Handwerk:Glitzernde Meisterstücke

Lesezeit: 4 min

Gerhard und Andrea Fritsch fertigen in ihrer Inninger Schmuckmanufaktur Capolavoro edle Preziosen in Handarbeit

Von Otto Fritscher, Inning

Er ist Betriebswirtschaftler, und sie Augenoptikermeisterin. Wer nun glaubt, dass Gerhard und Andrea Fritsch ein Brillengeschäft oder so etwas führen, liegt daneben. Ihre Profession und ihre Liebe gehört dem Schmuck. Und zwar nicht irgendeinem gekauften, sondern den Preziosen, die in ihrem hauseigenen Familienbetrieb namens "Capolavoro" entstehen, das italienische Wort für Meisterstück. Vor eineinhalb Jahren ist Capolavoro, das man mit Fug und Recht als eine der ganz wenigen Schmuckmanufakturen in Bayern bezeichnen darf, in das Inninger Gewerbegebiet gezogen.

"Hier wird alles im Haus gemacht, wir vergeben keine Fremdaufträge", erklärt Gerhard Fritsch das, was für ihn eine Manufaktur ausmacht. Dazu kommt, dass an einem Schmuckstück von Capolavoro fast alles Handarbeit ist. "Nach Vereinbarung kann man auch zu uns in die Manufaktur kommen. Dann kann man auch die Mitarbeiter kennenlernen, die das individuelle Schmuckstück fertigen", erklärt Andrea Fritsch. Die Manufaktur steht also auch privaten Schmuckliebhaberinnen und -liebhabern offen, doch das Gros der Kunden sind Juweliere, die sich die Kollektionen von Capolavoro in ihre Vitrinen holen. Es sind individuelle, wertige und fantasievolle Stücke, die vom Capolavoro-Team, zu dem fünf Juwelengoldschmiedemeister gehören, in der hauseigenen Werkstatt hergestellt werden. Zu finden sind Capolavoro-Kreationen in Juwelier-Geschäften in Deutschland, Österreich und der Schweiz, aber auch in Belgien, Slowenien, Tschechien und den Niederlanden.

Gerhard Fritsch mit Tochter Theresa in der Inninger Werkstatt. (Foto: Nila Thiel)

Der gesamte Entstehungsprozess eines Schmuckstücks lässt sich in der schicken Werkstatt im ersten Stock nachvollziehen. Da ist der Ideenraum, in dem einfach mal Skizzen an die Wand geworfen und auch wieder verworfen werden. Mit einem speziellen CAD-Programm wird der Schmuck dann sozusagen digitalisiert, bis sie sich am firmeneigenen 3D-Drucker materialisiert. Meistens erheblich größer als das eigentliche, spätere Schmuckstück, aber dafür kann man sich gut vorstellen, wie die Details später einmal aussehen und wirken werden.

Fällt der Entschluss, einen Ring, eine Kette oder einen Armreif zu fertigen, dann wird ein Prototyp hergestellt, von Produktionsleiter Sven Schnürle. Wenn es ein Stück in die Capolavoro-Kollektion geschafft hat, dann müssen erst die einzelnen Komponenten - meist Weißgold, Gelbgold oder Roségold, Platin und die gewünschten Farbedelsteine und Diamanten - aus dem Vorratsfundus herbeigeschafft oder bei spezialisierten Edelsteinschleifereien in Idar-Oberstein bestellt werden. Erst wenn alles beisammen ist, beginnt in Handarbeit die Fertigung.

In der Werkstatt entstehen alle Schmuckstücke in Handarbeit. (Foto: Nila Thiel)

Etwa bei Pia Pöschl, der Juwelenfasserin, ein Beruf, für den es eigentlich gar keine Ausbildung in Deutschland mehr gibt. Unter dem Mikroskop bringt Pöschl die Steinchen, die oft nur 0,7 Millimeter groß sind, in der Fassung an den richtigen Platz. "Dafür braucht man Geduld, Konzentration und ein ruhiges Händchen", sagt Andrea Fritsch. Aber auch die Feinpoliererin, die an der benachbarten Werkbank für den Feinschliff sorgt, oder eine Kollegin, die mittels eines hochpräzisen Laserschweißgeräts Schmuckstücke zusammenfügen oder etwa Ringgrößen ändern kann - das alles sind Spezialisten, die nur äußerst schwer zu finden sind. Insgesamt hat die Manufaktur 15 Mitarbeiter, zumeist Frauen. "In der Werkstatt gibt es aber einen Quotenmann", sagt Andrea Fritsch und lacht. Sein Hobby: Geige spielen. In der Regel seien aber Frauen geschickter und bewiesen mehr Feingefühl bei handwerklich diffizilen, kleinteiligen Arbeiten, sagt sie. Zur Werkstatt gehören neben einer Schmuckgussanlage auch Lasersysteme, Lasergraviermaschinen, Mikroskope, CNC-Fräsen, verschiedene Poliermaschinen und UV-Reinigungsgeräte, die an Dampfstrahler - nur viel kleiner - erinnern. Und wenn es gewünscht wird, können in der Galvanik Schmuckstücke mit Rhodium oder verschiedenen Vergoldungen überzogen werden.

