Kultur:Blumige Kunst in Berg

Lesezeit: 3 Min.

Petra Bauer-Wolfram hat die Lebens- und Todeslinie ihrer verstorbenen Mutter nachgezeichnet. (Foto: Nila Thiel)

Der Künstlerinnenkreis "Social Art" veranstaltet im Schloss Kempfenhausen Matineen. Dort sind vielfältige Kunstwerke zu sehen, die das Leben, den Tod und die Natur thematisieren. Die Künstlerinnen verbinden gleich mehrere Gemeinsamkeiten.

Von Pauline Graf, Berg

In einem gleichmäßigen Zickzack-Muster bahnt sich ein roter Bindfaden seinen Weg durch die Postkarten, die allesamt Fotos oder Zeichnungen von Rosen zeigen. An dem linken Faden hängen Rosen-Postkarten mit Glückwünschen zum Geburtstag - auf den Postkarten, die den rechten Strang bilden, liest man "mein Beileid". Links die Lebens-, rechts die Todeslinie von Petra Bauer-Wolframs verstorbener Mutter. Die Mutter habe Rosen geliebt, erklärt die Künstlerin und rückt einen verrutschten Bindfaden zurecht. Dieses Postkarten-Kunstwerk hat die 62-Jährige ihrer Mutter posthum gewidmet, ein Jahr nach deren Tod. Bei der Bewältigung der Trauer habe die Arbeit daran "sehr geholfen".

Es ist ein grauer Novembersonntag, an dem sechs Künstlerinnen von "Social Art" im Schloss Kempfenhausen ihre blühende Kunst in einer Matinee zeigen. "A Part of", "ein Teil von" heißt die Ausstellung, fast alle Werke zeigen einen Teil der Natur: Close-up-Fotografien von Baumpilzen und Libellen im Obergeschoss, das Gemälde eines unruhigen grün-blauen Sees, Holzschnitte von Blumen, getrocknete Blütenblätter im Zwischengeschoss des Schlosses.

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Maria Stepan-Bohn steht vor ihrem Gemälde "Aus der Asche", das verblühte Blumen zeigt. "Wir sind Teil von ganz vielem", sagt sie. "Aber vor allem sind wir Teil der Natur. Natur, die wir schützen müssen." Werke beigetragen haben neben Petra Bauer-Wolfram und Maria Stepan-Bohn auch Christa Böhm, Katharina Cull-Hamberger, Ursula Duch und Irmgard Haas. Alle sechs Frauen kommen aus dem Raum München, waren mal im sozialen Bereich tätig, sind über 60 Jahre alt und treffen sich monatlich zum Künstlerinnenkreis "Social Art".

An dem grauen Novembersonntag teilt sich die Kunst das Schloss Kempfenhausen mit den Zeitschreiberinnen, einer Schreibgruppe des Evangelischen Bildungswerks München, die eine Lesung halten. "Geteilte Räume teilen, Teil, wie in ,A Part of' - das ergänzt sich gut", sagt die Künstlerin und ausgebildete Sozialpädagogin Bauer-Wolfram. "Im Obergeschoss die Lesung, Sekt und Salzstangen, im Zwischengeschoss Rooibostee und Kuchen - und im ganzen Haus verteilt unsere Kunst."

Aus alten italienischen PET-Flaschen hat Katharina Cull-Hamberger Blumen geschaffen, die sie im Parterre des Schlosses ausstellt. In den blauen Vasen, ehemaligen Verpackungen von Waschmittel, sehen die unter starker Hitze schwungvoll geformten PET-Blüten fast gläsern aus. "Ich treibe mich viel auf Trödelmärkten herum, da kommen mir solche nachhaltigen und fröhlichen Einfälle", sagt Cull-Hamberger und lacht.

Petra Bauer-Wolframs Postkarten beschäftigen sich mit Leben und Tod - und damit auch mit der Natur. (Foto: Nila Thiel)

Nicht alle Kunst ist fröhlich, nur weil sie blumig ist. Neben der Lebens- und Todeslinie für die verstorbene Mutter von Bauer-Wolfram haben auch andere Werke "die Ernsthaftigkeit, die sie brauchen, um die Natur in ihrer Vielfältigkeit abzubilden", erklärt Ursula Duch. Seit 23 Jahren ist die ehemalige Finanzbeamtin in der Gruppe, heute stellt sie Holzdrucke und schwarz-weiß-Fotografien aus. Was lässt sie an der Künstlergruppe festhalten? "Die Gemeinschaft. Für mich sind die Künstlerinnen nicht nur Kolleginnen, sondern Freundinnen."

Bei dem Verweis auf das "gemeinsame Hobby", Kunst zu schaffen, unterbricht die 74-Jährige: "Na, das ist nun wirklich mehr als ein Hobby. Die Kunst und die anderen Frauen haben mir durch Krisen und traurige Zeiten geholfen." Kunst sei ihr Weg zur Selbstheilung, genauso wie die Todes- und Lebenslinien aus Postkarten zur Selbstheilung für Bauer-Wolfram wurden.

Gegen Ende der Matinee stehen Petra Bauer-Wolfram und Ursula Duch umgeben von ihrer Kunst im Gespräch im Erdgeschoss des Schlosses. Für wen machen sie denn nun Kunst? Für sich, für die besagte Selbstheilung - oder für gut besuchte Matineen wie diese? Duch antwortet schnell: "Für mich, nur für mich. Ich muss hinter meinen Werken stehen, mein Name steht schließlich unter ihnen."

Ausstellungen wie diese seien ein Bonus. "Ich weiß, dass ich nicht sehr gefällige Kunst mache. Lieber mache ich Kunst, die aufrüttelt. Auch politische Kunst interessiert mich. Aber ich stelle hier keine Werke für die Wand im Wohnzimmer aus." Da fällt ihr Bauer-Wolfram ins Wort: "Entschuldige, Ursula, ich würde mir deine Kunst sofort ins Wohnzimmer hängen!" Aber am besten geht die Kunst zwischen den Freundinnen auf, hier im Schloss Kempfenhausen - als "a Part of", ein Teil vom vielfältigen Social-Art-Gesamtkunstwerk.

Bei Privatveranstaltungen im Schloss Kempfenhausen ist die "Social Art"-Ausstellung jederzeit zu besichtigen. Die nächste und letzte öffentliche Matinee findet am 17. Dezember statt, bei der Schlossherr Oliver Materna sechs der Kunstwerke zur Versteigerung anbietet. Erlöse werden an das Inklusionsprojekt "Bayerns beste Gipfelstürmer" gespendet.

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