Gilching:Bei Schumanns daheim

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Bei den ersten Stücken mussten die jungen Streicher ohne Dirigat auskommen. (Foto: Nila Thiel)

Die Kindersinfoniker erzählen in einem szenischen Konzert die Geschichte des Komponisten- und Musikerpaares. Dabei hätte mehr Mut zur Lücke dem Programm gutgetan.

Von Reinhard Palmer, Gilching

Um hier gleich mit einer allgemeinen Fehlannahme aufzuräumen: Pädagogisch wert- und sinnvolles Kulturprogramm für Kinder ist kein Kinderspiel. Im Gegenteil, Kinder sind ein höchst kritisches Publikum. Bei der Premiere des neuen Programms der Kindersinfoniker, welche beim Kunstforum in der Aula des Gilchinger Gymnasiums zu Gast waren, war das Risiko des Scheiterns mit vorwiegend erwachsenem Publikum etwas minimiert. Aber auch die anwesenden Kinder blieben gut bei der Sache.

Das Erbe der Kinderkonzerte von Heinrich Klug anzutreten, war zwar ein kluger Schachzug, hatte der einstige Münchner Philharmoniker doch bereits ein breit aufgestelltes, treues Publikum. Aber dementsprechend hoch ist auch die Erwartung. Das Konzept eines szenischen Konzerts mit zauberhaften Kostümen und Bühnenbild (Sylvia Schreiber) sowie mit Ausflügen in andere Kunstgattungen wie etwa Puppenspiel, Scherenschnitttheater oder rhapsodische Erzählung blieb bestehen, ja selbst das inzwischen berüchtigte Begrüßungslied ("Einen schönen Nachmittag!") stand wieder am Anfang des Programms. Doch die künstlerischen Gesamtleiter, die Stimmakrobatin und Darstellerin Salome Kammer und der Komponist, Pianist und Kapellmeister Johannes X. Schachtner sowie auch die künstlerische Leiterin der Kindersinfoniker, Geigerin und Pianistin Julia Fischer, wollten gleich im ersten Programm schon eine eigene Note einbringen.

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Der "Besuch im Hause Schumann" gab die Möglichkeit, allen Beteiligten eine Rolle in der Geschichte zuzuweisen. Die einstige Moderation Klugs übernahm hier Clara Schumanns Mutter, Oma Mariane Wieck alias Kammer, die alle Fäden in der Hand hielt und die Aufgabe, die kleinen Zuschauer zu fesseln, mit dem Bonus einer Großmutter überzeugend stemmte. Die Kinder der Schumanns kamen aus den Reihen der Kindersinfoniker, die ohne Unterstützung professioneller Musiker auskommen mussten. Klugs Ensemblebesetzung bestand ja aus Mitgliedern der Münchner Philharmoniker und jugendlichen Preisträgern. Nun sollen es Kinder und Jugendliche alleine schaffen. Bis zum Erscheinen von Schachtner als mürrischer Robert Schumann vermochten die Streicher bei den ersten Stücken sogar ohne Dirigat auszukommen. Dennoch gewann die Musik unter seiner Leitung deutlich an Sicherheit und Klarheit im Ausdruck, was wiederum der Pianistin Helene Shi, die als Clara Schumann in einer etwas idealisierten Doppelrolle als Klaviervirtuosin und liebevolle Mutter viel Einfühlsamkeit zeigte, mehr gestalterischen Freiraum verschaffte.

Mit Ausflügen in andere Kunstgattungen wie etwa Puppenspiel, Scherenschnitttheater oder rhapsodische Erzählung bieten die Kindersinfoniker ein szenisches Konzert. (Foto: Nila Thiel)

Der Hornist, der die Rolle von Johannes Brahms übernehmen sollte, war offenbar nicht erschienen. Als Grundlage Schumanns Sammlung von Klavierstücken "Album für die Jugend" zu wählen, ist zwar mit Schachtners Bearbeitungen für Streicher und Klavier musikalisch hochwertig gelöst, doch die Vielfalt der darin vorkommenden Themen wie "Wilde Reiter", "Bärentanz", "Nachklänge aus dem Theater", "Erster Verlust" oder "Weinlese" schlug einen überbordenden dramaturgischen Bogen. Dann auch noch den pädagogischen Finger mit Robert Schumanns "Haus- und Lebensregeln" zu erheben, war zwar in der Vertonung Schachtners ein willkommener Akzent im Programm, überforderte aber den inhaltlichen Rahmen. "Sheherazade", von Kammer als Scherenschnitt-Schattenspiel mit der Geschichte der Entstehung der Erzählungen aus 1001 Nacht bereichert, punktete daher mit einem längeren Erzählstrang deutlich beim Publikum. Jetzt gilt es, Lehrgeld zu zahlen, Erfahrungen zu sammeln - und sicher bald große Erfolge zu feiern.

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