Brauchtum:Barfußtänzer und Schuhplattler

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Die Gautinger Trachtler bereiten sich auf das Isargau-Fest vor. (Foto: Arlet Ulfers)

Der Gautinger Trachtenverein trägt im Mai das erste Isargau-Fest nach der Corona-Zwangspause aus. Fünf Tage lang wird mit viel Musik im Festzelt gefeiert. Zum Auftakt kommt La Brass Banda.

Von Michael Berzl, Gauting

Während andere Trachtenvereine wegen Mitgliederschwunds aufgeben, legt die Würmlust in Gauting gerade richtig los und bereitet das erste Isargau-Fest nach der Corona-Zwangspause vor. Mitte Mai wird fünf Tage lang mit viel Musik, Festabend und Umzug gefeiert. Zum Auftakt spielt die Band "La Brass Banda" im Festzelt. Chef-Organisator Xaver Klingler rechnet mit mehr als 3000 Gästen. Was alles dazu gehört, um so ein Großereignis mit Besuchern aus dem ganzen Oberland auf die Beine zu stellen und welche Rolle die Gaudi dabei spielt - ein Überblick über die Feierlichkeiten.

Der Organisator

Man duzt sich. Das stellt der stellvertretende Gautinger Trachtenvereinsvorsitzende Xaver Klingler gleich mal klar, nachdem er aus seinem Auto ausgestiegen ist und sich als erstes seinen Hut wieder aufgesetzt hat: "Ich bin der Xaver". Er ist erst 23 Jahre alt und befindet sich gerade in der Umschulung zum Kaufmann bei der Baywa, nachdem er sich in seinem Erstberuf als Bäcker eine Mehlstauballergie eingehandelt hat. Der Xaver also ist in den Verein hineingewachsen, seine Eltern sind auch schon dabei. Seit Oktober ist er stellvertretender Vorsitzender beim Verein "D'Würmlust Stamm Gauting", wie der offizielle Name lautet. Im Isargau ist er Zweiter Gaujugendleiter. Und jetzt braucht er erstmal Urlaub, denn als erster Festleiter ist er ziemlich gefordert. Die Aufgabe macht ihm Spaß, nur die vielen Genehmigungen und Vorschriften nicht. Für das Fest, für den Umzug, für alles Mögliche braucht man eine Erlaubnis. "Es wird immer komplizierter mit den ganzen Auflagen", sagt er. Ins Detail mag er da nicht gehen: "Noch hab' ich die Genehmigungen nicht alle in der Tasche." Schnell noch eine Führung durchs Vereinsheim, ehe es um die Vorbereitungen für das Gaufest geht. Robuste Holztische stehen hier, Vitrinen, Schränke. "Für den ganzen Schmarrn, der sich halt so ansammelt", wie er sagt. Unter anderem Fotoalben mit Bildern von früher.

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Der Verein

Zwölf Gautinger haben im Mai 1912 den Gebirgstracht-Erhaltverein D'Würmlust gegründet, Paten waren damals die Pasinger. Das Gasthaus am Münchner Berg diente dem Verein eine Zeit lang als Vereinslokal, später traf man sich im damaligen Don-Bosco-Heim, das später zum Kulturhaus Bosco umgebaut wurde. Heute haben die Gautinger Trachtler ihren Sitz in einem Firmengebäude im Gewerbegebiet an der Grubmühlerfeldstraße und sind ganz glücklich damit, weil sie dort ausreichend Platz haben, um sich zu treffen und allerhand Zeug aufzubewahren. Vorsitzender ist Andreas Ketterl. Und heuer wird also das 111-jährige Bestehen gefeiert. Ein achtköpfiges Festkommitee kümmert sich um die Vorbereitungen. Es ist nicht gerade ein übliches Jubiläum, aber "a scheene Zahl, a entspannte G'schichte. Das macht halt nicht jeder", wie der erste Festleiter Klingler meint. Und durch die Ausfälle in den Corona-Jahren hat es sich halt auch so ergeben. Die Würmlust ist dabei Teil eines größeren Ganzen.

Der Isargau

Von Maisach bis Burghausen an der österreichischen Grenze, von Freising bis hinunter nach Glonn erstreckt sich der Isargau. Es ist eine Art Dachverband der Trachtler in seinem Zuständigkeitsbereich, zu dem auch viele Münchner Vereine gehören. Auch "D'Würmstoana" aus Lochham sind dabei und "D'Almarösler" aus Planegg. Insgesamt gehören zu dem Gau nach eigenen Angaben 60 Gebirgs- und Volkstrachtenvereine mit insgesamt etwa 6730 Mitgliedern. Viele Vereine im Fünfseenland gehören aber zum Huosigau, etwa die Pöckinger, die Jaudesbergler in Breitbrunn oder die Ammertaler in Dießen und die Starnberger. Die Teilnahme am Wertungsplatteln um den Bayerischen Löwen bei den Kollegen im Isargau in Gauting steht auch beim Huosigau im Programm.

