Ausstellung:Die Ästhetik der Zerstörung

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Der Fotograf Tom Hegen zeigt in seinen Luftaufnahmen, was der Mensch mit seiner Umwelt anrichtet. Die zum Teil schrecklichen Wunden in der Landschaft wirken oft wie kunstvolle Anordnungen. Die Bilder sind ein Appell, die Erde zu schützen

Von Katja Sebald, Gauting

Die Welt versinkt und verbrennt gleichzeitig. Jetzt kann es wirklich niemand mehr leugnen: Der Mensch ist dabei, seinen Lebensraum zu zerstören. Das trifft bei weitem nicht nur auf abschmelzende Gletscher und gerodete Regenwälder zu. Nein, auch und gerade in Deutschland gibt es kaum mehr ein Fleckchen unberührter Natur. "Habitat - Vom Menschen geprägte Lebensräume" heißt die Fotoausstellung von Tom Hegen, die derzeit im Kulturhaus Bosco in Gauting zu sehen ist.

Der Raubbau des Menschen am Planeten Erde ist seit Jahren das Thema des Fotografen und Grafikdesigners Hegen. Das Erstaunliche an seinen Luftaufnahmen, die vom Hubschrauber aus oder mit Hilfe einer Drohne entstehen, ist vor allem, dass sie die Zerstörung der Natur in höchst ästhetischen Bildern zeigen. Die Schneisen von Straßen, Brücken, Bahnlinien, ja sogar die schrecklichen Wunden, die Staudämme, Bergwerke, Bohranlagen und Abraumhalden in die Landschaft reißen, wirken aus der Vogelperspektive wie kunstvolle Anordnungen. In der modernen Landwirtschaft werden Ackerfurchen und Anpflanzungen mit mathematischer Genauigkeit so schnurgerade angelegt, dass sie mit großen Erntemaschinen mit ebensolcher Genauigkeit bearbeitet werden können. Selbst im Wald müssen die Bäume in Reih und Glied wachsen, denn sie sind nichts als Rohstoff für die Holzindustrie. Von oben betrachtet, sieht das aus, als übe Gott sich in abstrakt-geometrischer Malerei. Fast könnte man meinen, es ist alles in "schönster Ordnung".

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(Foto: Arlet Ulfers)

Von oben betrachtet...

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(Foto: Arlet Ulfers)

...entfalten die Eingriffe des Menschen in die Natur...

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(Foto: Arlet Ulfers)

...eine ganz besondere Wirkung.

Tom Hegen wurde 1991 in Augsburg geboren. Er studierte Kommunikationsdesign und lebt heute als Grafiker und Fotograf in München. Seine Leidenschaft für Fotografie und Natur entwickelte sich in Neuseeland, wo er seinen Zivildienst absolvierte. Dass sich vom Menschen kultivierte und veränderte Landschaften von oben betrachtet in einen schön gewebten Teppich verwandeln, weiß jeder, der einmal im Flugzeug aus dem Fenster geblickt hat. Hegen wendet darüber hinaus für seine vielfach ausgezeichneten Fotoserien die Gestaltungsprinzipien der visuellen Kommunikation an. Jedes seiner Bilder wirkt sorgfältig komponiert, aufgeräumt und bis ins letzte Detail bearbeitet. Es geht ihm jedoch um viel mehr als um ästhetische Bilder. Die Schönheit dient ihm nur als "Lockmittel", wie er selbst sagt, um auf die gravierende Umweltzerstörung aufmerksam zu machen. Im Text zur Ausstellung zitiert er Georg Gerster, einen der Pioniere der Luftbildfotografie: "Höhe schafft Übersicht, Übersicht erleichtert Einsicht und Einsicht erzeugt - vielleicht - Rücksicht."

Alle jetzt in Gauting gezeigten Aufnahmen entstanden für den 2018 erschienenen gleichnamigen Bildband. Die Ausstellung folgt den Kapitelüberschriften des Buchs und endet ebenfalls mit dem Aufruf: "Was uns wertvoll sein sollte." Die Texttafeln weisen darauf hin, dass allein in Deutschland die Verkehrswege so lang sind wie eine Reise zum Mond und zurück, dass mehr als die Hälfte der Landfläche für Landwirtschaft genutzt wird und nur noch 0,6 Prozent als vom Menschen unberührt gelten können. Hegen schreibt: "Wir haben nur diese eine Erde. Deshalb sollten wir sie achten, schützen und erhalten, solange das noch möglich ist. Über das Wissen, die Technologie und die Kraft dazu verfügen wir. Fangen wir jetzt damit an!"

Der Fotograf Tom Hegen mit seinen Arbeiten im Gautinger Bosco. „Habitat – Vom Menschen geprägte Lebensräume“, heißt die Ausstellung. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Ausstellung von Tom Hegen ist noch bis zum 22. März zu den Öffnungszeiten des Bosco und während der Abendveranstaltungen zu sehen.

© SZ vom 11.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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