Ausstellung:Hin zum Gesamtkunstwerk

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Bei den "Offenen Ateliers" in Starnberg, Pöcking und Feldafing setzen Aussteller wie Ulrike Prusseit, Patricia Lincke, Susanne Mansen und Ute Beck ihre Arbeiten effektvoll in Szene. Werkstattatmosphäre ist ebenfalls geboten

Von Katja Sebald, Starnberg

Das Bad im Jungbrunnen hat fast zwei Jahre lang gedauert, jetzt sind die Künstlerinnen der Gruppe "Offene Ateliers" erfrischt wieder aufgetaucht: Nach der unfreiwilligen Corona-Pause im vergangenen Jahr, der auch das gemeinsame Motto "Jungbrunnen" zum Opfer gefallen ist, sind nun wieder an zwei Wochenenden zwölf verschiedene Ausstellungsorte in Starnberg, Pöcking und Feldafing geöffnet. Zu sehen sind insgesamt 18 Positionen zu Malerei, Zeichnung, Collage, Bildhauerei, Keramik, Objektkunst, Schmuck, Fotografie, Video und Installation.

Reizvolle Kontraste: Ute Beck und Susanne Mansen stellen in einem alten Industriegebäude in Possenhofen aus. (Foto: Arlet Ulfers)

Anders als auf der gegenüberliegenden Seeseite, wo man den Künstlern bei den Ateliertage buchstäblich über die Schulter schauen und Kunst am Ort ihres Entstehens erleben kann, gibt es am Westufer seit einigen Jahren die Tendenz, nicht die eigentliche Atelier- oder Werkstatttür zu öffnen, sondern die Kunst möglichst effektvoll in Szene zu setzen. Auf besonders spannende Weise geschieht dies heuer in der Possenhofener Straße in Starnberg bei der Malerin Ulrike Prusseit, die über ein "Schauatelier" verfügt. Zusammen mit der Münchner Künstlerin Patricia Lincke, die bei ihr als Gast ausstellt, hat sie diesen Raum in ein Gesamtkunstwerk verwandelt, in dem die Grenzen zwischen Artefakt und Innenarchitektur, zwischen Fiktion und Realität, zwischen Malerei, Fotografie, Collage und Objekt - und nicht zuletzt zwischen Prusseit und Lincke verschwimmen.

Dieses Brustbild-Triptychon stammt von Patricia Lincke. (Foto: Arlet Ulfers)

Lange bestimmten Kleider und weibliche Accessoires die dekorativen Bildwelten von Ulrike Prusseit. In den neueren Arbeiten, die in beeindruckender Vielzahl während des langen Lockdowns entstanden und die mit "Me in my Box" überschrieben sind, gibt es immer noch verführerisch tiefgründige Farbklänge. Von den schönen Frauen in schönen Kleidern sind jedoch nur noch Fragmente übrig geblieben: Figuren und Torsi sind verwundet, geflickt und bandagiert. Die Künstlerin will diese Arbeiten als "Versuche und Übungen" verstanden wissen, sich nach der Pandemie neu zusammenzusetzen. Buchstäblich betörend sind vor diesen Bildern und Collagen die Objekte und Videos von Patricia Lincke, in denen es immer wieder um die weibliche Brust geht, die unendlich zart und weich unter einem Glassturz ruhen darf, sachte in Gaze gepackt wird oder prall, rund und fast aggressiv auf dem Bildschirm aufploppt.

Ulrike Prusseit und ihr Gast Patricia Lincke laden in ihr Starnberger "Schauatelier" ein. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Malerin Susanne Mansen und die Keramikerin Ute Beck präsentieren ihre Arbeiten auch in diesem Jahr in dem aufgelassenen Industriegebäude hinter dem Possenhofener Bahnhof, dessen grauer Betoncharme einen besonders reizvollen Kontrast zu den dekorativen Gefäßen mit der metallischen Glanzhaut und den ebenso starkfarbigen wie feinsinnigen Bildgeschichten darstellt. Eher kunsthandwerklich geht es in dem ehemaligen Ladengeschäft an der Feldafinger Bahnhofsstraße zu, in dem Johannes Hofbauer seine Holzobjekte und Anja Weller ihre Schmuckkunst präsentieren. Hier gibt es auch ein Wiedersehen mit den subtil schwarz-weißen Gemälden von verfallenden Industrieanlagen, für die der Feldafinger Künstler Peter Schaller seit langem gerühmt wird.

Die Bubble- und die Busenvase sind Arbeiten von Ute Beck und Susanne Mansen. (Foto: Arlet Ulfers)

Aber natürlich kann man auch echte Arbeitssituationen und Werkstattatmosphäre erleben: In Niederpöcking etwa öffnet Ursula Steglich-Schaupp ihr Dachatelier und zeigt großformatige neue Gemälde sowie eine Serie von Zeichnungen, die während des Lockdowns entstanden sind. Hier darf man in Mappen blättern und kann auch unter den älteren Arbeiten neue Entdeckungen machen. Im Atelier von Nataly Maier in Starnberg hängt neben einer Serie von kleinen Landschaften ein Zettel mit der Aufschrift: "Bitte nicht berühren, die Bilder trocknen noch." Wenn die Künstlerin, die etwa die Hälfte des Jahres in Mailand lebt, in den Sommermonaten in Starnberg ist, entstehen beinahe täglich neue Eindrücke vom Blick über den See, die mit wenigen abstrakten Mitteln einen Raum- und vor allem einen verblüffenden Wiedererkennungseffekt erzeugen. Zu den neueren Arbeiten gehören auch Stillleben von fast haptischer Qualität, die sehr überzeugend malerisches Können vorführen.

Ebenfalls in Starnberg präsentiert Katharina Kreye neue Fotoarbeiten, in Pöcking zeigt Julius Wurst Wachsbilder, Objekte und Installationen, in Niederpöcking öffnet Helga Henckmann ihre Tür. In Feldafing ist nicht nur das Atelierhaus von Susanne Palme-Waldemer geöffnet, auch Mario Sprinz beteiligt sich erstmals als Gastaussteller. Das einstige Atelier von Gunther Radloff kann man ebenso besuchen wie das Palmenhaus der Villa Waldberta, wo Stipendiaten der Stadt München ihre Arbeiten zeigen.

Die "Offenen Ateliers" sind noch einmal an diesem Samstag und Sonntag von 14 bis 19 Uhr zu besichtigen. Alle Adressen mit Lageplan unter www.offene-ateliers-starnberg.de.

© SZ vom 30.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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