Brauchtum im Landkreis Starnberg:Er steht

Lesezeit: 3 min

In vielen Dörfern werden neue Maibaume nach traditioneller Art aufgestellt: mit Muskelkraft und langen Stangen. Tausende Schaulustige sind dabei.

Von Astrid Becker

Wenn es so etwas wie einen Wettergott gäbe, müsste man ihm an diesem 1. Mai besonders gute Laune unterstellen: Weiß-blau erstrahlt der Himmel, die Temperaturen sind angenehm, das Bier dennoch kühl. Optimale Bedingungen herrschen also in den Dörfern des Fünfseenlands, die in diesem Jahr neue Maibäume aufstellen. Optimal ist das Wetter auch für die Besucher. Selbst wenn es mal ein bisschen länger dauert, bis das Schmuckstück jeder einzelnen Ortschaft in den Himmel ragt, frieren muss von den Besuchern der Maifeiern im Fünfseenland niemand.

Es sind tatsächlich Tausende, die an diesem Tag unterwegs sind, um die neue Zier in ihren Orten zu bewundern. Allein im Seefelder Ortsteil Oberalting rechnet man mit insgesamt etwa 2000 Gästen, wie der Vorstand des Heimat- und Brauchtums vereins "D'Griesbergler Oberalting", Michael Wastian, erzählt. Zum 400 Kilogramm schweren Ochsen am Grill, der aus Hausen kommt und hier eine besondere Spezialität ist, habe man daher noch einmal genauso viele Kilogramm Ochsenfleisch dazugenommen: "Damit es für alle langt", sagt er. Er und seine Mitstreiter sollen die Letzten an diesem Tag sein, die mit Hilfe von Stangen - den "Schwaiberln" - und einer Seilwinde, "die aber nur der Sicherheit dient", ihren Baum aufrichten werden. Für Punkt zwölf ist das Spektakel angekündigt, doch schon davor sind viele Plätze an den Biertischen besetzt. Etwa eineinhalb Stunden wollen sich Wastian und seine Männer mit dem Aufstellen Zeit lassen: "Es ginge auch schneller", sagt er. Aber man müsse den Leuten ja etwas bieten - vor allem, wenn die Sonne scheine. Bei schlechtem Wetter sei das anders: "Da frieren die Leut', schauen sich nur das Aufstellen an, und dann gehen die meisten eh' wieder heim." Aber heuer "passt alles" - und damit lohnt sich auch der Aufwand, der bereits seit Wochen für den neuen, 32 Meter hohen Maibaum betrieben wird. Da ist das Schlagen des Baums, "vom Grafen Toerring haben wir den", sagt Wastian, das Abhobeln der Rinde, das Schleifen, das Bemalen und natürlich das Bewachen: "Wir sind schon ausspioniert worden", sagt er, "aber wir waren seit 25. April rund um die Uhr da." Immer zu viert, damit man sich die Zeit mit Kartenspielen vertreiben könne. Genauer gesagt: mit Watten, "weil Schafkopf kaum einer mehr kann".

Ohne Pause seit Karfreitag haben auch die Drößlinger ihren neuen, 30 Meter hohen Maibaum bewacht. Dort allerdings mal zu zweit, mal zu sechst, mal ganze Familien, mal nur Frauen, mal gemischt: "Bei uns helfen da alle zusammen, auch beim Aufrichten", erzählen gleich mehrere Drößlinger. Auch bei ihnen im Ort sei immer noch pure Muskelkraft gefragt: "Wir haben zwar einen Kran, aber den nur zum Sichern." Der Baum ist schon morgens um zehn Uhr von Pfarrer Roland Böckler gesegnet worden. Gestiftet wurde er von der Familie Dellinger. Dicht aneinander gedrängt stehen hier die Besucher am Straßenrand. Gegenüber ist der Grund abgeriegelt, auf dem die Männer den Baum aufrichten. Die Ortsdurchfahrt ist hier nicht gesperrt, das wäre dort auch unmöglich. Ein Helfer auf der Straße zeigt den Autofahrern an, wann sie passieren können. Ähnlich geht es auch in Garatshausen zu, wo in diesem Jahr erst der dritte Maibaum an der 2010 errichteten Kapelle aufgestellt wird. 24 Meter ist er hoch.

Anders ist das beispielsweise in Widdersberg, wo an diesem Tag ein 26,40 Meter hoher Baum aufgerichtet wird: Der kleine Ort, der zur Gemeinde Herrsching gehört, ist bereits von acht Uhr morgens an komplett abgeriegelt. Auch Aschering ist eigentlich komplett gesperrt. Und zwar bereits wenige Meter nach der Abzweigung von Landstetten hin in das Dorf, das zu Pöcking gehört. Organisiert wird die Sache mit dem Maibaum dort immer vom Dorfverein "D'Ascheringer". Auch hier geht es um Kraft: Die Männer des Ortes stellen seit jeher mit der Hand auf. Diesmal ist der Baum 28 Meter hoch und bereits auf einer Seite mit den Schmuckschildern bestückt. "Früher waren die Schilder immer auf beiden Seiten, da war das Aufstellen noch schwieriger, weil man mit den Stangen aufpassen musste", erzählt einer der Männer. Heuer sei das mit dem einseitigen Schmuck schon einfacher geworden.

Nicht schwierig ist es in Buchendorf, dort wird der 30 Meter hohe Baum, - aus dem Rechtlerwald - in nur sieben Minuten mit einem Kran nach oben gehievt. Heuer zum ersten Mal direkt am Feuerwehrhaus.

© SZ vom 02.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: