Ernte:Ehrlicher als gedacht

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Wahre Kürbisgebirge türmen sich an den Straßenrändern im Landkreis auf. Bezahlt wird an sogenannten Vertrauenskassen. (Foto: Georgine Treybal)

Vielerorts locken an den Straßenrändern im Landkreis ganze Berge von Kürbissen. Die Kunden müssen den Kaufpreis in eine unbewachte Kasse stecken - und das funktioniert gut, sagen die Landwirte

Von Amelie Plitt, Starnberg

Fährt man durch den Landkreis, sieht man vielerorts am Straßenrand Berge von orange leuchtenden Kürbissen, so zum Beispiel auch nahe der Reismühle in Gauting. Das Prinzip: Die Kunden können verschiedene Speise- und Zierkürbissorten auswählen, informieren sich auf einer Preistafel über den zu zahlenden Betrag und werfen das Geld dann in eine Vertrauenskasse ein. Aber lohnt sich das Selbstbedienungsgeschäft für die Betreiber? Sind die Käufer ehrlich?

"Die meisten unserer Kunden im Landkreis Starnberg sind ehrlich", so das Fazit von Peter Gutmann vom Spargelhof Lohner in Inchenhof, einem Ort im schwäbischen Landkreis Aichach-Friedberg. Er ist nicht nur für die Direktvermarktung von Spargel, sondern auch für die von Zier- und Speisekürbissen zuständig. Seit sechs Jahren liefert Gutmann schon Kürbisse aus, unter anderem nach Starnberg und Gauting. Die Zahlungsmoral der Kunden bleibe seither ungefähr gleich und die Menschen seien ehrlicher, als man denkt, so Gutmann. Es komme sogar vor, dass Kunden ihre Kontaktdaten in die Vertrauenskasse einwerfen und anmerkten, dass sie nicht das passende Geld dabei gehabt hätten, aber gerne den Fehlbetrag noch überweisen würden.

Allerdings kennt Gutmann auch die Kehrseite der Medaille und weiß, dass es in Einzelfällen auch Probleme mit der Ehrlichkeit gibt. "Ich habe gerade einen Kunden beobachtet, der hat zehn Kürbisse eingeladen und nicht gezahlt, das Kennzeichen habe ich auch für Sie" - diese und ähnliche Mitteilungen von Kunden erhält Gutmann ab und an per Telefon oder durch Mitteilungen in den Vertrauenskassen. Nachgegangen ist er diesen Hinweisen bisher nie. Gelegentlich kommt es außerdem vor, dass der Kürbisverkäufer Quittungen als Geldscheinersatz oder gefälschte oder ausländische Münzen in der Kasse findet. "Solche Menschen verkennen, wie viel Arbeit in der Kürbisernte steckt." Über den Umsatz kann und will er sich nicht äußern. "Spargel ist die Haupteinnahmequelle, die Nachfrage ist höher als bei den Kürbissen."

Dennoch lohnt sich für den Spargelhof Lohner auch der zusätzliche Kürbisverkauf: In den letzten Jahren boomte das Geschäft mit dem Gemüse, nicht zuletzt durch den Halloween-Kult, der aus den USA nach Deutschland geschwappt ist. Die Spargelflächen des Familienbetriebs können außerdem nur zehn Jahre bewirtschaftet werden, sodass die Flächen nach dieser Zeit für den Kürbisanbau sinnvoll genutzt werden können. Ein Kassenhäuschen kommt für Gutmann, trotz wachsender Nachfrage, jedoch nicht in Frage: "Lohnkosten für Personal vor Ort zahlen zu müssen, wäre nicht rentabel."

Gleich auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Kürbisverkaufs in Gauting bietet Landwirt Johann Lang Gladiolen, Lilien, Dahlien und andere Blumen zum Selberschneiden an. Auch er kennt das Problem mit "schwarzen Schafen, die die Qualität und den dahinterstehenden Arbeitsaufwand nicht schätzen und nicht in die Kasse einzahlen." Der Landwirt aus Egmating schaut deshalb immer mal wieder selber bei seinen Feldern im Münchner Umkreis vorbei, um Kontrollen durchzuführen. Zeitweise setzt er auch Kameras ein. Die Videoaufnahmen halfen Lang schon einmal, einen Blumendieb zu erwischen, der Fall kam vor Gericht und der Kriminelle wurde zu einer Geldstrafe und zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Die meisten seiner Kunden seien aber in der Vergangenheit ehrlich gewesen, betont der Landwirt, der die Blumenfelder schon seit mehr als zehn Jahren betreibt. Trotzdem findet er immer wieder kuriose Dinge in seiner Kasse am Gautinger Blumenfeld. "Da sind schon mal Einkaufschips oder Schlüsselanhänger beim Einwurf des Geldes mit reingerutscht oder kleine Zettel, auf denen Kunden uns mitteilen, wie begeistert sie von den schönen Blumen sind."

Zwar hat Lang schon ein paar mal über ein Kassenhäuschen nachgedacht, die Idee aber verworfen. Das Blumengeschäft ist für ihn nur ein zweites Standbein, die Haupteinnahmen bezieht er aus seinen Erdbeerfeldern im Münchner Süden. Insgesamt seien es zu wenig Kunden, sodass sich ein fester Stand nicht rentieren würde, meint er. Zu den jährlichen Einnahmen bei den Blumenfeldern wollte Lang keine Aussage treffen. Seine Kunden sollen sich zu jeder Tageszeit, unabhängig von Öffnungszeiten, Blumen schneiden können, findet der Landwirt. "Bei uns können die Kunden auch nach Ladenschluss ein regionales Mitbringsel kaufen, ohne an die Tankstelle fahren zu müssen".

Auf die Kassenhäuschen seiner Himbeer- und Erdbeerfelder im Landkreis Starnberg will Wilhelm Storz, Betriebsleiter des gleichnamigen Obstbaubetriebs, nicht verzichten. Zwar komme es, trotz eines personalisierten Verkaufsstands, auch vor, dass Menschen nachts über den Zaun der Plantagen stiegen oder tagsüber gezielt auf die Felder kämen, um Himbeeren zu vernaschen, im großen und ganzen seien seine Kunden aber ehrlich. In Ausnahmefällen, wenn die Personalkosten die Einnahme übertreffen, setzt der Landwirt auch auf Selbstbedienung, so etwa in der Nachsaison, bei neuen Feldern oder bei besonders trockenem Wetter, dies sei "jedoch keine dauerhafte Lösung". Storz hat die Erfahrung gemacht, dass bei Selbstbedienung die Ehrlichkeit einiger Kunden mit der Zeit nachlässt und die Zahlungsmoral sinken würde. Viel wesentlicher sei für ihn aber noch, dass der persönliche Kontakt zu den Kunden verloren ginge.

Gänzlich Abstand vom Selbstbedienungsprinzip nehmen die Eberle-Gärten in Buchendorf und Frohnloh, wo im Sommer Himbeeren, Johannisbeeren und Erdbeeren gepflückt, aber auch regionales Gemüse gekauft werden kann. "Die Leute, die zu uns kommen, wollen einen netten Ansprechpartner, der ihnen Informationen zu dem Obst und Gemüse gibt. Sie fragen nach Einmachtipps oder Rezepten für leckere Obstkuchen", so Geschäftsleiterin Renate Eberle. Allein deshalb lohne sich schon ein Mitarbeiter auf dem Feld.

© SZ vom 15.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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