Bürgermeisterwahl in Dießen:Die glorreichen Sieben

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Um die Nachfolge des langjährigen Rathauschefs Herbert Kirsch bewirbt sich in der Marktgemeinde eine ganze Schar von Kandidaten. Dass einer von ihnen gleich im ersten Wahlgang triumphiert, ist damit unwahrscheinlich

Von Armin Greune, Dießen

24 Jahre lang hat Herbert Kirsch (Dießener Bürger) als Rathauschef die Geschicke der Marktgemeinde gelenkt und konnte dabei meist mit der breiten Unterstützung der zuletzt sieben Gemeinderatsfraktionen rechnen. Doch nun, nachdem Kirsch nicht mehr als Bürgermeister antritt, ist es mit dieser Einigkeit vorbei: Nur die Bayernpartei und "Die Partei" verzichteten auf eigene Bewerber, die Dießener haben die Wahl unter sieben Bürgermeisterkandidaten. Deshalb wird am kommenden Sonntag kaum eine Entscheidung fallen, wahrscheinlich kommt es zwei Wochen später zur Stichwahl zwischen den zwei Bewerbern, die beim ersten Urnengang die relativ meisten Stimmen erhalten haben.

Die Kommunikative

Kirschs Wählervereinigung hat sich bereits im Frühling 2019 auf eine Kandidatin geeinigt: Sandra Perzul warf als erste ihren Hut in den Ring. Die 39-jährige Verwaltungswirtin leitet die Pressestelle der Agentur für Arbeit Weilheim und hat schon als freie Journalistin über Gemeinderatssitzungen berichtet. Praktische kommunalpolitische Erfahrung hat sie nicht, dafür ist sie seit zehn Jahren im Dießener Zweigverein des Katholischen Deutschen Frauenbunds engagiert, für den sie auch Sprecherin ist. Im Wahlkampf hat sie sich auf sechs Veranstaltungen in den Ortsteilen und bei vielen Vereinen vorgestellt. Sie will sich für generationenübergreifende Kommunikation mit Jugend und Senioren einsetzen, bezahlbaren Wohnraum schaffen sowie gemeinsam mit dem Gewerbeverband die Arbeitsplätze im Ort sichern und die Vermarktung regionaler Produkte unterstützen. Auf Perzuls Agenda stehen zudem neue Verkehrskonzepte: Die Möglichkeiten für eine Verbindung Dießen-Herrsching sollen überprüft werden, im Kreistag möchte sie für einen kostenfreien ÖPNV plädieren, ihr Fernziel ist, Dießen in den MVV einzubinden. Perzul ist verheiratet und hat einen Sohn im Grundschulalter.

Der Verwaltungsfachmann

Vor zehn Monaten kürten die Freien Wähler Florian Zarbo zu ihrem Bürgermeisterkandidaten, nachdem er im Jahr zuvor das Amt des Vize-Vorsitzenden der Gruppierung übernommen hatte. Der erst 25-jährige Verwaltungsfachwirt hat, nachdem er in der Gemeinde Dießen die Ausbildung absolvierte, im Rathaus der Nachbargemeinde Utting eine Blitzkarriere hingelegt. Dort übernahm er im Oktober 2016 die Kämmerei und wurde kurz darauf auch Geschäftsleiter, inzwischen ist er zudem kaufmännischer Vorstand des Kommunalunternehmens, das den Wohnungsbau auf dem Schmucker-Gelände betreut. Noch aber kann er keine Erfahrungen in gewählten politischen Gremien aufweisen. Als vorrangige Ziele für Dießen benennt Zarbo den Mietwohnungsbau, innovative Mobilitätskonzepte und mehr Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung - etwa durch ein Open-Air-Kino am See. Im Wahlkampf hat er sich auf zehn Veranstaltungen vorgestellt und die Anregung aufgenommen, in der Gemeinde mehr Barrierefreiheit zu schaffen. Zarbo ist in Dießen aufgewachsen, verheiratet und Vater eines kleinen Sohns.

Die Kämpferin

Hannelore Baur hat die Politik zum Beruf gemacht: Sie leitet die Geschäftsstelle der SPD in Weilheim, 17 Jahre lang gehört sie dem Vorstand des Bezirks Oberbayern an. Auch ihr ehrenamtliches Engagement in Dießen kann sich sehen lassen, seit 1996 sitzt sie dort im Gemeinderat: Erst als Ortsteilsprecherin für Dettenhofen, von 2002 an wurde sie stets auf der SPD-Liste gewählt. Seit zwölf Jahren ist sie auch Mitglied des Kreistags. Schon bisher hat sich Baur unermüdlich für den sozialen Wohnungsbau eingesetzt; die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für junge Familien bleibt eines ihrer zentralen Anliegen. Außerdem plädiert sie für eine Busringlinie um den Ammersee und will genügend Betreuungsplätze für Kinder und Schüler bereitstellen, schon vor 20 Jahren hat die inzwischen 60-Jährige die Dießener Mittagsbetreuung in Dießen initiiert. Baur strebt zudem an, beim bevorstehenden Umbau "die Seeanlagen erlebbarer werden" zu lassen. Sie lebt im Ortsteil Pitzeshofen, hat drei erwachsene Kinder und sieben Enkel.

