Gastronomie:Abschied vom Hotel Kaiserin Elisabeth

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Das "Hotel Kaiserin Elisabeth" in Feldafing ist eines der prachtvollsten Gasthäuser am Starnberger See mit reicher Geschichte. Das Haus wird nun vier Jahre lang geschlossen sein. (Foto: Franz Xaver Fuchs/Starnberger SZ)

Das berühmte Haus in Feldafing am Starnberger See schließt für mindestens vier Jahre und beherbergt bald nur mehr Siemens-Mitarbeiter. Wie Stammgäste dort den letzten Tag zelebrieren.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Feldafing

An diesem Tag machen die Mitglieder des ältesten Stammtischs in Feldafing eine Ausnahme: Zu der seit 1995 ausschließlich männlich besetzten Runde im Hotel Kaiserin Elisabeth darf Seniorchefin Erika Borchard dazustoßen. Denn es ist das letzte wöchentliche Treffen der Stammtischbrüder, weil das Hotel zum 1. Januar für mindestens vier Jahre schließt. Von Sentimentalität der Mitglieder ist nur wenig zu spüren. Sobald das Hotel wieder eröffnet wird, wollen sie alle wiederkommen - notfalls mit dem Rollator, wie in der Runde gewitzelt wird, denn sie sind über 80 Jahre alt sind. "Da bin ich 86, da lebe ich nimmer", erklärt Heinz Ludwig, und sieht dabei kein bisschen traurig aus.

Schluss mit Stammtisch: Das "Hotel Kaiserin Elisabeth" schließt seine Pforten, Inhaberin Erika Borchard (li.) und ihre Freunde müssen sich einen neuen Platz in Feldafing suchen. (Foto: Georgine Treybal/Starnberger SZ)

Die Familien der derzeit acht Stammtischmitglieder - es waren schon mal 15 - sind alle eng verbunden mit dem Hotel Kaiserin Elisabeth. Die Ahnen von Fischer Max Kugelmüller beispielsweise haben schon immer das Hotel beliefert, das 1856 erbaut wurde und seit 1905 im Besitz der Familie Borchard ist. Auch Kugelmüller fährt noch täglich mit seinem Boot hinaus auf den Starnberger See. "Das Hotel hatte schon immer eine gute Küche, und es gab keine anderen Lieferanten", erklärt er stolz. Allerdings ist kein Nachfolger für den Fischereibetrieb in Sicht. "Es findet sich niemand mehr", räumt er ein. Kugelmüller gibt allerdings die Hoffnung nicht auf, dass vielleicht eine Enkelin den Betrieb einmal übernehmen wird.

"Heiraten ist halt billiger, als eine Pflegerin einzustellen", witzelt ein Stammtischbruder

Andere Stammtischmitglieder haben zusammen mit Erika Borchard die Schulbank gedrückt, und die Freundschaft hat sich bis heute gehalten. So wie bei Franz Schrödl: Schon mit vier Jahren sei er nackt durchs Hotel gelaufen, erzählt er. Denn seine Mutter sei Hilfskrankenschwester in dem Hotel gewesen, das damals im Krieg als Lazarett genutzt wurde. Im vergangenen Jahr hat der 82-jährige zum dritten Mal geheiratet - natürlich im Hotel Kaiserin Elisabeth. "Heiraten ist halt billiger, als eine Pflegerin einzustellen", frotzelt sein ebenso alter Freund Heinz Ludwig. Niemand nimmt dem anderen etwas übel, dazu kennen sich die Stammtischbrüder viel zu gut. Überhaupt wird viel gelacht in der Runde. Ludwig erzählt, dass seine Eltern im Hotel gearbeitet und sich dort lieben gelernt hatten.

Das Gästebuch des Traditionshotels liest sich wie ein Who-is-who der oberen Zehntausend

Die Verehrung für Kaiserin Elisabeth - oder kurz: Sisi - ist bis heute spürbar. Untählige Anekdoten und Mythen existieren, und auch in der Welt des Films und der Literatur ist die Bayern-Prinzessin gut vertreten. (Foto: Georgine Treybal/Starnberger SZ)

Schon werden Erinnerungen ausgetauscht, wer mit wem im Hotel liiert war und welche Promis im Kaiserin Elisabeth abgestiegen sind. Das Gästebuch des Traditionshotels liest sich wie ein Who's Who der oberen Zehntausend. Bekannte Persönlichkeiten, wie etwa Erika Mann oder ein Mitglied des schwedischen Königshauses, haben hier geheiratet oder Taufen gefeiert. Der Dirigent Herbert von Karajan war mehrmals hier, auch der Schah von Persien, Gerhard Hauptmann, Francoise Sagan, Klaus Kinski oder Luchino Visconti, als er 1972 den Film "Ludwig II." gedreht hat. Für den Industriellenerben und Fotografen Gunter Sachs hat Ludwig in seiner Jugend den Caddy gemacht, zuletzt hatten die Schauspielerinnen Nina Hoss und Iris Berben hier genächtigt.

