Dießen:Babyboom in der Storchenkolonie

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20 Küken werden dieser Tage flügge - und selbst die Brut im Dießener Zentrum ist von Erfolg gekrönt.

Von Armin Greune, Dießen

Erstmals seit vielen Jahrzehnten sind in der Marktgemeinde wieder Weißstörche aufgewachsen: Im Horst an Dießens Hauptkreuzung werden gerade drei Jungvögel flügge. Dass die Eltern sie durchgebracht haben, war auch heuer alles andere als selbstverständlich: In sieben von 17 Nestern am Ammersee-Südufer gaben die Störche die Brut wieder auf - wohl überwiegend, weil die Küken beim Spätfrost Ende April erfroren. Und doch ist 2017 die Population rund um Raisting um 20 Vögel angewachsen, zwei mehr als im bisherigen Rekordjahr 2016.

Keinen Bruterfolg hatten sieben Paare im Ortskern - möglicherweise ist dort die Konkurrenz um Futterplätze zu groß geworden, seit heuer fünf weitere Horste dazukamen. In der Regel waren es Erstbrüter, die scheiterten, sagt Wolfgang Bechtel vom Landesbund für Vogelschutz (LBV), der seit vielen Jahren die Weißstorchpopulation beobachtet. Doch auch ein erfahreneres Paar, das 2016 schon drei Junge aufgezogen hatte, gab heuer die Brut am 12. Mai auf. Noch Anfang Juni erwischte es den Nachwuchs im Horst auf einem Kamin an der Sölber Straße. Dagegen hatten zwei junge Paare, die sich heuer in der Nähe des Bahnhofs neu ansiedelten, mit ihrer Aufzucht Erfolg; nur eines, das erstmals auf dem Feuerwehrhaus brütete, brach die Brut ab.

Im Landkreis Starnberg haben sich noch immer keine Störche dauerhaft niedergelassen. Zuletzt brütete 2001 ein Paar auf der Inninger Montessorischule, deren Nachwuchs aber nach einem Hagelschlag an Unterkühlung starb. Wie schon in den 1990er Jahren wurde den Vögeln in Inning 2011 eine aufwendige, 2000 Euro teure Nisthilfe angeboten, aber bislang fanden sich keine Brutpaare ein. Nur drei Kilometer südlich der Landkreisgrenze überlebten heuer auf der 2010 erstmals angenommenen Nisthilfe in Fischen drei Junge.

2012 hatte Franz Sanktjohanser eine Plattform für Weißstörche auf einer abgesägten Tanne in der Dießener Fischerei konstruiert. Heuer hatte sich dort erstmals ein Paar zum Nestbau niedergelassen. Doch nach drei Wochen zog es ins Zentrum der Marktgemeinde weiter - offenbar weil sie mehrmals nachts mit grellem Licht angestrahlt wurden. Der neue, ohne Nisthilfe gebaute Horst auf einer Kaminabdeckung am Haus Marktplatz 4 weckte auch bei Bürgermeister Herbert Kirsch Begeisterung: Aus seinem Amtszimmer hatte er einen guten Blick auf das Gelege.

Im Moment machen sich die meisten Jungstörche zu ersten, kurzen Rundflügen auf, wie Bechtel erklärt. Spätestens abends kehren sie in ihre Horste zurück, um sich noch etwa zwei Wochen lang täglich von den Eltern füttern zu lassen. Denen blieben dann noch "zwei Wellness-Wochen", bis sie sich auf den Weg zu ihren Winterquartieren machen. In dieser Zeit finden sich die Jungvögel zu Trupps von bis zu 20 Individuen zusammen, die ungerichtet durch die Gegend vagabundieren, bis sie sich erfahrenen Störchen zum Zug nach Süden anschließen. Wenn sie im Frühjahr zurückkehren, sind sie noch nicht bereit für Brut und Paarung: Einjährige Weißstörche bilden Jugendbanden mit bis zu 50 Mitgliedern. Bechtel ist aufgefallen, dass diese Horden heuer in Raisting ausblieben und sich im Mai nur ein paar vereinzelte Jungstörche vor den Ortseingängen herumtrieben.

Das Südufer des Ammersees galt lange als natürliche klimatische Verbreitungsgrenze der Störche. 2006, 2007 und 2010 erfror, ertrank oder verhungerte dort die gesamte Brut. Inzwischen haben sich Paare noch weiter südlich in der Ammersenke angesiedelt: Heuer brüteten sie in Wielenbach und Polling mit Erfolg. Einem Paar in Weilheim gelang sogar die Aufzucht von fünf Jungstörchen, der LBV sieht die Tiere aber nicht mehr als Wildstörche an - denn die Störchin "Rosita" wird seit vielen Jahren in Raisting durchgefüttert. Mit dem 2011 gestorbenen "Raisti" hat sie einst die Kolonie am Ammersee begründet. Noch immer überwintert sie nicht nur in Raisting, sondern fliegt auch im Sommer zwei Mal täglich aus Weilheim zu ihrer Futterquelle. Die Versorgung dort mit Eintagsküken und Rindfleisch verfälsche die fachliche Wertung, findet der LBV, dieser Horst werde deshalb vorläufig nicht mehr mit erfasst.

© SZ vom 05.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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