Erika Borchard blättert in einem Ordner, in dem sie während ihrer jahrzehntelangen Tätigkeit als Chefin des Feldafinger Hotels Kaiserin Elisabeth alles gesammelt hat, was über den geschichtsträchtigen Traditionsbetrieb erschienen ist. Sie deutet auf einen Artikel in der chinesischen Ausgabe der Zeitschrift Vogue und erzählt Anekdoten rund um das Hotel, das schon zu Sisis Zeiten internationale Gäste und Persönlichkeiten aus Europa angezogen hat. Ein Brief des Dirigenten Herbert von Karajan liegt ebenfalls im Ordner. Er habe ein Zimmer reservieren wollen. Sie habe aber leider absagen müssen, weil das Hotel ausgebucht gewesen sei, sagt Borchard, die zusammen mit ihrer Nichte Annette von Gleichenstein Inhaberin des Hotels ist.
Auch die Einträge im Gästebuch lesen sich wie das Who's who der bedeutendsten Persönlichkeiten der Welt. Der letzte Schah von Persien, Mohammed Reza Pahlavi, war hier, der Dalai Lama sowie zahlreiche bekannte Künstler, Schauspieler und Schriftsteller, etwa Thomas Mann, Enrico Caruso, Luchino Visconti, Hans Albers, Romy Schneider, Klaus Kinski oder Nina Hoss, um nur einige zu nennen. Der Schlagerstar Peter Alexander habe so viele Koffer mitgebracht, dass der 30 Meter lange Hotelgang zugestellt gewesen sei, sagt Borchard schmunzelt. Die Habsburger haben hier ihre Familienfeierlichkeiten ausgerichtet und der Humorist Vicco von Bülow. Die Regisseurin Leni Riefenstahl hat hier ihren 100. Geburtstag gefeiert. Im Jahr 1998 war der schwedische König Carl Gustaf mit seiner Frau Silvia Gast im Hotel aus Anlass der Hochzeit seiner Nichte.
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In den vielen Jahren, die Borchard das Hotel geführt hat, habe ihr die Betreuung der Stammgäste immer den größten Spaß gemacht. "Egal, wo sie hingezogen sind, sie kamen immer wieder und haben Hochzeiten, Taufen und Silberhochzeiten gefeiert", erinnert sich die Hotelchefin. Derzeit macht aber der Hotelbetrieb Pause. Es ist eine umfassende Sanierung und Erweiterung geplant. Bis zum Baubeginn ist der Betrieb an die Firma Siemens vermietet, die hier Schulungen und Tagungen ausrichtet.
Das ehemalige Gasthaus, das von dem Münchner Industriellen und Feldafinger Großgrundbesitzer Joseph Anton Ritter von Maffei 1856 ausgebaut worden ist, hat schon immer den Ort Feldafing geprägt. Der spätere Inhaber Max Strauch hat es anschließend zu einem erstrangigen Hotel gemacht und mit einer großen Gartenterrasse ausgestattet, die heute noch besteht. International bekannt wurde der Betrieb, als die österreichische Kaiserin Elisabeth hier regelmäßig abstieg, wenn sie ihre Eltern im Schloss Possenhofen besuchte oder sich mit ihrem Cousin, dem bayerischen König Ludwig II. traf.
Elisabeth reiste bis zum Jahr 1894 jedes Jahr im Sommer in einem Sonderzug an - mit einer Entourage von 50 Personen sowie 18 Zug- und Reitpferden. Hotelinhaber Strauch ließ für die Kaiserin 1870 eigene Ställe errichten sowie einen Fitnessraum im Turmzimmer. Auch eine Brandschutztreppe ließ er bauen, weil Elisabeth Angst vor Feuer hatte. Wenn die Kaiserin einen Besucher nicht treffen wollte, sei sie über die Treppe zu ihrem Pferd gegangen und weggeritten, erzählt Borchard. Zudem wurde im Bereich des heutigen Feldafinger Strandbads das "Stauch'sche Damen Bad" errichtet, das stets gesperrt wurde, damit die Kaiserin allein baden konnte. Wie es in der Hotelchronik heißt, waren schon damals "höchste und berühmte Persönlichkeiten aus ganz Europa" zu Gast. Auch wenn Borchards Vorfahren das Hotel erst 1905 übernahmen, hat sich dessen Chefin ein großes Expertenwissen über Sisi angeeignet.