Nächtigen wie Kaiserin Elisabeth: Die Sisi-Suite ist heute noch ein Blickfang. Am Tag der Beerdigung von Ludwig II. soll die Kaiserin lediglich Reisschleimsuppe, Ölsardinen oder Hühnerhaschee zu sich genommen haben. (Foto: Nila Thiel/Starnberger SZ)

Der bekannteste Stammgast war sicherlich die österreichische Kaiserin Elisabeth. Sie kam jedes Jahr, um ihre Familie auf Schloss Possenhofen zu besuchen. Da die leidenschaftliche Reiterin immer mit einem Tross an Personal und ihren eigenen Pferden ankam, wurde das Hotel 1870 umgebaut und die Ställe erweitert. Die Kaiserin sei auch am Todestag des Bayernkönigs Ludwig II. am 13. Juni 1886 hier gewesen, erklärt die Seniorchefin und legt als Beweis ein Buch hervor, in dem alle mit Datum versehenen Menüs aufgeführt sind, die die Kaiserin jemals im Hotel gegessen hat. Am Todestag Ludwigs standen unter anderem Hirn-Consommé, Starnberger See-Saibling und Schokoladentorte auf der Karte. Nach dem Gedenkgottesdienst für den Bayernkönig am 22. Juni hatte seine Cousine und Seelenverwandte Sisi offenbar wenig Appetit, wie die Menüfolge bestehend aus Reisschleimsuppe, Ölsardinen oder Hühnerhaschee belegt.

Wenn Kaiserin Sisi anreiste, dann meist mit großem Gefolge. Der zeitgenössische Holzstich von M. Wehli ist dem Buch "Kunst und Genuß der Wittelsbacher" entnommen. (Foto: Georgine Treybal/Starnberger SZ)

Borchard, die das Hotel 65 Jahre lang geleitet hat, kann sich gar nicht mehr an alle Persönlichkeiten erinnern, die hier genächtigt hatten; nur eines weiß sie: Alle wollten sie die Ruhe an diesem historischen Ort genießen, vom Balkon aus über den Starnberger See und die Alpen blicken und viel spazieren gehen. Heutzutage aber müsse man den Gästen mehr bieten, ist sie überzeugt. Daher werde das Golfhotel von Grund auf saniert und modernisiert. Zudem soll ein Neubau von gleicher Größe mit einem großen Wellnessbereich entstehen. Die Planungen sind langwierig. Bis sie umgesetzt werden können, wird Siemens das Hotel als Ausweichquartier nutzen. Denn auch deren Schulungszentrum in Feldafing soll einem Neubau weichen. Unterdessen werden "die Planungen weitergeführt", verspricht die Seniorchefin, die das Hotel bereits an ihre Großnichte Julia Haarmann übergeben hat, die derzeit ihr BWL-Studium abschließt und anschließend praktische Erfahrungen im Ausland sammeln wird.

Möbel, Bilder, Bettwäsche oder Geschirr bis hin zum Wein - alles wird eingelagert

Die Stammtischler allerdings sind skeptisch. "Ob das Hotel weitergeführt wird, glaube ich erst, wenn der Neubau steht", sagt Kugelmüller. Seiner Meinung nach sollte sofort gebaut und saniert werden, bei laufendem Betrieb. Diese Meinung hatten auch langjährige Mitarbeiter vertreten, allerdings nur hinter vorgehaltener Hand. Laut Borchard ist dies aber nicht möglich, weil die Arbeiten viel zu umfassend sind und die Gäste nur gestört würden. Jetzt wird erst einmal die große Silvesterfeier vorbereitet, quasi zum krönenden Abschluss einer traditionsreichen Ära. Im Januar wird das Hotel geräumt. Möbel, Bilder, Bettwäsche oder Geschirr bis hin zum Wein - alles wird eingelagert. Den Mitarbeitern wurde gekündigt, das Hotel wird an Siemens übergeben. In vier Jahren wird wiedereröffnet und die Stammgäste werden wiederkommen, davon ist Borchard überzeugt. Und vielleicht sei dann auch die Personalsituation in der Gastronomie besser als heute, hofft sie.

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