiter-Samariter-Bundes, um schwerkranke Menschen am Ende ihres Lebens noch einmal an einen Wunschort zu bringen: auf einen Berggipfel, zum geliebten Pferd oder einfach nur an den See zum Sonnenuntergang. Etwa 50 Fahrten seien es im vergangenen Jahr gewesen, "es könnten noch mehr sein", sagt Feldmann. Doch auch dieses spendenbasierte Angebot ist wenig bekannt. Dabei, da sind sich alle an diesem Nachmittag einig, kann Glück ganz einfach sein.

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