Borchard besitzt mehr als 60 Bücher über die Kaiserin und ist zum Umzug aus Anlass der Feierlichkeiten zur 100-jährigen Stadterhebung von Starnberg wie die Kaiserin auf dem Damensattel geritten. "Es ist automatisch, dass man sich für Elisabeth interessiert", sagt Borchard und deutet auf ein Bild in ihrem Wohnzimmer, auf dem die Kaiserin vor dem Hotel im Damensattel auf einem Pferd sitzt. "Man ist da reingeboren worden und das lebt man." Das Hotel verfügt noch über Originalmöbel aus Sisis Zeit. Zudem hat Borchards Neffe Tino von Gleichenstein als damaliger Chefkoch des Hotels ein Kochbuch herausgegeben mit den Menüs, die während Sisis Aufenthalten serviert wurden.
Im Jahr 1900 wurde das Hotel mit Erlaubnis des K.-und-K.-Hofmarschallamts in Wien in "Hotel Kaiserin Elisabeth" umbenannt. 1905 übernahm dann Borchards Großvater Georg Kraft die berühmte, exklusive Herberge, die seither im Familienbesitz ist. Da die Gäste schon immer von der eindrucksvollen Lage begeistert waren, baute Kraft es zu einer Tagungsstätte für Industrie, Wirtschaft, Wissenschaft und zu einer Begegnungsstätte für Familien um, die hier ihre Feste feiern und sich am nahen Golfplatz erholen wollten. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Hotel zwar beschlagnahmt, zu einem Lazarett umgestaltet und war danach für einige Jahre ein Hospital. Doch der international gute Ruf überdauerte auch diese Zeit. 1952 wurde es im alten Umfang wieder eröffnet und hat nichts von seiner Beliebtheit eingebüßt.
Ursprünglich sollte Borchards Schwester das Luxushotel übernehmen. Sie selbst habe es nie haben wollen, räumt die studierte Garten- und Landschaftsarchitektin ein. Als ihre Schwester jedoch in das Weingut von Gleichenstein am Kaiserstuhl einheiratete (es liefert bis heute die Weine ans Hotel), musste Borchard notgedrungen die Hotelführung übernehmen. "Engagement und Verantwortung - das war meine Richtschnur", meint sie rückblickend. Die Kinder ihrer Schwester wuchsen jedoch in den Hotelbetrieb hinein. Sie waren regelmäßig bei ihr.
"Ich habe sie mit aufgezogen", betont Borchard. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie sich mit ihrer Nichte Annette von Gleichenstein hervorragend versteht. Auch durch gemeinsame Interessen ist sie mit der Mitinhaberin verbunden. Beide betreiben die Traditionsfahrt als Hobby, ihre Nichte züchtet Pferde. Borchard hat das Hotel bis zu ihrem 80. Lebensjahr geleitet. Der Ausstieg sei ihr durch Corona leichtgefallen, sagt sie. Zumal das Traditionshotel auch in Zukunft in den Händen der Familie bleiben wird. Nach dem Umbau, den Borchard noch zusammen mit der Tierärztin Annette von Gleichenstein federführend organisiert, wird ihre Großnichte Julia Haarmann die Nachfolge übernehmen. Die 23-Jährige studiert derzeit Betriebswirtschaft und ist eine erfolgreiche Springreiterin. "Jetzt ist die übernächste Generation dran", freut sich Borchard.