Gerhard Fritsch liebt schon immer die Gegend um den Ammersee. Ihre erste Werkstatt hatten die Fritschs in einem Keller in Fürstenfeldbruck, das war vor 29 Jahren. "Dort habe ich meine ersten Ringmodelle hergestellt, aus denen wir dann Einzelstücke für den Verkauf gemacht haben", erinnert sich Andrea Fritsch. Offenbar hatten die beiden damals schon ein Händchen für das Design und die Fertigung von individuellem Schmuck, denn die Firma wuchs, bis schließlich in Puchheim aus der Werkstatt im Keller die erste Manufaktur entstand.

Von jedem Produkt werden übergroße 3D-Modelle gedruckt. (Foto: Nila Thiel)

Doch hier wurde es im Lauf der Jahre zu eng, so dass sich die Familie Fritsch entschloss, nach Inning in den Gewerbepark nördlich der Autobahn umzuziehen. Aber nicht in ein angemietetes Gebäude, sondern in ein von ihnen selbst geplantes und gebautes Plus-Energie-Vollholzhaus, das vor rund eineinhalb Jahren fertiggestellt worden ist. Im Erdgeschoss befindet sich nun der Showroom, darüber die Werkstatt, einige Räume sind an andere Handwerksbetriebe vermietet. Schon das Treppenhaus mit den schmuckvollen Lampen macht deutlich, dass hier keine schnöden Büros angesiedelt sind. "Gerne wollen wir hier mal eine Ausstellung oder vielleicht auch ein Konzert veranstalten", sagt Gerhard Fritsch. Aber noch nimmt sie das Geschäft sehr in Beschlag. Eine neue Kollektion für 2020 ist zurzeit in Arbeit, wobei es Stil des Hauses ist, nur behutsame Veränderungen vorzunehmen.

Im Showroom ist ein Ring das jüngste Highlight, ein Ametrin, ein Quarz-Edelstein aus Südamerika, der von Gelbtönen bis Lila changiert. Daran baumeln rundum kleine Brillanten. Der offizielle Name der Kreation lautet "Passione", doch es können durchaus Assoziationen an einen fliegenden Teppich entstehen, wenn man den Ring aus dem Kelch mit bunten Farbsteinen herausnimmt und die Brillanten unter dem Edelstein baumeln. "Damit haben wir den Publikumspreis bei der Inhorgenta 2019 in München gewonnen", erklärt Andrea Fritsch.

Fürchtet Capolavoro eigentlich die Konkurrenz durch den Onlinehandel? Gerhard Fritsch schüttelt den Kopf. "Nein, individueller Schmuck ist etwas, das man sehen, anfassen, fühlen und erleben muss", sagt er. Dennoch ist Tochter Theresa für die Entwicklung neuer Geschäftsfelder zuständig, und sie betreut die neuen Marketingkanäle wie den eigenen Onlineshop, Instagram und Facebook. "Die Handelslandschaft verändert sich", sagt Theresa Fritsch. Es geht darum, neue Kundenkreise auf die Marke aufmerksam zu machen und letztendlich zu gewinnen - bis dann jemand sagt: "Ui, das schau' ich mir im Laden an". Wichtig sind deshalb auch Online-Marktplätze, die sich mit Themen wie Kulinarik, Schmuck und anderen Lifestylethemen befassen.

Wenn Gerhard Fritsch nicht mit der Führung des Familienbetriebs beschäftigt ist und das Wetter es zulässt, geht er an den Ammer- oder Wörthsee zum Segeln mit seinem Katamaran. Eine Frage an ihn: Tragen eigentlich auch Männer Schmuck von Capolavoro? Er selbst hat nur ein schmales, schickes Armband angezogen. "Eher selten, für Männer ist immer noch die Uhr das wichtigste Schmuckstück", sagt Fritsch. Bezahlen dann die meisten Männer wenigstens den Schmuck für ihre Frau oder Freundin? Fritsch schüttelt abermals den Kopf und sagt: "Die meisten Frauen, die zu uns kommen, wollen sich selbst etwas gönnen." Und sie befolgen offensichtlich den Rat, den Andrea Fritsch ihren Kundinnen bisweilen mit auf den Weg gibt: "Unser Schmuck ist zu schade, um ihn im Tresor zu verstecken." Wer sich in der Manufaktur umsieht, mag dies gerne glauben. Bleibt noch die Frage nach den Preisen: Die Preisspanne für ein Schmuckstück aus der Inninger Manufaktur reicht in der Regel von 500 bis 20 000 Euro.

© SZ vom 10.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: