Motorsport:Von der Kartbahn an den Nürburgring

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Jan Marschalkowski ist 20 und hat vier Helme gesammelt. Sein aktueller ist der linke. (Foto: Nila Thiel)

Der Inninger Jan Marschalkowski ist Student, Tüftler und Championsleague-Sieger im Rennfahren. Über ein 20 Jahre altes Nachwuchstalent und seinen Hintermann.

Von Tim Graser, Inning

Als er oben auf dem Treppchen stand, von seinen Teamkollegen mit Champagner übergossen, da konnte er es selbst kaum glauben: Mit dem Sieg des Newcomer-Rennfahrers Jan Marschalkowski hatten viele kaum gerechnet, am wenigsten er selbst. In einem pinken Rennauto mit 510 PS war der Inninger 2020 "Junior Champion" in der zweiten Liga des deutschen Rennsports.

Ein Jahr später schon wurde er Vize-Champion in der Rennsportbundesliga. Vergangenes Jahr folgte der bisher größte Sieg auf dem Sachsenring, wo Marschalkwoski zusammen mit seinem Team "ZVO" (benannt nach den Gründern Phillipp Zakowski und Jörg van Ommen) das "ADAC GT Masters"-Rennen gewann, die Championsleague im deutschen Rennsport. Seit 2022 wird der junge Rennfahrer nun auch von der "ADAC Stiftung Sport" gefördert, die ihre Sportler nach Potenzial handverliest.

Als würde ein junger Fußballer innerhalb von drei Jahren erst die Zweite Liga, dann die Bundesliga und die Champions League gewinnen. Wie hat er das geschafft?

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Ein Reihenmittelhaus in Inning. Jan Marschalkowski, ein junger Mann mit kurzen blonden Haaren und breitem Lächeln, führt durch die Gänge. An den Wänden hängen Bilder von ihm in Rennsportmontur, dazwischen einige Familienfotos. Auch der Vater des 20-Jährigen mit dabei. Eric Marschalkowski, 52, hat dunkle Haare und ist ein wenig kleiner und schmäler als sein Sohn, besitzt aber mindestens genauso viel Leidenschaft für den Rennsport. In einer Ecke des Wohnzimmers stehen einige Pokale aus Glas.

16 Jahre alt war Marschalkowski, als er sich 2019 das erste Mal hinter das Steuer eines Autos setzte - auf dem Nürburgring. In "irgendeinem Mietwagen" zeigte ihm Vater Eric damals auf der Rennstrecke kurz die Basics, die es beim Fahren zu beachten gilt: Kuppeln, Schalten, Gas und Bremse. "Das waren meine ersten Meter im Auto", sagt Marschalkowski. Natürlich wusste er auch schon davor, worauf es beim Fahren ankommt: Im Kart, wo viele Rennfahrerkarrieren begannen, hatte Jan Marschalkowski bis dahin viel Erfahrung auf Rennstrecken gesammelt.

Schon der Großvater war Hobbyrennfahrer und hat die Begeisterung für den Motorsport weitervererbt. Vater Eric wäre eigentlich selbst gerne Rennen gefahren, doch zu seiner Jugend war das Geld dafür nicht da. Die Leidenschaft für den Motorsport behielt er trotzdem, blieb aber auf der Zuschauertribüne. Doch die Leidenschaft gab er weiter.

510 PS und 1390 Kilo misst das pinke Mercedes-AMG GT4-Rennauto, mit dem Jan Marschalkowski 2020 "Junior Champion" in der "ADAC GT4 Germany Season" wurde - quasi der zweiten Liga im deutschen Rennsports. (Foto: Gruppe C GmbH/Gruppe C Photography)
Es ist einer von etlichen Preisen, die der 20-Jährige bereits eingefahren hat. (Foto: Nila Thiel)

Im ehemaligen Kinderzimmer deutet der Junior auf ein begeistertes Kind neben den Leitplanken einer Rennstrecke, das als Bild an der Wand klebt. Mit etwa fünf, sagt er, war er mit seinem Papa das erste Mal beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. Der Wind der vorbeisausenden Autos, die dröhnenden Motoren und vor allem die Geschwindigkeit der Rennfahrer faszinierten ihn. Seitdem ist er fast jedes Jahr da. "Es ist schon fast eine Religion", sagt er.