Die Souveräne

Seit Juli steht fest, dass auch die Dießener Grünen erstmals eine Bewerberin ins Rennen ums Bürgermeisteramt schicken. Gabriele Übler, seit 2013 Ortschefin und 25 Jahre lang Grünen-Mitglied, hat bislang noch kein politisches Mandat, aber viel Erfahrung im Umgang mit öffentlichen Verwaltungen: Als Organisationsberaterin unterstützt sie Kommunen bei Bürgerbeteiligungen. Ihr Berufsweg begann 1981 in der Bauabteilung des Landratsamtes Starnberg. Mit 52 hat die heute 60-Jährige ihren Beamten-Job aufgegeben und sich selbständig gemacht. 1990 zog sie erstmals nach Dießen und begründete die örtliche Agenda 21 mit, lvon 2000 bis 2013 lebte sie in Nordrhein-Westfalen. Wieder zurück am Ammersee engagiert sie sich bei der Aktion "Plastiktütenfreies Dießen", dem Car-Sharing-Verein und in der Initiative "Mobi-LL" für nachhaltige regionale Verkehrskonzepte. Darüber hinaus will sie sich für mehr Bürgerbeteiligung, barrierefreie Begegnungsplätze und ein attraktiveres Ortsbild einsetzen. Im Wohnbau fordert sie die Abkehr von Eigenheim-Siedlungen.

Der Ehrgeizige

Von 2008 bis 2014 saß Roland Kratzer für die Dießener Bürger im Marktgemeinderat. Bei der Kommunalwahl vor sechs Jahren reichte es auf deren Liste nur für den undankbaren fünften Platz, er wäre damit erster Nachrücker gewesen. Etwas überraschend nominierte ihn die CSU im Oktober zu ihrem Bürgermeisterkandidaten: Kratzer gehört nicht der Partei an und sieht sich als "verkappten Grünen". Der Versicherungskaufmann und studierte Betriebswirt hat 1998 bis 2016 als geschäftsführender Gesellschafter eine Immobiliengesellschaft geleitet und arbeitet nun selbständig im Finanz- und Versicherungswesen. Der 57-Jährige zog 1992 nach Dießen und ist dort seit 20 Jahren in der Tennisabteilung des MTV engagiert. Kratzer hebt seine Kompetenz in Finanzfragen hervor, beruflich hat er auch die Windkraftanlage in Denklingen betreut. Er will alternative Verkehrskonzepte wie Car-Sharing unterstützen und setzt sich für Geschosswohnungsbau in Dießen ein. Neben einer Verkehrsentlastung des Orts liegen ihm die Förderung von Gastwirtschaft, Tourismus und Jugendbeteiligung am Herzen. Er ist Vater von drei erwachsenen Kindern.

Der Fröhliche

Im Oktober hat auch Volker Bippus seinen Hut in den Ring geworfen. Der 57-jährige Gymnasiallehrer tritt für die Unabhängige Bürgervereinigung (UBV) Dießen an, die er bald 18 Jahre lang im Gemeinderat vertreten und für die er 2018 den Vorsitz übernommen hat. Bippus ist zudem Vorsitzender des Pfarrgemeinderats und des MTV. Reizthemen im Wahlkampf hat er vermieden: "integer, authentisch, pragmatisch" lautet sein Wahlkampfslogan, er bezeichnet sich selbst als "frisch, fromm, fröhlich und frei." Konkrete politische Zielsetzungen stehen bei ihm nicht so im Vordergrund, er sieht die Themenkreise Verkehr, Familie und Arbeit für besonders wichtig an. Die UBV stehe für eine Förderung der Vereine und des Tourismus, einen Ausbau der Dießener Radwege und den Erhalt des Ortsbildes - Industriegebiete und Einkaufsmärkte an der Peripherie lehnen Bippus und die Unabhängigen ab. Er ist verheiratet und kinderlos.

Die Alleingängerin

Auf der Liste des "Offenen Kreises" von Franz Sanktjohanser zog Marianne Scharr im Jahr 2008 erstmals in den Gemeinderat ein, 2014 wiederholte sie diesen Erfolg mit den Dießener Bürgern. Nun bewirbt sich die 54-jährige Landwirtin und vierfache Mutter aus dem Ortsteil Dettenschwang ohne unterstützende Liste um das Bürgermeisteramt. Dazu musste sie einen Unterstützerverein gründen und 180 Unterschriften von Dießener Bürgern sammeln. Scharr schloss eine Lehre als Meisterin der ländlichen Hauswirtschaft ab, arbeitete als Arzthelferin und ist freiberufliche Dozentin für landwirtschaftliche Themen. Sie formuliert eher allgemeine kommunalpolitische Ziele: Sie wolle die Vernetzung des örtlichen Gewerbes fördern, Dießens "Unverwechselbarkeit bewahren und behutsam Neuerungen einführen", wie sie sagt.

© SZ vom 13.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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