Klimaschutz:In den Wald statt ins Büro

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Nelson Killius, Sprecher der Geschäftsführung von M-net, und Simon Tangerding (Landesgeschäftsführer der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald) werden von "Forest" Patrik Hnath beim Aufforsten moralisch unterstützt. (Foto: Arlet Ulfers)

M-net will in Tutzing mehr als 1000 Bäume pflanzen, um als klimaneutrales Unternehmen zertifiziert zu werden. Wie das bei den Mitarbeitern ankommt? Ein Treffen mit Schaufeln und Baumkostüm im Grünen.

Von Armin Greune, Tutzing

Patrik Hnath ist an diesem heißen Vormittag nicht um seine Rolle zu beneiden. Er ist in das sperrige "Forest"-Kostüm geschlüpft und muss im sonnigen Kirchenwald zwischen Tutzing und Obertraubing einen Baum verkörpern. Wenn er seinen schweren Kronenhelm absetzen darf, sieht man, wie das Wasser auf seiner Stirn glänzt. Dennoch hat sich der Azubi des Telekommunikationsanbieter M-net heute freiwillig zum Dienst an der PR-Front gemeldet, um das Klimaschutzengagement der Firma über Funk, Presse und soziale Medien in die Öffentlichkeit zu tragen.

Offenbar brennen auch viele andere Mitarbeiter des Glasfaseranbieters darauf, im Wald zu schuften und zu schwitzen. Nelson Killius, Sprecher der M-net Geschäftsführung, betont jedenfalls den Druck, den vor allem junge Angestellte ausübten, um das Forst-Projekt der Firma voranzutreiben. Die handfeste Arbeit mit Schaufel und Hacke im Grünen ist willkommener Ausgleich zur Büroarbeit am Bildschirm, das Wirken im Team macht den Knochenjob zum Spaßevent. Und alles geschieht im Bewusstsein, etwas Sinnvolles für den Klimaschutz beizutragen.

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Der aufgelockerte, lichtdurchflutete Wald an der Kustermannstraße mit einigen hochgewachsenen Kiefern und vielen halbstarken Fichten auf bemoostem Boden mag Laien einen schönen Anblick bieten. Er ist jedoch alles andere als für die Klimakrise gewappnet oder für den Standort geeignet. Es fehlt an Jungwuchs und die Fichte, vormals "Brotbaumart" des Alpenvorlands, ist gerade auf diesem staunassen Boden durch Windwürfe, Trockenperioden und Borkenkäfer bedroht. "Es gibt hier sehr viel zu tun", findet Simon Tangerding, Geschäftsführer des Landesverbands Bayern der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald.

Aber was? Von einem "Aufforstungsprojekt" ist im M-net-Presseschreiben die Rede - aber eigentlich müsste man hier eher das Gegenteil anstreben, erläutert der Diplom-Forstwirt. Nach dem Krieg sei dieses Feuchtgebiet durch das Anlegen von Gräben und die Pflanzung von Fichten trockengelegt worden. "Aus heutiger Sicht sollte man diesen Prozess zurückentwickeln", sagt Tangerding. Dessen ungeachtet sind bereits einzelne junge Tannen, Ahorne, Eichen und Buchen mosaikartig in den Altbestand gesetzt worden. Noch heuer sollen die eifrigen M-net-Aktivisten mehr als tausend junge Bäume auf dem elf Hektar großen Areal pflanzen.

Gruppenbild mit Tannensetzling: Diplom-Forstwirt Simon Tangerding und M-net-Chef Nelson Killius zeigen dem stellvertretenden Landrat Mathias Vilsmayer und Tutzings Bürgermeisterin Marlene Greinwald (von links) frisch gepflanzten Nachwuchs. (Foto: Arlet Ulfers)

Ein Moor wäre als Kohlenstoffspeicher zwar viel effizienter als ein Wald, aber in Tutzing seien dafür "vielleicht die Niederschläge zu gering", mutmaßt Tangerding. Vor allem aber wäre die Wiedervernässung mit einem komplizierten wasserrechtlichen Verfahren verbunden. Das kann sich - wie etwa im Gilchinger Wildmoos - über Jahrzehnte hinziehen, bestätigt Mathias Vilsmayer. Er repräsentiert als stellvertretender Landrat mit Tutzings Bürgermeisterin Marlene Greinwald die Kommunalpolitik bei der Vorstellung des Projekts.

Wie Tangerding erklärt, wurde das Waldstück nach einem "kleinen Bewerbungsprozess" ausgewählt. Es ist im Eigentum der katholischen Kirchenstiftung, der jedoch Mittel und Personal fehlten, die Bestände klimaresilient umzugestalten. Auch ein waldbauliches Konzept hat die Diözese dazu noch nicht vorgelegt, aber die künftige Bewirtschaftung solle "an die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung angepasst werden", sagt Tangerding. Sie orientiere sich also am Gemeinwohl und nicht etwa am wirtschaftlichen Ertrag, auch wenn "der Altar in Tutzing ein Anrecht auf das Holz hat".

M-net ist der erste klimaneutrale Telekommunikationsanbieter in Deutschland

Mit der finanziellen und tatkräftigen Unterstützung des Projekt handle man "nicht nur altruistisch", räumt Killius ein. M-net wirbt damit, der erste klimaneutrale Telekommunikationsanbieter in Deutschland zu sein. Die vor zweieinhalb Jahren erfolgte Zertifizierung des Unternehmens soll Mitarbeiter motivieren und Kunden fangen. M-net hat 2021 einen Umsatz von 274 Millionen Euro erzielt, 850 Mitarbeiter stehen mehr als einer halben Million Geschäfts- und Privatkunden gegenüber. Klimaschutz ist ein gewichtiges Argument um die Position auf dem Markt zu stärken, denn die Treibhausgasemissionen durch Internet und Computer werden höher als die des weltweiten Flugverkehrs eingeschätzt.

Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen, das den Stadtwerken München, Augsburg und Erlangen sowie drei weiteren bayerischen Regionalversorgern gehört, seine Emissionen von 2019 bis 2022 um 90 Prozent reduziert. Um für die Zertifizierung die immer noch verbliebenen 826 Tonnen CO2-Äquivalente zu kompensieren, wurde etwa ein Trinkwasserprojekt in Madagaskar gefördert. Mit Aufforstungsprojekten von klimaresilienten Wäldern in Bayern will M-net nun auch in der Heimat zum Klimaschutz beitragen. Nach einem Pilotprojekt im Osten Münchens 2022 ist die Aktion in Tutzing nun die erste auf mehrere Jahre angelegte Zusammenarbeit mit der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald.

Auf der Fläche soll ein vielfältiges Mosaik von Lebensräumen entstehen, das "auch Freiräume für den Eichelhäher lässt", sagt Tangerding. Auf die M-net-Teams warten nicht nur Pflanzarbeiten. Damit die jungen Tannen und Laubbäume nicht vom Wild verbissen werden, sollen sie etwa den Jägern die Arbeit erleichtern und einen Hochsitz bauen. Der Chef hat schon zugesagt, selbst im "M-net-Wald" mit Hand anzulegen, zumal Killius demnächst in die Umgebung ziehen wird.

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