Brauchtum:Zwischen Tradition und Integration

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Bayern ist mehr als nur ein geographischer Begriff - das beweisen die vielen Trachtler auf ihrem Heimatabend in Bernried. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Beim großen Landestreffen der bayerischen Trachtler bestärkt Heimatminister Markus Söder die etwa 800 Vereine in ihrem Bemühen, das Brauchtum zu erhalten. Trotzdem sind auch Flüchtlinge willkommen

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Bernried

Die Trachtler tragen viel zur Integration ausländischer Mitbürger bei. Davon ist der Landesvorsitzende des Bayerischen Trachtenverbands Max Bertl überzeugt. Vor allem in ländlichen Regionen nehmen sie immer häufiger Flüchtlinge in ihre Vereine auf, erklärte Bertl beim großen Treffen der bayerischen Trachtler am Wochenende in Bernried.

"Der Trachtenverband könnte ein gutes Beispiel sein für Deutschland und Europa, wie verschiedene Regionen zusammenarbeiten können", fand auch Bürgermeister Joseph Steigenberger. Er sprach sich für ein "Europa der Regionen" aus. Dieses könne aber nur funktionieren, wenn man sich auf die Unterschiede in der Vielfalt besinne. Steigenberger, der selbst überzeugter Trachtler ist und in einer Volksmusikgruppe mitsingt, bemängelte allerdings auch, dass den Regionen immer mehr Eigenheiten genommen werden. Fortschritt gelinge nur, wenn man sich auf seine Geschichte und seine Wurzeln besinne. In Zeiten eines "gewaltigen Wertewandels" erfüllt die Trachtenidee seiner Meinung nach die Funktion, den Jugendlichen "die Werte, die uns wichtig sind", mitzugeben.

"Wir brauchen ein Bekenntnis, das uns unterscheidet," betonte auch Heimatminister Markus Söder, der eigens zu dem Treffen angereist war. Das sei gerade in einer globalisierten Welt wichtig. Wie Söder betonte, spielen dabei die Trachtenvereine eine wichtige Rolle. "Bayern ist mehr als ein geografischer Begriff, Bayern ist ein Lebensgefühl." Und die Tracht sei Ausdruck dieses Symbols. In seiner Funktion als Finanzminister versprach er den Zuschuss für die Jugendarbeit um 100 000 Euro aufzustocken.

"Wir dürfen mit gesundem Stolz sagen, ohne die Aktivitäten der Trachtenvereine wäre Bayern kulturell ein viel ärmeres Land", sagte Bertl. Harsche Kritik übte er daran, dass eine Petition an den Landtag eingereicht wurde, Brauereigespanne auf dem Oktoberfestzug zu verbieten, weil sie angeblich nicht tiergerecht seien. Bertl wertete das als massiven Angriff auf die bayerische Kultur. Wie er betonte, hat der Verband hier die Aufgabe, diese Jahrhunderte alte Tradition zu erhalten. Und so gibt es auch für die Flüchtlinge, die den Trachtenvereinen beitreten gewisse Grenzen: "Sie können zu uns kommen, aber Verschleierung gibt es bei uns nicht." Die Trachtler haben feste Kleidervorschriften, die sich von Region zu Region unterscheiden. Auch bei den kirchlichen Festen, an denen sie traditionell teilnehmen, müssten sich die Mitglieder den Gegebenheiten anpassen.

Und so sieht sich der Landesverband mit seinen insgesamt 800 Vereinen und etwa 265 000 Mitgliedern als Schnittstelle zur Politik. Sie wollen dafür sorgen, dass Brauchtum und Kultur erhalten bleibt. In einer globalisierten Welt wird dies immer wichtiger, so das Fazit der Landesversammlung.

Bertl verhehlte nicht, dass die Trachtenvereine, ebenso wie andere Vereine auch, das Problem haben, Vorstandspositionen zu besetzen. Kinder und Jugendliche im Verein zu halten, bereite ebenfalls Schwierigkeiten. Die Trachtler stehen in Konkurrenz zu anderen Vereinen; denn alle würden sich um Nachwuchs bemühen. Wenn man sich aber engagiere und es gut harmoniere, kommen junge Mitglieder wieder zurück, sobald sie selbst Familie haben. Aber das erfordere Idealismus, Zeit und Einsatzbereitschaft der Verantwortlichen. Der Jugendleiter ist daher eine der wichtigsten Positionen im Verein, sagte Bertl.

Der Abbau von bürokratischen Hürden bei Trachtenfesten ist ebenfalls ein wichtiges Ziel des Verbands. Nach vielen Gesprächen mit der Staatskanzlei ist nun nach Angaben des Vorsitzenden ein Sorgentelefon eingerichtet und ein Leitfaden für Vereinsfeiern herausgebracht worden.

© SZ vom 11.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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