Musik aus Bayern:"Ich sehe viel mehr Männer auf der Bühne"

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Grüne Geige, rote Haare - das sind die Markenzeichen von Monika Drasch. Sie vereint in ihrer Musik Tradition, biblische Bezüge und politische Botschaften - und macht dabei neben untergegangenen Liedern auch eine fast vergessene Schriftstellerin sichtbar.

Von Simon Sales Prado, Andechs

Sie wollte ausbrechen. Sie wollte lesen, schreiben, dichten, und schon als Kind soll sie sich für Latein interessiert haben. Emerenz Meier (1874 - 1928), eine der einflussreichen süddeutschen Schriftstellerinnen des frühen 20. Jahrhunderts, hat man für ihre Interessen aber verspottet. Meier ging vom bayerischen Land in die Stadt, später wanderte sie aus finanziellen Nöten in die USA aus. Aber auch dort blieb der wirtschaftliche Aufschwung aus. Als wäre das nicht genug, verlernte sie im neuen Land nach und nach auch noch ihre Sprache, bevor sie im Alter von nur 53 Jahren starb.

"Mich haben diese Themen sofort elektrisiert", sagt Monika Drasch. Mit diesen Themen meint die Musikerin: die Geschichte des Auswanderns und Fremdseins, den Zusammenhang zwischen Sprache und dem Gefühl der Zugehörigkeit, den Kampf einer Frau, die sichtbar sein und gehört werden wollte. Und natürlich die Frage, wie ein Zuhause aussehen kann, wenn man weit weg von dem Ort ist, an dem man aufgewachsen ist. "Emerenz Meier hat immer sich auf die Seite der Unterdrückten und Armen geschlagen, sie hat politische Sachen geschrieben und beobachtet", sagt Drasch.

Vor vielen Jahren hat eine Freundin Monika Drasch ein Buch geschenkt: der Briefwechsel zwischen Emerenz Meier und einer Freundin. Drasch faszinierte der Alltag einer Auswandererfamilie, die Meier in den Briefen beschreibt, so sehr, dass sie sich über die Autorin informierte, ihre Prosa und ihre Gedichte Werk las - und ihre Gedichte musikalisch aufbereitete. Unter dem Titel "Daheim in Chicago?" führt Drasch nun das Ergebnis auf, mittlerweile in der zweiten Ausgabe - und bald auch in Andechs.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Ihren ersten großen Erfolg hatte Drasch 1991 als Teil des Bairisch-Diatonischen Jodelwahnsinns. Seitdem ist sie bekannt für ihre Musik, ihre Interpretationen und die vielen Instrumente, die sie spielt. Sie war mit ihren Programmen schon in Berlin, Brüssel ist angedacht, vor allem aber spielt Drasch in Bayern. Ihre Markenzeichnen sind das Niederbayerische, die roten Haare und die grüne Geige.

Drasch steht auf, neben ihrem Sofa steht ein Geigenkoffer. Sie öffnet ihn, darin liegt eine grüne Geige - eine von drei grünen Instrumenten, die sie insgesamt besitzt. Auf diesem Exemplar sind die Streifen der Farbe deutlich zu erkennen. Sie ist die erste der drei grünen Geigen. Spielen kann man sie nicht mehr, Drasch hat sie schließlich einfach selbst angemalt. "Das war damals ein Protest gegen die vielen, vielen Jahre braves Üben. Gegen das vor dem Notenständer stehen und Angst haben, dass man einen Fehler spielt", erzählt Drasch. Zunächst hatte sie die Geige rot angestrichen. Weil das aber zu normal aussah, ist sie in den Baumarkt gegangen und hat giftgrüne Farbe gekauft.

Corona hat vieles verändert: Einiges wird wohl nicht mehr werden, wie es vor der Pandemie war

Die Geige und die Haare sind Draschs Markenzeichen. Sie bleiben gleich, obwohl sich in den letzten Jahren einiges für die Musikerin geändert hat. Stichwort: Pandemie. Klar, es mussten Konzerte und Auftritte für eine Weile abgesagt werden. Aber einige dieser Veränderungen sind nachhaltig: Einiges wird wohl nicht mehr werden, wie es vor der Pandemie war. "Es gibt die Kleinkunstbühnen, die um das Überleben kämpfen, die Gaststätten, die Personalmangel haben und keine Auftritte organisieren können, die Tontechniker, die den Job gewechselt haben", sagt die Geigerin.

Sie selbst hat seit Beginn der Pandemie einen Podcast. "Der war allerdings schon vor der Pandemie geplant", sagt Drasch. In "Lieder zwischen Himmel und Erde" präsentiert sie unbekannte Melodien, erklärt aber auch den Ursprung bekannter Lieder. Sie ergänzt und modifiziert diese, passt sie an die Gegenwart an. "Veränderung ist stilistisch immer möglich", sagt Drasch, "und inhaltlich sowieso."

"Heilige Anna, schick uns Manna mit Herz, Hirn und Verstand, die keine Angst haben"

Wie das genau aussieht? "Bei geistlichen Volksliedern nehme ich Teile, in denen es zum Beispiel etwas gruselig um Sünde oder Schuld geht, einfach raus. Die Kirche hat jahrzehntelang gewaltigen Unsinn erzählt, wenn es um diese Themen ging, und damit großen Schaden angerichtet. Aber das, was in diesen Liedern an Trost, Hoffnung und Liebe vermittelt wird, das hat auch für die Gegenwart großen Wert." An anderer Stelle fügt Drasch neue Gedanken ein. Sie nennt ein Marienlied. Drasch denkt kurz nach, singt dann spontan: "Heilige Anna, schick uns Manna mit Herz, Hirn und Verstand, die keine Angst haben, gar koa Angst habn vor Frauen im Priestergewandt."

Das Programm "Auf Geht's" handelt von den 17 Zielen der nachhaltigen Entwicklung der UN. Neben Monika Drasch dabei: Martin Danes. (Foto: Nila Thiel)

Drasch sagt, dass sie mit ihrer Kunst zwar schon immer etwas aussagen wollte, dass diese in den letzten Jahren aber kritischer wurde. Ein politisches Thema, das Drasch derzeit in ein Programm umwandelt, betrifft den Klimawandel. Es heißt "Auf geht's" und handelt von den 17 Zielen der nachhaltigen Entwicklung, einem Kernstück der Agenda 2030 der Vereinten Nationen.

"Seit ich Kinder habe, bin ich politischer. Man sieht die Welt mit anderen Augen, denkt anders über Sachen nach." Ein gutes Beispiel ist die Unsichtbarkeit von Frauen, ein Thema, auf das sich Drasch immer wieder bezieht - von Emerenz Meier bis zur Kirche in der Gegenwart. Und wie sieht es in der Musikwelt aus? "Ich habe nicht das Gefühl, dass ich persönlich besondere Hürden hatte, weil ich eine Frau bin", sagt Drasch. "Aber ich sehe natürlich viel mehr Männer auf der Bühne. Und ich genieße es zunehmend auch mit Frauen gemeinsam aufzutreten."

Monika Drasch gastiert am Donnerstag, 29. September, im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Gusto & Kultur" im Klostergasthof Andechs mit ihrem Programm "Emerenz Meier. Daheim in Chicago?". Um 18 Uhr beginnt das kulinarischen Vorprogramm, ab 2o Uhr das Konzert. Tickets gibt es unter www.bee-veranstaltung.de .

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