Corona-Pandemie:Warten auf Besuch aus der Heimat

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Die Pfleger Charles Ligon und Apolinario Barcena stammen von den Philippinen. Seit zwei Jahren können sie nicht nach Hause reisen. Nun verbringen sie die Feiertage bei der Arbeit in der Tölzer Asklepios-Klinik

Interview von Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

Die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr ist für die meisten auch ein Synonym für Familienzeit. Wer aus beruflichen oder privaten Gründen weg von Eltern, Kindern oder Geschwistern wohnt, nimmt oft weite Wege in Kauf, um den Verwandten nahe zu sein. Und auch wer in der Nähe lebt, aber unterm Jahr anderweitig beschäftigt ist, nimmt sich in diesen Tagen die Zeit, lange vermisste Menschen wiederzusehen. Die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen haben im vergangenen wie in diesem Jahr vielen jedoch Hürden gesetzt, der Familie nahe zu sein. Am härtesten trifft das jene, die über die Feiertage für andere da sein müssen, die Schichtdienste schieben oder die nicht in ihren Familien feiern können, weil sie auf einem anderen Kontinent leben - und Flüge dorthin durch die Pandemie ausgesetzt sind. Bei Charles Ligon, 33, und Apolinario Barcena, 32, treffen alle diese Gründe zusammen: Die beiden stammen von den Philippinen, arbeiten aber als Gesundheits-und Krankenpfleger in der Asklepios Stadtklinik Bad Tölz. Aufgrund der Corona-Pandemie sind sie nicht nur in ihrer Arbeit stark belastet, sie konnten seither auch nicht wieder in ihre Heimat zurück. Über ein Leben in der Distanz.

SZ: Herr Ligon, Herr Barcena, Sie stammen beide von den Philippinen, wann waren Sie denn das letzte Mal in Ihrer Heimat?

Charles Ligon: Ich bin seit Januar 2020 in der Asklepios-Klinik in Bad Tölz und konnte seitdem nicht in die Heimat, aus Gründen der Pandemie.

Apolinario Barcena: Ich arbeite seit April 2021 in der Stadtklinik Tölz. Ich war von Oktober bis November 2019 zuletzt auf den Philippinen.

Wie ist denn die Arbeitszeit grundsätzlich geregelt, wie viel Zeit hätten Sie unter normalen Umständen in Deutschland, wie viel im Heimatland verbracht?

Ligon: In normalen Zeiten versuchen wir, unseren Urlaub schon auf den Philippinen bei der Familie zu verbringen. Oder wir bekommen Besuch aus der Heimat.

Barcena: Das ist aber aktuell natürlich nicht so einfach möglich.

Funktioniert denn die Kommunikation auf digitalem Weg? Wie und wie oft können Sie den Kontakt halten?

Ligon: Ja, das funktioniert gut, allerdings ist die Zeitverschiebung von sieben Stunden schon eine Herausforderung, auch hinsichtlich des Schichtdienstes.

Barcena: Gerade an unseren freien Tagen klappt das aber ganz gut.

Wie stark plagt Sie das Heimweh? Wie schaffen Sie es, motiviert zu bleiben?

Ligon: Wir versuchen so oft es geht, mit unseren Familien zu telefonieren, beziehungsweise zu skypen. Der gute Zusammenhalt im Team auf der Station und auch mit anderen Landsleuten, die ebenfalls in der Klinik arbeiten, ist zudem super.

Barcena: Wir unternehmen viel gemeinsam und haben auch eine gemeinsame Whatsapp-Gruppe, in der wir uns austauschen und einfach verabreden können.

Wie haben denn Ihre Familien Weihnachten verbracht?

Barcena: Auf den Philippinen wird Weihnachten ab Mitternacht des 24. Dezember auf den 25. gefeiert, normalerweise mit der ganzen Familie.

Ligon: Ein klassisches Gericht zu Weihnachten ist ein mit Ananas glasierter Schinken, beziehungsweise ein besonderer Schinken mit Ananas-Sauce.

Und wie haben Sie das Fest heuer stattdessen verbracht?

Ligon: Wir wohnen in Personalappartements in direkter Nachbarschaft zum Krankenhaus. Wir haben Weihnachten hier in Tölz gemeinsam mit anderen philippinischen Kolleginnen und Kollegen gefeiert und werden das auch an Neujahr tun. Ich musste an Weihnachten arbeiten und habe dann zu Neujahr frei.

