Konzertkritik:Reizvolle Fremdgänge

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Das Jazzduo "Myriad" bei seinem Auftritt im Gautinger Bosco: Chris Gall am Flügel und Bernhard Schimpelsberger an den Drums. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Chris Gall am Flügel und Bernhard Schimpelsberger an den Drums loten die Grenzen des Jazz in Gauting auf der Grundlage des Flamenco aus.

Von Reinhard Palmer, Gauting

Bei diesem Duo kommt der Jazzbegriff schon deutlich an seine Grenzen, denn seine Musik sprengt alle Grenzen. Dass sie im Gautinger Bosco so reichhaltig und vielfältig ausfiel, lag vor allem daran, dass der Pianist Chris Gall und der Schlagwerker Bernhard Schimpelsberger stilistisch auf verschiedene Weise fremdgehen, geschuldet den Eigenheiten der Instrumente. Beim Klavier findet man das reichhaltigste Material in der Ernsten Musik, insbesondere der Neuen Musik, die ja schon ihrerseits mit Jazzelementen arbeitet. Wenn es um Rhythmen geht, stößt man in unserem Kulturkreis auf wenig Herausforderndes, allenfalls in tradierter Form aus anderen Kulturen wie es der Flamenco in Spanien bietet.

Diese Verquickung brachte im "Seguiriya" die beiden Musiker näher zusammen, ist doch diese folkloristisch grundierte spanische Musik durchaus auch Bestandteil des europäischen Musikguts, auch wenn das Duo hier auf die Überlieferung durch die Zigeuner im indischen Rajasthan zurückgriff. Anders im übrigen Programm von der neusten CD "Myriad" mit eigenen Kompositionen. Lediglich in "In a Landscape" bedienten sich die beiden Musiker bei John Cage, um einen um sich kreisenden Minimalismus mit indischer Rhythmik zu überaus suggestiven Klangbildern anzureichern.

Indien hat es Schimpelsberger offenbar besonders angetan, vor allem die Indian Beatbox, eine spezielle Art der Schlagwerksimulation. Mit verblüffender Zungengeschicklichkeit erzählte Schimpelsberger Geschichten in dieser rhythmisch abstrahierten Lautsprache, zur Begeisterung des Publikums. Meist griff er aber zu echten Perkussionsinstrumenten, die auf eine überaus sinnliche Art weite Klangräume erkundeten, zumal die Kombination aus exotischen Instrumenten wie Schellen, Becken oder Kalimba und elektronisch abgenommenen Geräuscherzeugen für besonders reizvolle Effekte sorgte.

Das Klavier Galls beanspruchte eher den diesseitigen Raum, auch wenn bisweilen ein stilles Flimmern wie in "Pinhole Observer" schon was Ätherisches an sich haben konnte. Sonst rollte Gall meist einen Klangteppich aus, eine gewollt repetitiv-monotone Unterlage, aus der sich einzeln hervorgehobene Töne zu Motiven, Themen, ja Melodien zusammenschlossen. Das Ganze schwoll langsam an, wodurch die meditative Komponente bis zum letzten Ton erhalten blieb. Bisweilen griff der Klaviervirtuose auch in die Saiten, um experimentelle Klänge zu erzeugen, wie etwa im teils groovenden "Poem on a Typewriter". Jedes Mittel schien recht, solange es einem schlüssigen Klangbild möglichst sinnenfreudig zuträglich wirkte. Zwei Zugaben folgten, darunter Galls beliebtes "Yorke's Guitar" von seinem Soloalbum.

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