Brauchtum:Der Krachmacher

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Wenn er die Kanone zündet, zieht Josef Hörmann die Trachtenjoppe aus. Nach dem Schuss seien Hände und Arme voller Schwarzpulver. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Josef Hörmann ist seit 50 Jahren Kanonier in Bernried und feuert bei Jubiläen und Beerdigungen. An Neujahr wird er sein Ehrenamt im Auftrag der Gemeinde ein letztes Mal ausüben

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Bernried

Josef Hörmann ist ein ruhiger, bescheidener Mann. Er macht nicht viel Aufhebens von sich und in der Öffentlichkeit zu stehen, ist ihm unangenehm. "Ich bin nicht der Typ, der sich vorne hinstellt", sagt er. Dennoch versteht er es, sich Gehör zu verschaffen. Jedes Mal, wenn er in offizieller Funktion unterwegs ist, kracht es gewaltig. Josef Hörmann ist der Kanonier von Bernried und das schon ein halbes Jahrhundert lang.

Das Ehrenamt kommt seinem Anliegen entgegen, lieber im Hintergrund zu stehen. Wann immer er mit seiner Kanone böllert, beispielsweise am Volkstrauertag, zu Jubiläen oder bei Beerdigungen von Vereinsmitgliedern, muss er einen gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsabstand von mindestens 50 Metern zu den nächsten Personen einhalten. Meistens ist Hörmann sogar noch weiter weg. "Im Hinterhalt", witzelt er, werde er normalerweise nicht gesehen. Es sei ein einsamer Job. Aber es mache ihm großen Spaß und in den 50 Jahren habe er nur ein einziges Mal gefehlt, erklärt Hörmannstolz. Das war bei seiner eigenen Hochzeit. Für sein Engagement als Kanonier der Gemeinde hat Bürgermeister Josef Steigenberger Hörmann die Ehrenmedaille der Gemeinde verliehen.

Das Schießen als Sport hat den gelernten Zimmermann schon als Kind fasziniert. Bereits mit 14 Jahren ist er dem Schützenverein beigetreten. Hörmann, dessen Familie seit Generationen in Bernried lebt, war sogar schon einmal Schützenkönig. Als er 1969 nach seinem Wehrdienst Mitglied im Veteranen- und Soldatenverein wurde, hat man ihn gleich zum Kanonier verpflichtet. Weil der Umgang mit Schwarzpulver gefährlich ist, musste er zunächst eine Prüfung ablegen. "Das war früher einfacher. Heute wird viel mehr verlangt", ist seine Erfahrung. Auch eine Bescheinigung hat er erhalten, mit der offiziellen Erlaubnis, dass er Schwarzpulver kaufen darf. Ein Kilogramm reicht für vier bis fünf Schüsse. Da die Kanone der Gemeinde gehört, übernimmt diese die Kosten. Auch mit den Einsätzen wird Hörmann vom Rathaus beauftragt. Dann geht er in seine Werkstatt, holt den Eisenkoffer mit den Utensilien hervor und befüllt die Kartuschen mit Schwarzpulver. "Hinten kommt die Zündkapsel rein", erklärt er. Wenn der Schlagbolzen auf die Zündkapsel trifft, geht der Schuss los. Für seinen Einsatz muss er normalerweise früh aufstehen, denn oft wird schon um sechs Uhr morgens geböllert. Dann zieht Hörmann "sein altes Arbeitsgwand" an, macht sich auf den Weg zur Kanone und wartet auf das Zeichen für seinen Einsatz. Dann spannt er die Feder für den Schlagbolzen. Wenn er an der Schnur zieht, geht der Schuss los.

Die Trachtenjoppe des Veteranenvereins trägt er dabei nicht. Die sei zu schade, denn mit einer Kanone zu schießen sei ein schmutziges Geschäft, sagt er. Nach dem Schuss seien Hände und Arme voll mit dem schwarzen, schmierigen Schwarzpulver. Hörmann zeigt seine von jahrzehntelanger Arbeit schwielig gewordenen Hände und erklärt, dass man diesen Schmutz nur mit einer speziellen Reinigungspaste wieder wegbekomme. Sein schönstes Erlebnis hatte der Rentner übrigens beim Jubiläum des Haunshofener Trachtenvereins im Mai. Da wurde aus mehr als 20 Kanonen geschossen, zuerst nacheinander, dann alle zusammen. Immer wenn Hörmann sein Pulver verschossen hat und wieder zuhause ist, geht er in den Wald, um dort die Ruhe zu genießen. Nach einem halben Jahrhundert denkt der Kanonier ans Aufhören. Einen Nachfolger hat er bereits gefunden. Bürgermeister Steigenberger habe ihn aber gebeten sein Amt noch ein letztes Mal auszuüben - an Neujahr, um den Startschuss für die Jubiläumsfeierlichkeiten zum 900-jährigen Bestehen von Bernried zu geben.

© SZ vom 02.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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