Asyl:Hiobsbotschaft im Deutschunterricht

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Gegen die Abschiebung von Flüchtlingen nach Afghanistan gab es Demonstrationen am Münchner Flughafen. (Foto: dpa)

Eine Flüchtlingsfamilie, die sich in Stockdorf gut eingelebt hat, soll nach Afghanistan abgeschoben werden. Die Begründungen der Behörden klingen für den Helferkreis zynisch. Nun ist Klage eingereicht worden

Von Christian Deussing, Stockdorf

Afghanische Asylbewerber, die im Landkreis Starnberg leben, haben akute Angst davor, abgeschoben zu werden. Nun hat es ein Ehepaar mit zwei kleinen Kindern getroffen. Die junge Familie war nach zweimonatiger Flucht im Oktober 2015 in einer Stockdorfer Asylbewerber-Unterkunft angekommen und hat sich seither in dem Ort gut eingelebt, wie Jutta Jecht vom Asylhelfer-Kreis berichtet. Doch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hat den Antrag der Familie abgelehnt. Sie ist verzweifelt. Getroffen hat es auch den älteren Bruder, der in Herrsching in einer Unterkunft lebt.

Der 25-jährige Familienvater aus dem Stockdorfer Flüchtlingsheim hat sofort Klage beim Verwaltungsgericht München gegen den Ablehnungsbescheid eingereicht. Sonst hätten die Asylbewerber in spätestens sechs Wochen Deutschland verlassen müssen, wohin sie vor den Taliban in Tagab und Bagram geflohen waren. Sie sollen dort von den Gotteskriegern als "Verräter" verfolgt und bedroht worden sein. Die Aussagen zweifelt das Bundesamt offenbar an, dessen Motto lautet: "Den Menschen im Blick. Schützen. Integrieren." Für die abgelehnten Asylsuchenden muss der Slogan wie Hohn klingen. Und sicher auch Begründungen wie im Bescheid an die Familie, in dem es unter anderem heißt: "Auch die Tatsache, dass die Antragsteller offensichtlich in der Lage waren, erhebliche Mittel für ihre Ausreise aufzubringen, spricht gegen das Fehlen einer Unterstützung im Herkunftsland." Laut Anhörungsprotokoll haben die Brüder ihr Geschäft und Motorrad verkauft, um die "Reise zu finanzieren".

Auch für die Flüchtlingshelfer klingen die behördlichen Begründungen willkürlich und zynisch. Bei jungen Familien aus dem selben Land sind zumindest Abschiebeverbote erlassen worden. Im Fünfseenland war dies bislang 20 Mal der Fall. 29 Afghanen sind hier überdies als Asylbewerber anerkannt worden. In Stockdorf warten jetzt noch zwei Flüchtlingsfamilien aus Afghanistan auf die Entscheidung des Bundesamtes. Seit dem aktuellen Fall mit noch größerem Bangen. Der 25-jährige Vater saß am Freitag in einem Deutschkurs, als ihn die Hiobsbotschaft ereilte. Der Flüchtling könne schon recht gut Deutsch sprechen, denn er habe eifrig und erfolgreich an den Kursen teilgenommen, sagen seine Betreuer. Er sei "anpassungsfähig", wolle eine kaufmännische oder handwerkliche Ausbildung machen und sich hier eine sichere Zukunft aufbauen.

Nun sei aber die Familie sehr traurig und unglücklich, als Flüchtlinge abgelehnt worden zu sein, sagt Jutta Jecht, die Koordinatorin vom Helferkreis. Es gebe jedoch gute Chancen, mit dem juristischen Einspruch den Asylaufenthalt der Familie zu erwirken. "Hoffen wir mal, dass es gut ausgeht", betont die Stockdorferin, die mit anderen Unterstützern insgesamt 70 Asylbewerber betreut. Jecht berichtet zudem von einer vierköpfigen Familie, die wenigstens einen Flüchtlingsstatus erhalten habe - allerdings ist eines der Kinder jetzt 18 Jahre alt und müsse womöglich allein zurück.

© SZ vom 28.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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