Fünfseen-Filmfestival:Gelobt sei die Vertuschung

Lesezeit: 2 min

Den Täter gedeckt: Kardinal Barbarin (François Marthouret) in dem französischen Film "Gelobt sei Gott". (Foto: Verleih)

François Ozon zeigt in seinem Film, wie der französische Klerus mit Missbrauchsopfern umspringt

Von Blanche Mamer, Gauting

"Grâce à Dieu", " Gott sei Dank" oder auch "Gottlob", seien die Taten verjährt, schwadroniert Kardinal Philippe Barbarin, der oberste Hirte der Katholiken in der Seidenstadt Lyon bei einer Pressekonferenz. Da springt einer der Journalisten auf und ruft: "Wissen Sie eigentlich, was Sie da sagen? Sie danken Gott, dass Verbrechen an Kindern nicht gesühnt werden." Es ist einer der Momente in François Ozons neuem Film "Gelobt sei Gott", der das ganze Drama und den Skandal um das Ignorieren und Vertuschen des Kindsmissbrauchs in der katholischen Kirche klar macht.

Der Spielflm ist so nah an der Realität, dass ihn die mächtige Kirche in Frankreich verhindern wollte. Der Kinostart musste per Gerichtsbeschluss erzwungen werden. "Gelobt sei Gott" lief im Original mit Untertiteln beim Fünfseen-Filmfestival in Gauting, Starnberg und Seefeld und kommt am 26. September in die deutschen Kinos. Bei der Berlinale ist er mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet worden. Wie schon in dem Dokumentarfilm "Verteidiger des Glaubens" von Christoph Röhl über den bayerischen Papst Benedikt XVI. wird offensichtlich: Nicht das Leid und der Schmerz der Kinder zählt, die erst als Erwachsene über die Qualen und den Verrat sprechen können, sondern das Ansehen der Kirche. Es gibt noch andere Szenen in Ozons Film, die dem Zuschauer den Magen umdrehen: zum Beispiel ziemlich am Anfang, als Melvil Poupaud als erwachsenes Missbrauchsopfer Alexandre dem Täter Père Bernard Preynat (Bernard Verley) und der Kirchenpsychologin (Matin Erhel) völlig aufgewühlt gegenübersitzt und dann aufstehen soll, um Hand in Hand mit seinem einstigen Vergewaltiger das "Vater Unser" zu beten. Perverser geht es wohl kaum noch. Und außerdem: Kardinal Barbarin ( François Marthouret) verbietet sich in Gesprächen den Begriff Pädophilie und die Bezeichnung Päderast für Preynat.

Der immer noch sehr gläubige Alexandre, der aus einem großbürgerlichen kirchentreuen Milieu kommt und selbst fünf Kinder hat, hatte geglaubt, mit dem Missbrauch abgeschlossen zu haben. Bis er eines Tages zufällig erfährt, dass Preynat, der ihn während seiner Pfadfinderzeit regelmäßig sexuell missbraucht und gequält hatte, immer noch mit Kindern arbeitet und Sommerlager leitet. Bald wird ihm klar, dass er von der kirchlichen Obrigkeit nur vertröstet und verunglimpft wird.

Denn er erfährt, dass sowohl Kardinal Barbarin als auch dessen Vorgänger vom Missbrauch wussten. Nach langem Überlegen und Beraten mit seine Frau, die als Gymnasiallehrerin an einer katholischen Schule arbeitet, wendet er sich an die Polizei und erstattet Anzeige. Die Ermittlungen führen zu einem früheren Fall: Auch die eines ebenfalls missbrauchten Pfadfinders, des Jungen François (Denis Ménochet), der Atheist geworden ist, hatten sich an die Polizei gewandt. Beide Figuren basieren wohl auf realen Personen. François, der leicht in Wut gerät und zum Wortführer wird, findet frühere Freunde und andere Buben, die ebenfalls unter Preynats Perversionen gelitten hatten und ihr Leben nicht auf die Reihe bekommen. Was in der tragischen Figur von Emmanuel (Swann Arnaud), der zwar hochbegabt, aber im Leben gescheitert ist, erfahrbar wird. Die Gruppe gründet den Verein "La Parole Libérée", schließt sich der Klage an, wendet sich an die Presse und sucht über soziale Medien weitere Missbrauchsopfer.

Das Aufwühlende an Ozons Drama ist, dass die erwachsenen Männer und ihre Familien in der katholischen Öffentlichkeit als Unruhestifter abgestempelt werden, während sich die Verantwortlichen in der kirchlichen Hierarchie keiner Schuld bewusst sind. Im realen Leben ist Kardinal Barbarin im März zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden, er hat sein Amt niedergelegt. Die Verhandlung gegen den pädophilen Pater Preynat, der seine Taten zugegeben hat, läuft noch.

© SZ vom 14.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: