Gesundheit:"Wir wollen den Tumor quälen"

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Lungenexperte Prof. Dr. Niels Reinmuth. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Niels Reinmuth ist Chefarzt der Onkologie in der Asklepios Lungenklinik in Gauting. Dort führt er eine Studie durch, die dem kleinzelligen Lungenkarzinom den Kampf ansagt.

Von Johanna Heimann, Gauting

Seit 2016 ist Niels Reinmuth Chefarzt der Onkologie in Gauting. 30 Jahre lang forscht der 53-Jährige schon in der Inneren Medizin. Im Interview mit der SZ erklärt er, wie seine Studie abläuft, welche Patienten dafür infrage kommen - und warum sie eine große Hoffnung für die Krebsforschung ist.

SZ: Herr Reinmuth, was genau versteht man unter einem "Lungenkarzinom"?

Niels Reinmuth: Das Lungenkarzinom ist eine der häufigsten diagnostizierten und zum Tode führenden Krebserkrankungen weltweit. Die Krankheit nennt sich immer gleich: Lungenkrebs - jedoch ist es eigentlich ein Sammelsurium ganz unterschiedlicher Erkrankungen. Dazu gehört auch das kleinzellige Lungenkarzinom. Es ist die aggressivste Unterform mit einer extrem frühen Metastasierung, also Streuung des Tumors, wodurch man nur schwer eine Prognose abgeben kann. Anfänglich sprechen diese Tumore gut auf eine Chemo- und Strahlentherapie an, allerdings ist die Dauer häufig begrenzt. Dadurch wird es immer schwieriger, den Tumor in Schach zu halten.

Wie wird das Lungenkarzinom bisher behandelt?

Einen Überlebensvorteil erreicht man insbesondere, wenn man eine Chemotherapie in Kombination mit einer Immuntherapie gibt. Das ist der neue Therapiestandard. Dennoch ist es immer noch so, dass die Mehrzahl der Patienten irgendwann einen Rückfall der Tumorerkrankung erleidet. Dann wird es schwierig. Das Immunsystem ist irgendwann nicht mehr in der Lage, den Tumor zu beseitigen. Mit der jetzigen Immuntherapie gibt es schon einen riesigen Erfolg: Man versucht, den Tumor daran zu hindern, das Immunsystem auszubremsen. Leider gelingt das nicht immer. Wir sehen aber, was alles mit der Immuntherapie möglich ist. Deshalb bin ich froh, dass wir an unserer Klinik die neue Studie zur Krebsforschung ausführen können.

Worum geht es in der Studie?

Der neue Ansatz versucht, die Tumorzellen direkt mit der Immunzelle in Kontakt zu bringen und diese direkt zu aktivieren. Das sind die sogenannten bispezifischen Antikörper. Zu diesem Ansatz gibt es zwei Studien, für die wir beide ein Studienzentrum sind. Dabei zeigte sich, dass diese Therapie wirklich das Immunsystem einschaltet. Es tut, was es tun soll. Das funktioniert natürlich bei manchen Patienten besser als bei anderen. Es ist aber für die Forschung eine große Hoffnung, da wir dadurch einen neuen Ansatzpunkt gefunden haben. Nach vielen frustrierenden Jahren ist dieser Versuch wirklich vielversprechend.

Wie sieht der Ablauf aus?

Die Therapie wird vorsichtig in Form eines Medikaments dosiert. Die Aktivierung des Immunsystems spüren die Patienten, beispielsweise durch Fieber. Ein bis zwei Tage müssen die Erkrankten deshalb zur Überwachung im Krankenhaus bleiben. Der Vorgang wird dauerhaft wiederholt, solange er funktioniert und wirkt. Der Patient soll die Therapie gut vertragen und auch währenddessen eine gute Lebensqualität haben. Das Ziel ist nicht, den Patienten zu quälen, sondern den Tumor.

Seit 2016 ist Niels Reinmuth, 53, Chefarzt der Onkologie. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Warum ist die Asklepios-Klinik der richtige Ort für die Studie?

Wir sind ein zertifiziertes Krebszentrum. Als Fachklinik können wir dadurch nicht nur eine gute Therapie anbieten, sondern haben auch viele Experten unter einem Dach. Dadurch können wir eine enorme Expertise aufweisen und Entscheidungsprozesse sind schneller, etwa bei der Frage, welcher Patient für eine Therapie geeignet ist und welcher nicht. Wir werden anhand unserer Leistung gemessen. Wenn wir zu viele Komplikationen hätten, würde das auffallen und wir würden unser Zertifikat verlieren. Das Überleben ist in nachgewiesenermaßen signifikant besser in zertifizierten Krebszentren als in normalen Krankenhäusern. Wir haben immer Platz für neue Patienten.

Für wen ist diese Studie zugänglich?

Studienteilnehmer müssen mindestens 18 Jahre alt sein. Das Durchschnittsalter der Erkrankten liegt bei circa 70 Jahren. Geeignet sind vorbehandelte Patienten mit kleinzelligem Lungenkarzinom, die sich in einer Chemotherapie befinden. Dies sollte allerdings idealerweise nur eine Therapielinie sein. Ihr Allgemeinzustand darf nicht allzu schlecht sein. Der Patient steht immer im Mittelpunkt. Er ist derjenige, der profitieren soll, nicht irgendeine Firma oder Studie. Wenn der Erkrankte von diesem neuen Therapieansatz einen Nutzen davon haben könnte, dann ist diese Studie vielleicht geeignet.

Für weitere Informationen und zur Überprüfung der Eignung zur Studienteilnahme können sich Patienten an die Asklepios-Klinik unter der Telefonnummer 089-857914001 wenden.

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