Dießen:Hoheit über das Seeufer

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Ein großer Teil der Dießener Seeanlagen wird als Gewässer angesehen und ist dem bayerischen Finanzministerium unterstellt. Einen Antrag der Kommune, das Gebiet einzugemeinden, hat der Freistaat nun abgelehnt.

Armin Greune

Ein großer Teil der Dießener Seeanlagen wird planungsrechtlich noch immer als Gewässer angesehen: Fast 1,8 Hektar fester Grund gilt als "außermärkisches" Gebiet und ist der Schlösser- und Seenverwaltung, also dem bayerischen Finanzministerium unterstellt. Einen Antrag der Kommune, das Gebiet einzugemeinden, hat der Freistaat nun abgelehnt, weil er Präzedenzfälle in anderen Seeufergemeinden fürchtet.

Dießen Töpfermarkt Dießen Seeanlagen, Töpfermarkt, Schwimmerinen am Ufer des Ammersee v. Pia Keul. Foto: Georgine Treybal (Foto: STA)

Wie um die Absurdität auf die Spitze zu treiben, befindet sich der größere Teil der gemeindefreien Fläche im Eigentum der Marktgemeinde. Vor genau 100 Jahren erwarb Dießen vom Königlich Bayerischen Staat in den Seeanlagen 9900 Quadratmeter Grund für insgesamt 500Mark - ein Areal, dass zwar privatrechtlich der Kommune gehört, aber von ihr nicht überplant werden darf. Beim vor drei Jahren veranstalteten Ideenwettbewerb zur Umgestaltung der Seeanlagen wurde offenbar, dass der Gemeinde die Planungshoheit für die Errichtung zusätzlicher Gebäude fehlt. Selbst seit langem bestehende Bauten wie der Kunst-Pavillon und der Kiosk unterhalb der Bahngleise stehen auf außermärkischem Gebiet. Die ursprünglich vom Ammersee bedeckte und im Lauf der Jahrzehnte verlandete Zone erstreckt sich über 17700 Quadratmeter von der Segelschule im Norden bis zum Strandhotel im Südosten: Die Hälfte des Kinderspielplatzes und der Boxler-Anlagen - nicht aber Minigolfplatz und Kneippbrunnen - fallen darunter.

Noch 2008 beantragte Dießen die Eingemeindung dieses Areals, mit dem Fernziel einen Bebauungsplan für die Seeanlagen aufzustellen. Zur jüngsten Gemeinderatssitzung lag nun die Antwort vor: Bernd Schreiber, Leitender Ministerialrat im Finanzministerium, begründet die Ablehnung mit Folgeanträgen anderer Kommunen: Am Ammersee etwa sind noch Uferbereiche in Utting, Riederau und Aidenried gemeindefreies Gebiet. Während aber Kommunen "ihren Fokus primär auf örtliche Interessen" richteten, sähe sich die Seenverwaltung der Bayerischen Verfassung verpflichtet, teilt Schreiber mit. Artikel 141 sichere der Allgemeinheit den Zugang zu Seen und anderen landschaftlichen Schönheit zu. Dies könne die Seenverwaltung nur leisten, wenn "eine Zergliederung des einheitlichen Gefüges See verhindert werde". So seien an sie schon "verschiedenste Gewässereinbauten" wie Hotels und Saunen herangetragen worden. Grundsätzlich könnten "auch im unbeplanten Gewässerbereich" Bauvorhaben nach wasserrechtlichem Genehmigungsverfahren realisiert werden - diesen Weg empfiehlt Schreiber auch Dießen.

Der Marktgemeinderat nahm die Ausführung mit Befremden zur Kenntnis: Franz Kubat (DB) sah sie als "Armutszeugnis für den Freistaat"; "Gerade zu grotesk" fand CSU-Chef Wolfgang Salzmann das Argument des freien Seezugangs, den man in Dießen eben gerade vermisse. "Unser nächstes Ziel sollte ein Ortstermin sein", meinte Bürgermeister Herbert Kirsch (DB): Vielleicht gelänge es ja, Finanzminister Georg Fahrenschon für einen Besuch zu gewinnen.

© SZ vom 16.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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