Buchheim-Museum:135 Meter ungeordnetes Material

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Das Buchheim-Museum in Bernried zeigt eine Ausstellung über Lothar-Günther Buchheim in seiner Rolle als Kunstsammler und -händler. Johanne Lisewski (li.), die Kuratorin der Ausstellung und die stellvertretende Museumsdirektorin Rajka Knipper präsentieren die Katzenskulpturen von Joseph Victor Bernard. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Provenienzforscherin Johanne Lisewski präsentiert eine Ausstellung, in der sie versucht, die Herkunft diverser Zeichnungen und Aquarelle zu klären.

Von Katja Sebald, Bernried

Man kann einfach Bilder an die Wand hängen. Oder man kann mit Bildern Geschichte und Geschichten erzählen. In der kleinen Studio-Ausstellung "Lothar-Günther Buchheim und der Kunstmarkt" präsentiert Johanne Lisewski, seit 2017 als Provenienzforscherin am Buchheim-Museum, die Ergebnisse ihrer Arbeit so spannend wie einen Krimi.

Die Herkunft der rund 200 Zeichnungen und Aquarelle von Brücke-Künstlern in der Sammlung Buchheim steht im Fokus von Lisewskis aktuellem, dem bisher vierten, Forschungsprojekt. Sie versucht, die Eigentümer jedes einzelnen Blattes möglichst lückenlos bis zu dem Tag zurückzuverfolgen, an dem es das Atelier des Künstlers verlassen hat. Den Schwerpunkt bilden dabei die Besitzerwechsel im Zeitraum von 1933 bis 1945, denn bei der Provenienzforschung geht es darum, NS-Raubkunst zu finden und - soweit möglich - an die Nachfahren der rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben. Teil der Arbeit ist auch die Dokumentation der Recherchen und die Einstufung für jedes einzelne Werk in das vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste vorgeschlagene Ampelsystem zur Identifizierung von NS-verfolgungsbedingtem entzogenem Kulturgut.

Lisewski arbeitet in Bernried unter erschwerten Bedingungen, denn anders als in öffentlichen Sammlungen gibt es hier kein Inventarbuch. Nach dem Tod von Diethild Buchheim im Jahr 2014 ist zwar das Archiv der Eheleute Buchheim in den Besitz des Museums übergangen, es umfasst jedoch 135 laufende Meter weitgehend ungeordnetes Material und muss nach und nach erschlossen werden. "Wir suchen etwas, öffnen eine Schublade und finden etwas ganz anderes", erläutert die stellvertretende Museumsleiterin Rajka Knipper, die für die Archivarbeit verantwortlich zeichnet. Die Grundlage für Lisewskis Recherchen bilden nicht zuletzt rund achtzig laufende Meter Auktionskataloge, die Lothar-Günther Buchheim ab 1945 sammelte. In der Nachkriegszeit begann er, Versteigerungen zu verfolgen und Kunstwerke zu erwerben. Kurzzeitig betrieb er in Frankfurt selbst ein Auktionshaus, später für einige Jahre eine Galerie. In den Katalogen markierte er im Vorfeld die Objekte, die ihn interessierten. Nach der Versteigerung notierte er, was er zu welchem Preis erworben hatte.

"Die Panama Girls'" von Ernst Ludwig Kirchner, gemalt 1910: Es handelt sich nicht um Raubkunst, sondern wurde 1954 von Buchheim bei einer Auktion erworben. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die aktuelle Ausstellung präsentiert nun nicht nur die Kunstwerke selbst, sie ermöglicht stellenweise auch einen Blick auf die Rückseiten, wo sich Beschriftungen, Sammlerstempel, Hinweise auf Ausstellungen und manchmal auch Verkaufspreise befinden können. Die jeweils entsprechenden Dokumente in den Vitrinen, wie etwa die Geschäftsunterlagen von Buchheims "Frankfurter Kunsthaus" oder die Briefwechsel mit Künstlern und Kunsthändlern veranschaulichen auf eindrückliche und zuweilen auch amüsante Weise die Aktivitäten des Kunsthändlers, Kunstsammlers, Kunstautors, Kunstverlegers und Kunst-Schnäppchen-Jägers Buchheim.

"Norwegische Landschaft" von Karl Schmidt-Rottluff (Skrygedal), gemalt 1911 (Öl auf Leinwand: Das Bild erwarb Buchheim 1948 von Hans Warthmann. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
"Vareler Leuchtturm" von Karl Schmidt-Rottluff, gemalt 1909 (Bleistift und Aquarell auf Karton) erstand Buchheim 1950. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Unter den knapp 25 in dieser Ausstellung präsentierten Arbeiten befindet sich ein Aquarell von Erich Heckel, das Buchheim 1963 im Auktionshaus Karl & Faber in München unter dem Titel "In der Bar" kaufte. In einem Brief an Heckel fragte Buchheim später nach dem richtigen Titel des Bildes. Heckel antwortete, dass es "Ballettprobe" heißen müsse, "denn es entstand nach einer solchen in einem Trainingsraum und nicht in einer Bar". Wo dieses Blatt die NS-Zeit überdauerte, ließ sich allerdings bislang nicht klären. Ganz anders ist es bei Emil Noldes Aquarell "Kopfstützende Frau" aus dem Jahr 1911. Das Verkaufsbuch der berühmten Galerie Günther Franke in München dokumentiert die Herkunft direkt aus der Nolde Stiftung Seebüll und den Erwerb durch Buchheim im Jahr 1959 für 8000 DM. Der Kunsthändler verrechnet beim Kauf seinen Anteil für ein von Buchheim erstelltes Beckmann-Farbklischee, das Buchheim wohl für seine 1959 erschienene Monografie über Max Beckmann von einem Bild aus Frankes Sammlung angefertigt hatte.

Immer einen Besuch wert: das Buchheim-Museum in Bernried. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Sehenswert ist diese Ausstellung aber auch und vor allem, weil sie sorgsam ausgewählte und stimmig arrangierte Blätter zeigt, von denen einige noch nie oder nur selten zu sehen waren. Ergänzt wird die feinsinnige Präsentation durch zwei lebensgroße Katzenskulpturen aus Holz von Joseph Victor Bernard: Fotos belegen, dass sie einst Diethild Buchheim in ihrem Arbeitszimmer Gesellschaft leisteten.

Die Ausstellung "Lothar-Günther Buchheim und der Kunstmarkt" ist noch bis Sonntag, 16. Juni, im Buchheim-Museum in Bernried zu sehen.

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