Die evangelische Kirchengemeinde in Berg hat in diesem Monat den Bildhauer Werner Mally eingeladen, in der Reihe "Kunstwerk des Monats" ein Kunstwerk von sich vier Wochen lang im evangelischen Katharina-von-Bora-Haus der Öffentlichkeit zu präsentieren. Mally zeigt seine 2009 gefertigte Skulptur mit dem Titel "Lempp'scher Kreis". Da Mally Mitglied der evangelischen Kreuzkirchengemeinde in München-Schwabing ist, hat ihn interessiert, warum der dortige Gemeindesaal "Albert-Lempp-Saal" heißt.
Wer war Albert Lempp? Geht man dieser Frage nach, weisen die Spuren in die dunkelste Vergangenheit der Deutschen Geschichte. Doch es gab in der NS-Zeit auch mutige Menschen, Menschen wie Albert Lempp. Zu Berg hatte Lempp, der in München lebte, auch eine innere Bindung. Denn hier besaß er ein Sommerhaus, das noch heute im Besitz der Familie ist.
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Während sich evangelische Kirchen in Deutschland als Institution dem Unrecht des NS-Staats nicht widersetzten, war Albert Lempp schnell klar, dass diese Haltung im Widerspruch zur Botschaft des Christentums stand. So wie er dachten auch andere. Bald bildete sich ein Kreis aus evangelischen Laien und Theologen um ihn. Lempp wurde zum Verleger der Bekennenden Kirche, da er in München den Christian Kaiser Verlag und die Buchhandlung Kaiser besaß.
Die Treffen des "Lempp'schen Kreises" fanden reihum in den Privatwohnungen der Mitglieder statt - meist aber bei Albert und Maria Lempp in der Isabellastraße im Stadtteil Schwabing. Offiziell wurden die Zusammenkünfte als "Bibelstunden" deklariert. Und natürlich versuchte man auch von der Bibel aus Antworten auf die drängenden Fragen jener Zeit finden. Denn die Mitglieder des Kreises waren sich über das große Unrecht, das der jüdischen Bevölkerung von den Nationalsozialisten angetan wurde, völlig im Klaren.
Die als "Bibelstunden" getarnten Zusammenkünfte entwickelten sich mit der Zeit zu regelrechten konspirativen Treffen, bei denen über konkrete Möglichkeiten der Hilfe für Juden nachgedacht wurde. Einige Mitglieder haben Juden aktiv beim Untertauchen geholfen. Der Kreis um Albert Lempp informierte sich auch nicht über die von den Nationalsozialisten gleichgeschalteten Medien, sondern hörte BBC und den Schweizer Rundfunk.
Albert Lempp fiel unter anderem die Aufgabe zu, sich mit dem Ehemann des Dienstmädchens zu treffen, der als Zollbeamter in Ischgl in Tirol arbeitete. Er half ihm Grenzübertritte über Landeck in der Schweiz zu organisieren und so Kontakte zu weiteren Judenhelfern im Ausland zu knüpfen. Ein gefährliches Unterfangen.
Zu den mutigsten Zeugnissen evangelischer Christen gegen die Judenverfolgung zählt gewiss die Osterbotschaft Münchner Laien. An deren Entstehung im Frühjahr 1943 hatte auch Albert Lempp mitgewirkt. Die Osterbotschaft wurde im April 1943 an Landesbischof Hans Meiser übergeben. Meiser hatte sich jedoch weder zur Veröffentlichung des Textes noch zu dessen Kanzelabkündigung durchringen können. Dennoch wirkte das Dokument auf unterschiedlichen Wegen weiter: Es wurde anderorts nachgedruckt und verlesen.
Albert Lempp starb im Juni 1943 nach einem Schlaganfall
Im August 1943 haben die Nationalsozialisten den Verlag und die Buchhandlung Lempps geschlossen. Kurz darauf, am 9. Juni 1943, starb Lempp an den Folgen eines Schlaganfalls, den er beim Fahrradfahren auf der Strecke zwischen München und Berg erlitten hatte. In diesen Tagen wäre er 140 Jahre alt geworden. Die Skulptur mit dem Titel "Lempp'scher Kreis" soll an seinen Geburtstag erinnern.
An dieser Stelle sei mehr über Werner Mally erzählt, der die Skulptur geschaffen hat. Der Bildhauer hat schon zahlreiche sakrale Räume gestaltet - darunter auch in Klinikgebäuden. Zudem schuf er verschiedene Gedenkskulpturen. Mally kam 1955 in Karlsbad in der Tschechoslowakei zur Welt. Seit 1966 lebt er in der Bundesrepublik. Er studierte Grafikdesign an der Fachhochschule München und anschließend Bildhauerei an den Akademien in München und Wien. 1990 erhielt er den Debütantenpreis des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst.
1999 wurde er mit dem Kunstpreis der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern ausgezeichnet. Seine Arbeiten waren in zahlreichen Ausstellungen zu sehen und befinden sich in öffentlichen wie privaten Sammlungen. Seit 2009 arbeitet er an Skulpturen aus den zerschnittenen Sitzschalen des Stuhls 3107, ein Designklassiker von Arne Jacobsen aus den Fünfzigerjahren. Auch der "Lempp'sche Kreis" entstand aus einer solchen Sitzschale.