Geht man abends in Obermühlhausen am Dorfstadl vorbei, hört man möglicherweise Gitarrenklänge und eine Strophe aus einem bekannten Antikriegslied: "Sag mir wo die Blumen sind". Kai Fikentscher, Gitarrenlehrer an der Diessener Musikschule, unterrichtet in Obermühlhausen syrische Flüchtlinge. Abdu, 19, und Maher, 34, leben seit einigen Monaten mit weiteren Landsleuten im ehemaligen Dorfschulhaus.
Abdu ist mit seinem Vater geflohen. Beide machen sich große Sorgen um Mutter und Geschwister, die im umkämpften Homs zurückgeblieben sind. Maher ist Arabisch-Lehrer und er wünscht sich nichts mehr, als die Asyl-Anerkennung, damit er Frau und Kinder aus seiner Heimatstadt Latakia nach Deutschland holen kann. Der Gitarrenunterricht ist für Maher und Abdu eine willkommene Abwechslung. Denn während man sich aufs Üben konzentriert, sei man vom Grübeln abgelenkt, sagt Maher.
Die Muttersprache von Schnupperschüler Kamjan, 24, ist kurdisch. Während Abdu Verse und Refrain schon mitsummt und vorsichtig die Akkorde greift tut Kamjan sich schwer, Mahers Übersetzung des Unterrichtsgeschehens ins Englische oder Arabische zu verstehen.
Westliche Musik hat im Leben der jungen Männer bislang keine große Rolle gespielt. Alle drei lieben die orientalische Musik ihrer Heimat.
Aber: "Musik ist etwas das die Seele anspricht. Im üblichen Flüchtlingsalltag kommt das nicht vor, da geht es meist um Organisatorisches", stellt Wolf Brückner fest. Er ist im Flüchtlingsnetzwerk Obermühlhausen aktiv. Mit der Musik-Idee stieß er bei der Diessener Musikschule auf offene Ohren. Kai Fikentscher bot an, den Unterricht zu übernehmen. Dießener holten ungenutzte Instrumente vom Speicher und boten sie an. Bis zum Schuljahresende übernimmt die Musikschule die Unterrichtskosten. "Aber wir würden uns natürlich freuen, wenn sich ab Herbst Musikpaten finden würden", sagt Thomas Schmidt, Leiter der Musikschule.