Langsam schaut Frauke Stechow am Holzregal entlang. Deo Sticks in Papier, Tonkabohnen in Einmachgläsern, Baby-Pflegeöl in Glasflaschen. In der Hand hat sie bereits ein paar Teelichter, jetzt greift sie noch nach einem kleinen Conditioner, unverpackt, natürlich. Die Lebensmittel hier wären ihr zu teuer, sagt sie, aber wenn sich die Welt ändern soll, müsse eben jeder auch ein bisschen seinen Beitrag leisten.
Evi's Unverpackt-Laden in Gilching. Metallene Servierwägen, Behälter mit Nüssen an der Wand, davor Großpackungen mit Seife. An der Kasse steht eine Frau mit kurzen braunen Haaren und drei Steckern im Ohr. Ihren Kindertraum sortiert Eva Thoma in Kisten weg. Es sind die letzten Wochen ihres Ladens, mit dem sie die Welt ein kleines bisschen besser machen wollte. Doch die Realität hat sie längst eingeholt. Inflation, Preissprünge, Sparzeit. Um mehr als 50 Prozent sei ihr Geschäft seit dem Krieg in der Ukraine eingebrochen, sagt sie. Deshalb macht sie spätestens zum Monatsende dicht. "Es geht einfach nicht mehr. Leider."
Früher kamen hier an einem normalem Tag etwa 60 Kunden rein, heute freut sie sich über 30 Besucher. Die Crux: In Unverpackt-Läden sind auch viele Bio- und regionale Produkte vertreten. Diese sind tendenziell teurer und werden bei vielen nun als erstes von der Einkaufsliste gestrichen. Leider sei es bei den Deutschen nicht unbedingt in der DNA, Geld für gutes Essen auszugeben, moniert Thoma und deutet auf die Gummibärchen. Wenn Haribo eine 99-Cent-Aktion mache und sie müsse 2,99 Euro verlangen für 100 Gramm, "dann kauft mir das keiner mehr ab", sagt sie.
Nun versucht sie, zumindest die Zulieferer zu retten
Es ist das Ende eines Traums, den die gelernte Arzthelferin schon lange gehegt hat. Mitte 2020 eröffnete sie ihren Laden in der Pollinger Straße 11 - und der schlug erstmal ein. So gut, dass Thoma vier Mitarbeiterinnen einstellte. Doch dann kam der Krieg mit seinen wirtschaftlichen Folgen. Sie deutet mit der flachen Hand nach unten. Preise hoch, Kaufbereitschaft runter. "Ich kann's einfach nicht mehr halten", sagt sie.
Piep, piep, piep, an der Kasse läuft derweil der Ausverkauf. Die letzten Mohikaner der Nachhaltigkeit. Einer davon ist Till Fischer. Der 37-Jährige hat seine eigenen Einmachgläser mitgebracht und hebt diese vom Servierwagen auf die Theke. Spülmaschinensalz im Kaffeeglas, Paprikapulver im Joghurtglas. "Ist das das geräucherte?", fragt Thoma. Fischer nickt. Er ist die Sorte Mensch, die lieber am Urlaub spart und dafür ins Essen investiert. Grad in der Pandemie sei ihm der ganze Verpackungsmüll auf die Nerven gegangen, sagt er, das habe sein Bewusstsein geschärft. "Es wird etwas fehlen."
Thoma weiß das, und deshalb schreibt sie ihm jetzt die Namen der Unternehmen auf einen Zettel, bei denen er in Zukunft direkt über das Internet bestellen kann. Fairfood Freiburg zum Beispiel. Dinge wie Nüsse und Haferpulver bekäme man dort gut, sagt sie. Das Essen komme dann mit Pfandgläsern in Kisten geliefert. Das Netz als nachhaltige Alternative? Frauke Stechow schüttelt dazu den Kopf. "Ich mach das nicht gern im Internet", sagt sie. Schade sei es, dass der Laden schließe, sagt auch sie. "Der Mensch schmeißt so unglaublich viel Plastik weg." Wenn man es ins Verhältnis setze, seien die Dinge doch gar nicht so teuer.
Im gesamten Landkreis gibt es nur noch einen Unverpackt-Laden
Der Laden wird damit Teil einer veritablen Schließungswelle. Mindestens elf der 88 Läden in Bayern haben seit Jahresbeginn aufgegeben. Bundesweit ist die Verbreitung um 15 Prozent geschrumpft - von 363 sind noch 316 Unverpackt-Läden übrig. Im Landkreis verbleibt nun als einziger der Unverpackt-Laden in der Herrschinger Bahnhofstraße. Denn aufgegeben hat auch Katharina Schön.
Bis Juli ist die Wolfratshauserin noch regelmäßig mit ihrem Unverpackt-Wagerl zum Starnberger Wochenmarkt gefahren. Ab März habe sie gemerkt, dass es nicht mehr funktioniere, sagt sie am Telefon. Schade sei das, "vielleicht ist grad nicht die richtige Zeit für das Konzept." Der Branche ist sie treu geblieben - sie arbeitet nun für ein nachhaltiges Start-up. Nochmal, sagt sie, könne sie sich ein solches Unterfangen aber nicht vorstellen - wirtschaftlich sei das Ganze ein Verlustgeschäft gewesen.
Auch Eva Thoma fällt nun auf ihren Plan B zurück, ihre Qualifikation als Arzthelferin. Ihren Kindertraum vom eigenen Laden mag sie sich noch nicht für immer abschreiben. Sie schaut durch den Laden, hält kurz inne. Wer weiß, sagt sie, was in ein paar Jahren sei. Sie wisse ja jetzt, wie es geht. Vielleicht macht sie dann ja noch einmal auf.