Im Programm: La Brass Banda

Fünf Tage lang wird gefeiert in Gauting. Das Programm beginnt am Mittwoch, 17. Mai, mit einem echten Kracher. Da kommt die Band "La Brass Banda", die Combo um den Frontmann Stefan Dettl aus Grassau im Chiemgau, die dafür bekannt ist, dass sie barfuß auf der Bühne steht und ihr Publikum in Hallen und Zelten mit Blasmusik in einer ziemlich flotten Abwandlung von bayerischer Folklore gehörig in Bewegung versetzt. Es war nicht leicht, diese Band zu bekommen, "aber da war ich penetrant", sagt Klingler. Man könnte meinen, dass so ein Auftritt bald ausverkauft ist, aber es gibt noch Karten, im Vorverkauf kosten sie 38 Euro. Am Donnerstag treten Schuhplattler zum Wettbewerb an, am Freitagnachmittag gibt Donikkl ein Kinderkonzert, ehe am Abend ein Heimatabend stattfindet. Am Samstagabend kommen die Brettlspitzen mit bayerischem Kabarett. Höhepunkt im Sinne des Brauchtums ist der Sonntag, der um 10 Uhr mit einem Gottesdienst beginnt. Um 14 Uhr starten die Trachtler zu einem Festzug durch Gauting.

Barfuß auf der Bühne: La Brass Banda im vergangenen August im Dachauer Festzelt. Im Mai kommen sie nach Gauting. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Fahne

Zu so einem Umzug gehören die Dirndl und Lederhosen ebenso wie die Fahnen. Das sind oft Meisterwerke, die in aufwendiger Handarbeit hergestellt werden. Die Kosten sind immens. Die Gautinger Vereinsfahne habe etwa 15 000 Euro gekostet, berichtet Klingler. Und sie wiege etwa 30 Kilogramm. Der junge Mann weiß, wovon er spricht - er trägt sie schließlich selbst.

Das Zelt

Wie bei den Großveranstaltungen in den vergangenen Jahren wird das Festzelt wieder an der Leutstettener Straße zum Sportverein im Süden von Gauting aufgestellt. Bauern stellen die Wiesen zur Verfügung. Ende April beginnt der Aufbau. Die Bewirtung übernimmt Markus Kloiber aus Vohburg an der Donau in der Nähe von Ingolstadt, berichtet Klingler. Für die Tontechnik sei Tobias McFadden aus Gauting zuständig. Für den Sicherheitsdienst wurde eine Firma aus Neuried angeheuert; das braucht es bei diesen Größenordnungen. Im Zelt ist Platz für mindestens 3000 Besucher. Oder auch etwas mehr, das ist noch variabel. Das sind jedenfalls deutlich kleinere Dimensionen als beim Isargaufest im Jahr 1992, als mehr als 6000 Teilnehmer allein am Festsonntag nach Gauting kamen. Aber immerhin stellen die Gautinger dieses Fest überhaupt noch auf die Beine. Die nächsten Veranstalter sind noch nicht in Sicht, bisher habe sich noch niemand im Gau um die Austragung beworben, sagt Festleiter Klingler. Einige Münchner Vereine hätte ihre Teilnahme abgesagt, mangels Mitgliedern.

Die Gaudi

Überhaupt können die Gautinger noch recht zufrieden sein. Andere Vereine gibt es schon gar nicht mehr, weil ihnen die Mitglieder fehlen. Seit dem Isargau-Fest in Gauting 1992 hätte sich etwa ein halbes Dutzend Vereine aufgelöst, sagt Klingler - etwa in Landshut oder Forstenried. "Da gibt es schon mehrere nicht mehr". Gerade die Corona-Zeit habe wie in anderen Vereinen auch nochmals Mitglieder gekostet. Bei der Würmlust dagegen sind noch etwas mehr als hundert Männer und Frauen, Jugendliche und Kinder dabei, gut die Hälfte ist aktiv. "Und die Mitgliederzahl steigt. Da können wir zufrieden sein", sagt Klingler, der es sich zum Ziel gesetzt hat, noch heuer die 110-er-Marke zu knacken. Mit seiner eigenen Philosophie: Dass es auch einmal spät werden darf bei einem Vereinsabend, dass da auch einmal die eine oder andere Halbe Bier getrunken wird, dass es insgesamt eine Gaudi gibt - das hält der stellvertretende Vorsitzende für essenziell. Mit der Gaudi lockt man die Leute. Und mit der Goaßlschnalzer-Gruppe, die er Anfang dieses Jahres ins Leben gerufen hat. Und auch mit den Vorbereitungen für so ein Großereignis wie das Isargau-Fest. Das motiviert, "weil was los ist, weil du was machst, weil du dich in deinem G'wand zeigen kannst". Dass einer o'ziagt, darauf kommt es an.

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