"Eigentlich sind Blumen nicht mein Hauptthema", sagt Wolfgang Strassl vor einem seiner übergroßen Blumenfotos. Normalerweise fotografiere er gerne Menschen. Doch im zweiten Pandemiewinter 2021 musste er aus der Not eine Tugend machen. Mehr als zwei Wochen hatten er und seine Frau keine persönlichen Kontakte mit Freunden und Familie. Die einzigen Besucher, die sie in dieser Zeit empfingen, waren die frischen Blumen, die seine Frau regelmäßig mit in die Schwabinger Wohnung brachte. Da kam ihm kurzerhand die Idee, einzelne Blumen als Persönlichkeiten zu begreifen und sie dementsprechend im Porträtmodus zu fotografieren.
Insgesamt 18 solcher Fotodrucke hängen im Rahmen der "Power Flower"-Ausstellung nun im Starnberger Schlossgarten. Sie alle sind schwarz-weiß und im Zentrum eines jeden Fotos steht ganz klar eine einzige Blüte. Dabei war es Strassl wichtig, nicht ins Kitschige abzugleiten. Deshalb hatte er die Blumen zwar erst in Farbe fotografiert, nachträglich aber einen Schwarz-Weiß-Filter darübergelegt. Dadurch wirkten die Motive abstrakter und grenzten sich klar von der naturalistischen Kunst ab, sagt Strassl.
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Die Bildhintergründe waren schon davor entweder schwarz oder weiß. Allgemein seien die Aufnahmen kaum manipuliert, sagt der Fotograf. Ihre starke grafische Struktur erhalten die Fotos durch ein Spiel mit Licht und Gegenlicht. Bei einer Mohnblume kann man beispielsweise jedes einzelne Härchen am Stiel erkennen, die Blütenblätter einer Margerite wirken beinahe durchsichtig.
Auch Sommergewitter können den Bildern nichts anhaben. Den Fotos wird auch Regen nichts ausmachen, denn sie sind alle auf wetterfestes Fotopapier gedruckt. Zwar hingen in den vergangenen drei Jahren schon öfter Kunstwerke an den Mauern des Schlossgartens, für Wolfgang Grassl ist es aber seine erste Ausstellung im Freien. Das "Flower-Power-Festival" in München hatte ihn dazu inspiriert, mit seinen floralen Fotos eine ganze Ausstellung zu konzipieren. Für die Blumen-Serie eignet sich der Ort oberhalb des Starnberger Sees hervorragend, weil die weitläufige Anlage eine Alleinstellung der Bilder ermöglicht. So kommt der Charakter der Blumen besonders klar zum Ausdruck und jede einzelne kann für sich sprechen, findet der gebürtige Münchner.
Die Leidenschaft fürs Fotografieren wurde dem heute 67-Jährigen bereits in die Wiege gelegt, denn sein Vater war begeisterter Hobbyfotograf. Ein Hobby blieb es lange Zeit auch für Wolfgang Strassl. Das Fotolabor an seiner Schule war zwar einer seiner Lieblingsorte, Studium und Berufsleben führten ihn aber erst einmal in die Wirtschaft. Er hatte bereits viele Jahre bei einem Versicherungskonzern gearbeitet, als er 2013 entschied, in Frührente zu gehen.
Endlich wollte er sich Zeit für seine Frau und sein Segelboot nehmen - und natürlich auch für die Fotografie. In Seminaren und Workshops vertiefte er seine Kenntnisse und stellte bald erste Ausstellungsserien und Fotobücher auf die Beine. Heute genieße er vor allem sein Rentnerdasein, so Strassl. Zusammen mit seiner Frau lebt er abwechselnd in München, London und Tel Aviv. Die meiste Zeit verbringen sie jedoch in Bayern, schließlich liegt ihr Segelboot auf dem Starnberger See.
Die Margerite scheint ein Gesicht zu haben
Den Schlossgarten, in dem seine Blumen jetzt hängen, kannte der 67-Jährige bisher allerdings nicht. Zwar ist sich Strassl bei der Bezeichnung der einzelnen Blumensorten nicht immer ganz sicher, doch darum geht es bei seinen "Power Flowers" auch nicht. Möglichst ausdrucksstark und lebendig müssten sie sich präsentieren. "Die Lilie hier sieht aus, als wolle sie einen umarmen", erklärt Strassl und die Margerite wirkt auf ihn "wie ein Gesicht, das einen anschaut". Besonders dramatisch hat er eine Mohnblume abgelichtet, deren Blütenblätter wie ein weißes Kleid um sie flattern. Das hier sei seine Marylin Monroe, sagt er - und plötzlich erscheinen auch alle anderen in Szene gesetzten Blumen wie Filmdiven.
Die Ausstellung "Power Flower - Blumen mit Charakter" ist noch bis 18. August täglich von 7 bis 21 Uhr im Starnberger Schlosspark zu sehen. Der Eintritt ist frei.