Fahrradfahren:Wege enden im Nichts

Lesezeit: 3 Min.

In kleinen Schritten will die Gemeinde Berg zur "fahrradfreundlichen Kommune" werden. Mitglieder der Bürgerbeteiligung haben nun ein Konzept vorgelegt, das sukzessive umgesetzt werden soll und noch auf weitere gute Ideen hoffen lässt

Von Sabine Bader, Berg

Florian Fumelli ist Radler aus Leidenschaft. Der 36-Jährige lebt mit seiner Frau und dem bald dreijährigen Sohn in Farchach. Wann immer es möglich ist, erledigen die Eheleute Fahrten mit dem Rad - zum Einkaufen etwa und täglich in die Kita von Sohn Émilien nach Icking sowieso. Klar, hat die junge Familie auch ein Auto. Er habe ganz sicher nichts gegen Autos, sagt der Ingenieur, der - wie er gern zugibt - in der Autobranche arbeitet und Berater für Automatikgetriebe ist. Auf dem Land sei es auch sinnvoll ein Auto zu haben. Nur in seiner Garage steht eben das Radl vorne, so dass man schnell darauf steigt, noch ehe man auf die Idee kommt, sich hinters Lenkrad zu klemmen. Sogar zu den wöchentlichen Besuchen bei den Schwiegereltern - sie wohnen am Gärtnerplatz in München - radelt er mit seinem Rennrad in 50 Minuten. Das muss natürlich keiner nachmachen. Apodiktisch sieht Fumelli die Radelei nicht. Er würde sich nur freuen, wenn auch andere Spaß daran hätten, mehr Fahrten als bisher mit dem Rad zu erledigen.

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Er und Bernhard von Rosenbladt gehören im Rahmen der Berger Bürgerbeteiligung dem Arbeitskreis Radverkehr an. Gemeinsam mit weiteren Mitstreitern haben sie ein Radverkehrskonzept für ihre Gemeinde entwickelt, das sie in der jüngsten Gemeinderatssitzung vorstellten und an dem die Gemeinderäte auch prompt Gefallen fanden. Besser hätte es für die beiden nicht laufen können: Ihr Konzept wurde einstimmig gebilligt und soll nun nach und nach umgesetzt werden. Ziel ist es, das Routennetz sukzessive zu verbessern.

Florían Fumelli ist mit seinem Sohn Émilien auf dem Lastenfahrrad nach Farchach unterwegs. Täglich fahren er und seine Frau zweimal nach Icking zur Kita des Kleinen. Aber auch sonst erledigen die Eheleute viele Fahrten mit dem Rad. (Foto: Nila Thiel)

Wer sich zu den Alltagsradlern zählt, nutzt sie wahrscheinlich bereits: Die beiden Hauptrouten im Gemeindegebiet. Sie verbinden die Städte Starnberg und Wolfratshausen miteinander. Es sind beides Staatsstraßen. Die eine führt von Starnberg aus über Berg, Aufkirchen, Höhenrain und Dorfen nach Wolfratshausen. Die andere zweigt in Berg ab und verläuft dann über Allmannshausen und Münsing nach Wolfratshausen. An beiden Straßen gibt es einen getrennten Geh- und Radweg. Jetzt mag man denken: Alles bestens, das passt! Aber zu früh gefreut: In den Ortschaften auf der Strecke, "wo der Verkehr belebt und unübersichtlich ist, müssen die Radfahrer auf die Fahrbahn wechseln", heißt es im Konzept. Außerdem enden beide Radwege im Nichts - sie brechen an der Landkreisgrenze abrupt ab. Um als Radler unbeschadet von Höhenrain nach Wolfratshausen zu gelangen, schlagen Rosenbladt und Fumelli vor, das Busangebot so zu erweitern, dass auch Fahrräder mitgenommen werden. Fahrradschutzstreifen sollte es ähnlich wie in Berg nach ihrem Dafürhalten künftig auch auf einer Fahrbahnseite durch Aufkirchen und Höhenrain geben, auch um die teils zu schmalen Gehwege zu entlasten. Rosenbladt regte zudem an, beliebte Wege abseits der Verkehrsstraßen besser zu beschildern und Schlaglöcher soweit zu beseitigen, dass auch sie für Alltagsradler interessant werden, was wiederum Verkehr von den Straßen nehmen könnte.

Im Konzept geht es auch um verbesserte Verkehrsregeln, um Querungshilfen und Furtmarkierungen. Doch "die beste Infrastruktur bringt nichts, wenn sie niemand nutzt", sagt Fumelli. Ihm geht es daher auch um mehr Fahrradständer und Radparkplätze in der Gemeinde und um die Anschaffung eines gemeindlichen Lastenrads, das sich Bürger ausleihen können, um festzustellen, ob ein solches Fahrrad etwas für sie wäre.

Manches im Konzept ist schnell und unbürokratisch zu realisieren, oft aber sind Behörden wie Landratsamt, Polizei und das Straßenbauamt Weilheim in Änderungen involviert. Die Folge: Das Ganze dauert und kostet Geld. Und manche Projekte, das wissen alle Beteiligten, dauern sogar so lange, dass manch Radler die Geduld verliert - wie bei der Radwegelücke zwischen Allmannshausen und Weipertshausen (Gemeinde Münsing). Dabei ist das Trassenstück gerade mal etwas mehr als einen Kilometer lang. "Da sind durchaus dicke Bretter dabei", befand dann auch Bergs Bürgermeister Rupert Steigenberger im Gemeinderat. Erklärtes Ziel der Gemeinderäte ist es jedenfalls, innerhalb der kommenden vier Jahr als "fahrradfreundliche Kommune" ausgezeichnet zu werden.

Es gibt etliches, was die Mitglieder der Bürgerbeteiligung auch selbst anstoßen können. Zum Beispiel in der Assenbucher Straße entlang des Seeufers Aufklärungsarbeit zu betreiben, wie sich der Straßenraum für Fußgänger, Radler und Autofahrer konfliktfreier gemeinsam nutzen lässt. "Man könnte beispielsweise Fußgänger darauf hinweisen, dass sie am besten nicht nebeneinander gehen", sagt Fumelli. Eine weitere Idee wäre es, einen Bäcker dafür zu gewinnen, dass er Bürgern, die mit dem Radl kommen, eine Semmel extra schenkt. "All das können wir anstoßen und brauchen die Gemeinde dazu nicht."

Das Berger Fahrrad-Papier ist übrigens eine Art Mitmachkonzept: Man kann "Likes" vergeben und über einen Button auch selbst Vorschläge und Verbesserungswünsche per Mail einbringen. Zu finden ist es auf der Homepage der Gemeinde Berg.

© SZ vom 17.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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