Faltsch Wagoni:Tanz gegen das kalbende Geld

Lesezeit: 3 min

"Palast abwerfen" heißt die neue CD von Faltsch Wagoni. Mit dem Programm dazu kann man sie demnächst in Gauting und Seefeld live erleben. (Foto: Faltsch Wagoni/Faltsch Wagoni)

Die Herrschinger Musikkabarettisten haben eine neue CD herausgebracht. Auf der Deutschlandtournee machen Silvana und Thomas Prosperi mit "Palast abwerfen" auch in Gauting und Seefeld Station.

Von Armin Greune, Herrsching

"Mehr weniger Krieger, mehr weniger Flieger/ Mehr weniger Pillen, mehr weniger Villen/ Mehr weniger Klunker, mehr weniger Bunker..." reimen und singen Faltsch Wagoni auf ihrer gerade fertiggestellten CD. Das Hohe Lied auf den "homo schrumpfsympathicus" gibt das Thema vor auf dem gerade erschienenen Album "Palast abwerfen". Unter diesem Titel ist Deutschlands dienstältestes Kabarettistenpaar seit einem knappen Jahr unterwegs. Ist das nun ihr 16., das 19. oder 21. Programm, mit dem Silvana und Thomas Prosperi auch gerade wieder auf den Bühnen der Republik auftreten? Wer das Zeitungsarchiv danach absucht, findet unterschiedliche Nummerierungen. Auch was ihre Herkunft betrifft, ist sich die Presse uneins: "Aus der Schweiz" verortet sie etwa eine durchaus seriöse Tageszeitung anlässlich eines Auftritts in Ingolstadt.

Von dort aus gesehen stimmt wenigstens ungefähr die Richtung: Die Prosperis, vor 41 Jahren als "freischaffende Unterhaltungsnomaden" gestartet, haben sich schon seit vielen Jahren in Herrsching niedergelassen - und am Ammersee engagieren sie sich auch sozial und kulturell. Deshalb nehmen sie sich auch auf der aktuellen Tournee, die sie unter anderem nach Paderborn, Hamburg und in den Hunsrück führt, Zeit für zwei Heimspiele im Fünfseenland und Würmtal: Am 11. November spielen sie im Gautinger Bosco und am 26. November im Schloss Seefeld. Zum Jahresausklang sind sie dann gleich dreimal in der Pasinger Fabrik zu Gast.

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Was die unterschiedlichen Zählweisen für die Programme betrifft: Da kann man bei Faltsch Wagoni schon durcheinanderkommen, rühren sie doch gern Neues mit zeitlos gealterten Nummern unter neuem Titel zusammen. So war es etwa 2015 bei "Der Damenwal" oder beim vorletzten Album "Politik und Liebe". Das Prinzip der Melange von Altbewährtem und neu Gedichtetem gilt auch für das brandneue Palast-Album. Und doch wirkt es wie aus einem Guss: Es ist eine Kampfansage an Verschwendungssucht und unersättliche Gier. Die Wortakrobaten erklären dem Drang zu grenzenlosem, quantitativem Wachstum, der etwa die Finanzmärkte befeuert, den Krieg. Und fordern alle auf, "den Tanz ums kalbende Geld" auszuschlagen und stattdessen einen Gang zurückzuschalten.

Mit zwei Songs widmen sie sich auch Geflüchteten

Da wirkt auch die neu aufgenommene Version des oben zitierten Lobs des Verzichts taufrisch, obwohl "Mehr Weniger" bereits vor zwölf Jahren entstanden ist. Aktueller denn je klingt angesichts der allgegenwärtigen automobilen Aufrüstung auch der Evergreen "Wir fahren SUVs", eine Absage an "die Sorte Oberförster, Großwildjäger, Platz-da-Hirsche, Straßenfeger und Söldner des Bluffs". Eine Neuschöpfung hingegen ist der Song "K-iiih": Zu einem markanten Gitarrenriff dichtet die Herrschinger Versgoldschmiede Sprachperlen wie "KI kann lernen, doch niemals vergessen / KI kann kochen, nur leider nicht essen".

Die Erfahrungen der Prosperis im Herrschinger Helferkreis rund um das Cafe Blabla spiegeln sich in zwei Songs wider, die explizit Geflüchteten gewidmet sind: Mit "Pflegekräfte" würdigen sie die "anspruchslosen Heimatlosen", die für uns das "Spülen, Service, Putzen, Kochen / das ganze lästige Malochen" erledigen. Und die melancholische Ballade "amara terra mia" (Mein bitteres Land) aus den Abruzzen, die zum Klagelied der italienischen Auswanderer wurde, trägt Silvanas warme wohltuende Stimme so ausdrucksstark vor, wie es wohl nur ein Mensch kann, der selbst süditalienische Wurzeln hat. Während Thomas Prosperi seiner akustischen Gitarre dazu schmutzig-rockige Bluesklänge entlockt.

Das Motto der beiden Künstler: "Immer schön rebellisch bleiben"

"Wie wunderbar ist doch die Welt, wenn nichts passiert. Ein braches Fußballfeld...ein leeres Wiesnzelt": Man möchte wetten, dass dieser Song unter dem Eindruck des Lockdowns entstanden ist. Doch gefehlt: Faltsch Wagoni hatten ihn bereits vor Corona im Programm. Ganz neu wiederum ist "War nur geträumt", der Titel, der die CD abschließt: "Es schien so klar, so sonnenklar - die Pandemie hat's aufgedeckt / Ab jetzt wird alles anders, das haben wir gecheckt". Im Refrain entschuldigen sie sich dann sarkastisch für ihren Irrtum: "Tut mir leid, war doch nicht so gemeint".

Sich selbst hat das Paar einmal als "Altachtundsechziger von 1978" bezeichnet. Eine gehörige Portion Selbstironie ist auch in der Faltsch-Wagoni-Version des Iggy-Pop-Hits "The Passenger" von 1977 enthalten: "Alles gesagt, alle wissen Bescheid/Alles probiert...Keine Message mehr". Aber keine Angst, die Prosperis werden nicht aufhören, auf ihre ganz spezifische Art und Weise moralisch Stellung zu beziehen. Schließlich lautet das Hausmotto "Immer schön rebellisch bleiben".

Und wahre Rebellen sind unabhängig: Die beiden Sänger, Musiker, Darsteller, Bühnenbildner, Texter, Regisseure, Instrumentenerfinder und Komponisten haben "Palast abwerfen" ganz allein im Herrschinger Heimstudio aufgenommen. Sind sie nun Singer-Songwriter, Kabarettisten oder zum Dadaismus neigende Rhythmus-Poeten? Egal, Faltsch Wagoni bieten einfach gute Unterhaltung zum Lachen, Mit- und Nachdenken. Demnächst auch wieder in der Region.

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