Mitten in Starnberg:Wenn die Bürokratie Familien trennt

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Unter Zuzugs- und Baudruck: Das Starnberger Einheimischenmodell am Wiesengrund war von Beginn an von Widrigkeiten gekennzeichnet. (Foto: Georgine Treybal)

Kommunen müssen die Beförderungspflicht für Grundschüler übernehmen, wenn diese weiter als zwei Kilometer von der Schule entfernt wohnen. Manchmal aber verläuft diese Grenze etwas unglücklich.

Glosse von Linus Freymark, Starnberg

Die Bürokratie nimmt ja mitunter groteske Auswüchse an. Hier müssen Mindestabstände auf den Zentimeter genau geregelt sein, dort das fünfzehnte Gutachten eingeholt werden, damit mal was vorangeht. Kurzum: Das Land reguliert sich in vielen Bereichen zu Tode. Die dafür verantwortlichen Vorschriften entstehen meist in Ministerien und Behörden, aus dortiger Sicht ergeben die Regelungen vielleicht einen Sinn. In der Praxis aber ist das, was sich die Herrschaften in Berlin oder München so ausdenken, oft völlig unbrauchbar.

Ein Beispiel, das gerade in Starnberg aktuell ist: die bayerische "Verordnung über die Schülerbeförderung (Schülerbeförderungsverordnung - SchBefV)". Darin ist in Paragraf 2 geregelt, dass die Kommune dafür verantwortlich ist, dass Grundschüler mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder Schulbussen eine Möglichkeit haben, zum Unterricht zu kommen, sofern sie mehr als zwei Kilometer von ihrer Sprengelschule entfernt wohnen. Und jetzt kommt's: Als die Stadt geprüft hat, ob es für die Grundschule Starnberg Schulbusse braucht, hat man festgestellt: Die Zwei-Kilometer-Grenze verläuft exakt durch das Neubaugebiet am Wiesengrund, wo viele Familien wohnen.

Die Folgen dieses bürokratischen Grabens mag man sich gar nicht ausmalen: Zwei Freunde etwa, die morgens fröhlich zur Schulbushaltestelle laufen - einsteigen darf dann aber nur der, dessen Eltern so klug waren, bei der Wohnungswahl die Entfernung zur Schule zu bemessen. Der andere muss schauen, wo er bleibt. Und wie wäre das eigentlich bei Geschwistern mit getrennten Zimmern? Verläuft die in der SchBefV festgelegte Grenze auch innerhalb von Häusern und Wohnungen? Auf diese Abkürzung muss man übrigens auch erst mal kommen, wer soll das denn aussprechen können? SchBefV - daran scheitert wahrscheinlich der Erfinder selbst.

Fragen über Fragen, mit denen sich die Starnberger Stadträte nicht auseinandersetzen wollten. Ist wahrscheinlich auch förderlicher für das mentale Befinden. Den Schulbus jedenfalls haben sie kurzerhand gecancelt - was allerdings weniger an der SchBefV lag, sondern mehr an den Kosten und dem bereits bestehenden Linienbus-Angebot. Und für den Fall, dass der Schulbus genehmigt worden wäre, hatte sich die Stadtverwaltung auch schon etwas ausgedacht: Das gesamte Wohngebiet am Wiesengrund wäre dann als beförderungspflichtig eingestuft worden. Die SchBefV wäre also einfach mal so außer Kraft gesetzt und die Bürokratie praxistauglich gemacht worden. Wie gut, dass der Erfinder der Zwei-Kilometer-Grenze das nun nicht mitbekommen wird.

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