Bierbrauen:Hochprozentige Handarbeit

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Dieses Gebräu hat mehr Hopfen und mehr Alkohol und passt darum auch zur Starkbierzeit: In Wörthsee gibt Craft-Brauer Raymond Seeliger Kurse im Pale-Ale-Herstellen. Wie es schmeckt, wissen die Teilnehmer erst an Ostern.

Von Astrid Becker, Wörthsee

Der Sudkessel fasst um die 50 Liter. Daneben stehen auf einem langen Tisch eine Schrotmühle, mehrere Sorten Malz, verschiedene Hopfen, Hefen und am Boden ein Gärtank. Eigentlich wird hier im Keller der Wörthseer Firma Dynamic Systems alles rund um die Kennzeichnung von Waren hergestellt, in Hightech natürlich, computergestützt und hochkomplex. Was sich im Untergeschoss des nüchtern wirkenden Gewerbebaus abspielt, hat aber so gar nichts damit gemein. Dort geht es um hochprozentige Handarbeit und um eines der ältesten alkoholischen Getränke der Menschheit: ums Bier.

Einmal im Monat finden hier Braukurse statt. Raymond Seeliger hat die Räume gemietet und normalerweise verkauft er dort sein Wörthseer Craft Bier. Auch am Samstagmorgen tauchen immer wieder Menschen auf, die sein Indian Pale Ale haben wollen, sein Helles oder seine "Nummer 6". Aber das macht nichts. Wer Bier brauen will, muss Zeit mitbringen. Viel Zeit. Die fünf Menschen, die mit Seeliger an diesem Vormittag Punkt zehn Uhr im Keller stehen, haben sechs bis acht Stunden dafür eingeplant.

Zunächst geht es allerdings um die Frage, welche Sorte sie herstellen wollen: Weißbier, Märzen oder Indian Pale Ale? Als Weißbierliebhaber outet sich an diesem Vormittag niemand so recht, und auch Märzen, eigentlich angebracht im Frühling, interessiert nicht wirklich. Schließlich geht man bei einem echten Craftbier-Brauer in die Lehre, zwar nicht in einer Garage und auch nicht in den Staaten, wo sich die Craft-Szene einst formierte, aber immerhin in einem Keller und in Wörthsee. Und bei einem Ale-Spezialisten. Also ist an diesem Tag das Brauen von "Indian Pale Ale" angesagt, eines Bierstils, wie der Experte sagt, der einst in England und Schottland für die indischen Kronkolonien gebraut worden ist - mit mehr Hopfen und mit mehr Alkohol, um es transportfähiger zu machen.

Mehr Alkohol passe ja zur Starkbierzeit, meinen die fünf Schüler und legen los. Einer nach dem anderen stellt sich an die Schrotmühle und kurbelt. Anstrengend ist das, und dauert: Die Rezeptur für etwa 50 Liter Indian Pale Ale verlangt elf Kilo geschrotetes Malz. Während also auf der einen Seite des langen Tisches so manch einer ins Schwitzen gerät, stellt Seeliger am anderen Ende am Sudkessel die richtige Temperatur fürs Maischen ein, das streng nach Rezeptur nach einem Schema erfolgt: das geschrotete Malz, übrigens zwei verschiedene Sorten, wird bei exakt 63 Grad Celsius in 55 Liter Wasser gegeben, nach 70 Minuten wird die Maische dann bei 73 Grad Celsius fünf Minuten gekocht, dann weitere fünf Minuten bei 78 Grad Celsius. Durch diesen Prozess wird die im Malz enthaltene Stärke gelöst und das ebenfalls vorhandene Eiweiß flockt aus. So erklärt es Seeliger. Nach dem Maischen wird das ausgekochte Malz von der Flüssigkeit getrennt. Dafür kommt ein recht großes Sieb zum Einsatz. Auf einer Art Briefwaage, die genaue Grammzahlen angibt, wird dann die richtige Menge Hopfen gemessen. Für Indian Pale Ale stehen hier zwei verschiedene Sorten auf dem Rezept: Magnum und Cascade. Wie unterschiedlich ihre Aromen sind, beweist der Geruchstest. Während Magnum eine auffällige bittere und gleichzeitig aber leicht blumige Note aufweist, landet bei Cascade ein fruchtig-würziger Duft in der Nase. Der Hopfen, das wird schnell klar, erfüllt quasi dieselbe Aufgabe im Bier wie Gewürze im Essen. Doch alleiniger Geschmacksgeber ist er nicht.

Auch die Hefe, von der es zig verschiedene gibt und die in einem extra Gefäß mit ein wenig Sud angerührt werden muss, trägt stark zur Aromenbildung bei - allerdings muss der Sud, bevor sie zugegeben werden kann, wieder heruntergekühlt werden, in diesem Fall auf unter 20 Grad. Nur so kann die Hefe überleben und quasi den Startschuss für die alkoholische Gärung geben. "Sie wandelt nun den Malzzucker in der Bierwürze in Alkohol und Kohlensäure um", erklärt Seeliger, während seine Schüler Wörthseer Craftbier in Kelchgläsern verkosten. Dann müssen sie die Stammwürze mit Hilfe einer Spezialspindel messen. 12 Prozent kommt dabei heraus: "Unser Bier wird also ein bisserl leichter ausfallen als normale Indian Pale Ales." Der Alkoholgehalt wird bei unterdurchschnittlichen fünf Prozent liegen.

Bis die Teilnehmer ihre jeweils fünf Liter mitnehmen und probieren können, wird Zeit vergehen. Zunächst muss das Gebräu bis zu einer Woche lang gären, dann reifen. Ein Monat kann dafür verstreichen. Seeligers Schülern ist das egal: Die meisten trinken in der Fastenzeit kaum Alkohol. Pünktlich zu Ostern wird ihr selbst gebrautes Bier trinkbereit sein.

© SZ vom 12.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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