Sogar erst drei Jahre alt sei der Sohn damals gewesen, sagt Vater Eric. Er kennt alle Details dessen Rennfahrerkarriere auswendig. Der Sohnemann habe damals im Kofferraum geschlafen, sagt er. Der Mittelklassewagen steht auch heute noch vor dem Haus der Familie in Inning, in den Kofferraum passt der mittlerweile 1,81-Meter große Sohn jedoch schon lange nicht mehr.

Die eigentliche Rennfahrerkarriere begann 2010. Da war Marschalkowski sieben und saß nach jahrelangem Betteln das erste Mal im eigenen Kart. Auf einer Bahn in Garching drehte er seine Runden, fuhr die ersten Rennen - und den Mitstreitern hinterher. Ab 2017 wurde es dann professionell. Marschalkowski fuhr bei immer mehr Rennen mit, erstmalig auch als Teil eines Teams. 2019 dann nahm der damals 16-Jährige am "ADAC Kart Cup" teil - und gewann. Noch im selben Jahr stieg er aufs Auto um.

Und fuhr sich die Ligen hoch. Im "Gran Tourismo" (GT), also der "großen Fahrt" treten im Gegensatz zu den "Formel"-Rennen PS-Monster gegeneinander an, die sonst auch auf öffentlichen Straßen unterwegs sein könnten - aber für die Rennstrecke angepasst sind. Erst die dritte Liga, GT4, dann die zweite, GT3, wo die Autos nochmal 50 PS mehr haben.

Der Erfolg ist eine Geldfrage

Dann der große Sieg auf dem Sachsenring. Der Moment auf dem Podium sei für Marschalkowski "komplett surreal" gewesen, sagt er. Nicht nur für ihn, sondern auch für seinen Vater ist an diesem Tag ein Traum in Erfüllung gegangen. So richtig realisiert habe er das aber erst ein paar Tage später, als er wieder zuhause war.

Der Erfolg im Motorsport ist nicht zuletzt auch eine Geldfrage. Ein Mercedes, wie der, mit dem Marschalkowski den Sieg einfuhr, kostet für Privatpersonen rund 625 000 Euro. Ein eigenes Auto hingegen besitzt der junge Rennfahrer nicht. Er wohne ja mittlerweile in einer Studentenbude in München, da brauche er gar keines. "Austoben kann ich mich ja immer noch auf der Rennstrecke", sagt Marschalkowski und grinst.

Im 7500-Euro-Simulator kann Jan Marschalkowski vergleichsweise kostengünstig trainieren. (Foto: Nila Thiel)
Zusammen mit Papa Eric entwickelt Marschalkowski Rennlenkräder. Der Vater ist Investor, Manager und Fan zugleich. (Foto: Nila Thiel)

Im Kinderzimmer steht dafür ein eigener Simulator zum Üben. Drei große Bildschirme stellen die Fahrerkabine dar. Darunter befindet sich ein Lenkrad mit vielen Knöpfen und Schaltern. Trainingstage auf der Rennstrecke sind teuer und müssen von den Fahrern selbst bezahlt werden. Meist gibt es vor einem Rennen deswegen nur ein paar wenige Stunden auf der Strecke, da macht sich der Simulator bezahlt. Und seine Rechenkünste. Der Inninger ist ein regelrechter Datenjunkie: Er schaut sich die Verlaufskurven von Reifentemperaturen oder andere Graphen und Statistiken an, um aus vergangenen Rennen zu lernen. Nur der Instinkt reicht ihm nicht.