Barcena: Bei mir ist es umgekehrt.

Sie arbeiten als Pflegefachkraft in Bad Tölz - waren Sie zuvor in diesem Bereich in Ihrem Heimatland tätig oder haben Sie sich hier ausbilden lassen?

Ligon: Nach der vierjährigen Pflege-Ausbildung und dem Studium zum Bachelor of Nursing auf den Philippinen habe ich unter anderem vier Jahre in Saudi-Arabien in einer Klinik gearbeitet und bin dann über das Internet auf die Möglichkeit aufmerksam geworden, in Deutschland beziehungsweise in Bad Tölz zu arbeiten.

Barcena: Auch ich habe erst eine vierjährige Pflege-Ausbildung und das Studium zum Bachelor of Nursing gemacht, dann habe ich in einem Krankenhaus auf den Philippinen und danach in Niedersachsen in einem Pflegeheim gearbeitet. Freunde haben mir von der Klinik in Bad Tölz berichtet und sie mir empfohlen. Ich habe mich beworben, und so bin ich schließlich nach Bad Tölz gekommen.

Was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile, in Deutschland zu arbeiten?

Ligon: Ein Vorteil sind die Verdienstmöglichkeiten in Deutschland, aber auch das sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnis.

Barcena: In Deutschland ist einfach alles besser geregelt.

Haben Ihre Familien Verständnis für den Arbeitsplatz auf der andere Seite der Erde oder gibt es da Diskussionen?

Beide: Sie sind stolz auf uns.

War oder ist die Sprache eine Hürde?

Ligon: Wir werden mit pflegespezifischen Deutschkursen bis Level B 2 für den Pflegealltag in Deutschland ausgebildet. Zusätzlich werden philippinische Pflegefachkräfte auch mit Integrationskursen auf das Leben in Deutschland vorbereitet. Das klappt gut.

Barcena: Nur mit den verschiedenen Dialekten tun wir uns natürlich schwer. Spricht jemand Bairisch, müssen wir manchmal zur Sicherheit noch mal nachfragen.

Was sind die größten Unterschiede im Alltag?

Ligon: Das Klima! An die kalten Winter muss man sich erst mal gewöhnen und an die verschiedenen Jahreszeiten.

Barcena: Und in Deutschland sind alle pünktlich. Auf den Philippinen ist das manchmal nicht so.

Wie sieht denn die pandemische Lage in Ihrem Heimatland aus? Wie ist dort die Impfbereitschaft?

Barcena: Aktuell sind 40 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Die Covid-Zahlen sind weiterhin hoch.

Sind Sie wütend auf Menschen oder Patienten, die sich nicht impfen lassen?

Beide: Gerade die aktuelle Corona-Welle ist und war besonders stressig. Wir sind nicht wütend, können aber nur an alle appellieren, lassen Sie sich impfen.

Sind Sie selbst geimpft?

Beide: Ja, wir sind vollständig geimpft und können uns zeitnah boostern.

Mussten Sie überzeugt werden?

Beide: Nein, die Impfung ist der einzige Weg aus der Pandemie. Zudem arbeiten wir mit Patienten. Da ist es wichtig, dass wir uns und andere schützen.

Was empfinden Sie, wenn Sie Demonstrationen von Impf-Skeptikern sehen?

Beide: Das ist sehr schade. Die Impfung ist der einzige Weg aus der Pandemie.

Freut es Sie, wenn Menschen mit Aktionen auf die Situation des Pflegepersonals aufmerksam machen - oder bräuchte es andere Schritte?

Ligon: Wir bekommen aktuell medial und persönlich ein hohes Maß an Wertschätzung. Wir hoffen, dass das auch nach der Corona-Pandemie so bleibt.

Barcena: Der Pflegeberuf ist zwar stressig, aber auch wunderschön und abwechslungsreich. Daher wäre es super, wenn wir künftig noch mehr junge Menschen aus dem In-und Ausland für diesen Beruf begeistern können.

Neujahr ist hier immer auch eine Zeit der Wünsche und Vorsätze: Was erhoffen Sie sich von 2022?

Ligon: Natürlich hoffen wir, dass wir nächstes Jahr auch mal wieder in die Heimat reisen...

Barcena: ... oder auch Besuch von unseren Familienmitgliedern bekommen können!

© SZ vom 31.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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