Räumungsverkauf:Der "Herr der Dinge" orientiert sich neu

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"Krempels am Rathauseck" macht zu: Das Dießener Geschäft für Altes, Antikes und Gebrauchtes schließt zum Jahresende. (Foto: Georgine Treybal)

Guido Webert, Betreiber des Trödelladens "Krempels am Rathauseck" in Dießen, schließt im Dezember sein Geschäft

Von Renate Greil, Dießen

Bücher, Porzellan, Gläser, Lampen, Bilder, Möbel: Von vielen seiner Schätze will sich Geschäftsinhaber Guido Webert, der "Herr der Dinge" trennen. (Foto: Georgine Treybal)

Kindheitserinnerungen und nostalgische Gefühle sind praktisch schon beim Betreten des Trödelladens von Guido Webert inbegriffen. Seit fast zwanzig Jahren ist er in Dießen der "Herr der Dinge", wie es auf seiner Onlinepräsenz heißt. Zunächst betrieb er seinen Trödelladen in der Fischerei im ersten Stock über einer Autowerkstatt, seit elf Jahren bietet er seine kleinen und großen Schätze im "Krempels am Rathauseck" an. Aber im Dezember soll nun Schluss sein, schon jetzt sind die Ladenzeiten beschränkt auf Donnerstag bis Samstag. Im Moment pendelt Webert jede Woche aus dem 400 Kilometer entfernten neuen Zuhause der Familie, einem Hof in Thüringen nahe Coburg. Dort wagt der Mittfünfziger einen neuen Start und möchte auch beruflich eine neue Richtung einschlagen.

Die Marktgemeinde Dießen möchte das Haus in guter Lage künftig selbst nutzen

Im November wird es einen Räumungsverkauf geben, kündigt er an. Zwar hätte ein junger Händlerkollegen aus dem Augsburger Raum Interesse an einer Weiterführung des Geschäfts gehabt, trotzdem muss alles raus. "Der Kollege hätte nur übernommen, wenn er auch den Laden, der eine gute Lage hat, hätte pachten können", sagt der Trödelhändler. Eigentümerin des gemieteten Hauses, zu der auch eine Ferienwohnung gehört, ist die Marktgemeinde Dießen, die das Haus künftig selbst nutzen möchte. Das mache Webert den Abschied leichter. Wenn er durch den Ort geht, wird er von vielen gegrüßt. "In jedem zweiten Haushalt war ich schon einmal", erzählt er. Da standen dann zwei, drei Kisten auf dem Dachboden aus einem Nachlass, oder es galt einen Haushalt aufzulösen oder Flohmarktsachen abzuholen. Immer noch spannend ist es für Webert "zu gucken was man findet".

"Krempels am Rathauseck" macht zu: Das Dießener Geschäft für Altes, Antikes und Gebrauchtes schließt zum Jahresende. (Foto: Georgine Treybal)

Welchen Wert die Dinge haben, darüber habe er gerade zu Anfang von seinen Kollegen, mit denen er sehr gut vernetzt sei, viel gelernt. Nicht gut zu sprechen ist er allerdings auf eine erfolgreiche Fernsehsendung, die oft zu einer Schwemme von Angeboten führe, für die es kaum Nachfrage gäbe. Zum Beispiel Regulatoren: Pendeluhren, die an der Wand hängen. Im Trend seien dagegen gerade dänische Designmöbel aus den sechziger Jahren, hier hat er gerade einen Schreibtisch mit passendem Stuhl im Angebot. Eigentlich habe er die Kombination für sich vor fünf Jahren erworben und eingelagert, aber nun passt es doch nicht. Bei Möbeln wechsle der Trend alle drei bis fünf Jahre, sagt er. Sachen, die ihm gefallen, lagerte er anfangs zuhause in Kisten. Das habe er aber bald aufgegeben. Stattdessen tausche er immer mal wieder ein Stück aus. Das Schaufenster im Laden wird wöchentlich umdekoriert, auch die Waren in der Ausstellungsfläche von 150 Quadratmetern oft umgestellt, andere Stücke landen im Lager mit 80 Quadratmetern Fläche. Der Trödelhändler kennt zu den jeweiligen Stücken Alter und Herkunft, die Preise hat er im Kopf. Vieles hat er auf Kommission ausgestellt, den Preis legt er dann zusammen mit dem Einlieferer fest. Allerdings sei der Umsatz noch nicht wieder auf dem Niveau vor Corona, berichtet er zur derzeitigen Geschäftslage.

Weberts erster Flohmarkt: "Am Abend war das Auto leer und die Taschen voller Geld."

"Aus Langeweile" kam Webert, Jahrgang 1967, zum Trödeln. Eigentlich hatte der gebürtige Cloppenburger Herrenschneider und Bekleidungsingenieur - Schwerpunkt Schnittgestaltung - gelernt. In diesem Beruf habe er aber nie gearbeitet, denn aufgrund des technischen Fortschritts war sein Job nach der Ausbildung schon nicht mehr gefragt. Vor 25 Jahren ging er das erste Mal auf den Flohmarkt: Beim Zusammenlegen von zwei Haushalten waren einige Sachen doppelt. "Am Abend war das Auto leer und die Taschen voller Geld", erinnert sich Webert. Und Freude habe es ihm auch gemacht. Bald verkaufte er Sachen für andere auf Flohmärkten, später suchte er auch Flohmarktartikel über Kleinanzeigen. Als die Familie schon in Dießen wohnte, kam die Idee vom ganzjährigen Flohmarkt auf - auch als Gegenbewegung zur Wegwerfkultur.

Besonders beeindruckt hat ihn die Menschenkette beim Umzug des Ladens aus der Fischerei in den etwa 400 Meter entfernten Laden beim Rathaus. Binnen weniger Stunden waren alle Gegenstände von Hand zu Hand durch den Ort gewandert. Dabei halfen auch Personen, die er weder vorher noch nachher wiedergesehen habe. Am liebsten verkaufe er "Staubfänger aller Art", schmunzelt der Händler: Nippes, Glas, Porzellan und Kleinmöbel tummeln sich im Laden, alles Mögliche von Büchern bis zu Schränken. Ein Sektglas für 50 Cent oder ein Likörglas für 150 Euro. Designliebhaber werden bei ihm ebenso fündig wie diejenigen, die nur zwei bestickte Stoffservietten für drei Euro erstehen. "Für die einen ist mein Laden ein Museum, für andere ist es eine Zeitmaschine", sagt er.

Der Laden (Prinz-Ludwig-Straße 2, 86922 Dießen) hat derzeit donnerstags und freitags von 9 bis 13 Uhr und von 15 bis 18 Uhr sowie samstags von 10 bis 14 Uhr geöffnet. Weitere Infos gibt es unter www.krempels.com

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