Neben der Leidenschaft für den Motorsport hat Jan Marschalkowski auch die technische Expertise seines Vaters geerbt. Zusammen bauen sie gerade ein eigenes Lenkrad für Rennautos. Eric Marschalkowski, ein promovierter Physiker, kümmert sich um die Elektronik, der Sohn macht die Mechanik. "Ich wollte ein Lenkrad, das für mich perfekt ist", so der Rennfahrer. Während der Pandemie war Zeit. So setzte sich der Teenager Marschalkowski hinter den Bildschirm und fing an zu planen und zu zeichnen. Eineinhalb Jahre und einige Prototypen später stehen Vater und Sohn kurz vor der Serienreife, bald wollen sie mit ihren Lenkrädern in Produktion gehen.

Der Motorsport als unnütze CO2-Schleuder? Das Duo hat auch spezielle "Thermokameras" entwickelt, um die Reifentemperaturen während der Fahrt zu messen sowie kleine "Chiptuning"-Boxen, die in der Elektronik des Autos die Leistung optimieren - und die auch den CO2-Austoß verringern. "Ökotuning", nennen sie das. Wie der Vater betont, sei Jan Marschalkowski hier überall maßgeblich beteiligt gewesen. Das zweite Semester Maschinenbau an der Technischen Universität München (TUM) hat er gerade erst hinter sich gebracht.

Allein ein Satz neuer Reifen kostet 2000 Euro. Die sind nach zwei Stunden am Ende

Noch ist der Rennsport des Jan Marschalkowski ein Nullsummengeschäft. 120 000 Euro kostet die Rennsportkarriere des Inninger Nachwuchstalents aktuell in etwa pro Jahr. "Komplett gestört" seien die Kosten, sagt Marschalkowski, "leider". Im Endeffekt sei Rennsport deswegen auch immer eine Geldfrage, meint Marschalkowski. "Wer genug Geld mitbringt, fährt." 2000 Euro kostet allein ein Satz neuer Reifen, die "nach zwei Stunden fahren auf jeden Fall am Ende" sind.

Das geht ins Geld. Für den Großteil kommen Sponsoren auf, sodass er und sein Vater "in etwa bei Null" rauskommen. Preisgelder aus gewonnen Rennen gehen hingegen an die Teams. Das steigert den Druck auf die Fahrer. Wer keinen Sieg holt, ist für die Teams nicht mehr wirtschaftlich und kann sich schnell von der Rennstrecke verabschieden.

Um einfacher abzurechnen, hat das Duo extra eine Firma gegründet: die "AmperRacing GmbH", angelehnt an den kleinen Fluss, der nicht unweit vom Familienheim durch den Ort fliest. Gerade einmal 16 Kilometer südöstlich von hier lebt Christian Engelhardt, der zweite große Rennfahrer im Landkreis Starnberg. Dieser ist mittlerweile sogenannter "Werksfahrer" bei Porsche. Der 36-Jährige bekommt dort also ein festes Gehalt und muss für die Unkosten des Sports nicht mehr selber aufkommen. Das ist auch Marschalkowskis großes Ziel. Er hofft, von Mercedes-Benz unter Vertrag genommen zu werden. "Da musst du über mehrere Jahre zeigen, dass du konstant schnell bist."

Es wäre auch ein Triumph für Vater Eric, der ja Investor, Manager und Fan zugleich ist. Hinter jedem schimmernden Pokal in der Wohnzimmerecke steckt auch seine Zeit, sein Geld, seine Leidenschaft. Der 52-Jährige zückt ein Küchentuch und poliert schnell noch einmal eine Stelle auf einer besonders großen Trophäe nach.

In der Sammlung ist noch Platz. Am 14. und 15. Oktober geht es für Jan Marschalkowski im Saisonfinale des "Prototype-Cup Germany 2023" auf dem Nürburgring noch einmal ums Ganze. Aktuell ist er auf dem sechsten Tabellenplatz, es gilt also noch aufzuholen. Wer weiß, vielleicht schimmert ja dann ein weiterer Beweis der Familienpower im Inninger Wohnzimmer.

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