Sie ist wie ein riesiges Puzzle, das gelöst werden will: die Münchner Altstadt. Das historische Zentrum besteht aus städtebaulichem Stückwerk, mal wächst hier ein Stück Fußgängerzone weiter an den Rand, mal wird dort wieder ein neues Parkhaus geplant. Es scheint auf den ersten Blick keinen wirklichen Masterplan für das Straßengewirr zwischen Sonnenstraße und Oberanger, zwischen Sendlinger Tor und Odeonsplatz zu geben.
Doch nun zeichnet sich ein Bild ab, wie zumindest das Hackenviertel sein Gesicht stark verändern könnte. Noch vor der Sommerpause soll der Stadtrat nach SZ-Informationen darüber entscheiden, wie das Gebiet zwischen Sendlinger Tor und Stachus entlang der Herzog-Wilhelm-Straße neu gestaltet wird. Auch die Pläne für die neue Fußgängerzone vom Sattlerplatz bis zum Oberanger werden dann diskutiert. Beide Projekte dürften massive Auswirkungen auf den Verkehr in der Altstadt haben.
Immobilien:Wie die Altstadt in Zukunft aussieht
Am Beispiel der Alten Akademie zeigt sich, wie schwierig Baumaßnahmen in der Altstadt sind. Doch viele Vorhaben bieten auch große Chancen.
Kernpunkt der Überlegung ist die Herzog-Wilhelm-Straße, die merkwürdig zweigeteilt zwischen Sendlinger Tor und Herzogspitalstraße verläuft. In der Mitte liegt ein Grünstreifen, der meistens nur von Wohnungslosen und Drogenabhängigen heimgesucht wird. Sämtliche Überlegungen, die Straßenschlucht auf zumindest ein paar hundert Metern Länge attraktiver zu gestalten, sind bislang gescheitert.
Doch mit einem Vorstoß des Münchner Forums und der Umweltorganisation Green City, den in vier Meter Tiefe rauschenden Westlichen Stadtgrabenbach teilweise an die Oberfläche zu holen und die Grünanlage zu verschönern, werden die Pläne für das westliche Entree der Altstadt nun ziemlich konkret.
Nach Anträgen mehrerer Fraktionen im Stadtrat beschäftigt sich seit Monaten das Baureferat mit der möglichen Realisierung eines künstlichen Bachlaufs in der Grünanlage. Richtig Schwung erhält die Debatte nun durch einen Arbeitskreis, der sich mit dem "Entwicklungsgebiet Herzog-Wilhelm-Straße" befasst. 25 Experten aus Politik und Verwaltung, aber auch Umweltschützer und Vertreter des Münchner Forums arbeiten seit November an einer möglichst großen Lösung für den Abschnitt zwischen Sendlinger Tor im Süden und Kaufingerstraße im Norden.
Diese könnte sogar bedeuten, dass die westliche Seite der Herzog-Wilhelm-Straße zugunsten der Grünanlage geopfert wird, in der nach einer umfassenden Umgestaltung auf etwa 300 Metern Länge ein künstlich angelegtes Bächlein durch den kleinen Park fließen soll. Am nördlichen Ende wiederum, zwischen Herzogspital- und Josephspitalstraße, befindet sich ein städtisches Grundstück, auf dem die letzte Tankstelle der Altstadt, ein italienisches Restaurant sowie eine riesige Zufahrtsrampe zur Stachus-Tiefgarage liegt.
Bereits im Jahr 2004 legte das Planungsreferat eine Beschlussvorlage für einen Bebauungsplan zum knapp ein Hektar großen Grundstück vor. Damit sollte "die Fehlentwicklung", die durch den Bau der Stachus-Tiefgarage mit seiner Rampe Anfang der Siebzigerjahre entstanden sei, "soweit wie möglich" korrigiert werden. Dazu sollte die Zufahrt zur Tiefgarage zurückgebaut und mit einem Büro- oder Wohnhaus überbaut werden, die Tankstelle und das Restaurantgebäude "könnten entfallen", hieß es in der Beschlussvorlage.
Pläne für ein städtisches Verwaltungsgebäude an der Stelle gibt es auch 14 Jahre später noch, wenngleich Bernd Plank vom Kommunalreferat einräumt, dass es sich lediglich um "Überlegungen" handle. Wenn, dann werde dort wohl erst in zehn Jahren ein Gebäude entstehen. Zwischenzeitlich war das Grundstück schon für die geplante Moschee des Penzberger Imams Benjamin Idriz im Gespräch, später wurde angedacht, an der Stelle den neuen Konzertsaal zu bauen - Visionen, die bekanntlich dort nie verwirklicht wurden.
Allerdings gab es auch schon andere Vorstellungen, was mit dem Grundstück im Eingangsbereich zur Altstadt geschehen könnte. 2009 fand der Architektenwettbewerb "European 10" für genau dieses Grundstück statt, bei dem ein Entwurf drei kleinere Gebäude auf der Fläche der Tiefgarage vorsah, in denen im Erdgeschoss Ausstellungen angedacht waren.
So konkret ist die Expertenrunde zum Thema Herzog-Wilhelm-Straße noch nicht. Doch aus dem Protokoll der ersten Sitzung, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, geht hervor, dass die Pläne für den neuen Bach "im Zusammenhang mit dem gesamten Gebiet gesehen werden" müssten. Laut Klaus Bäumler vom Münchner Forum gibt es bereits seit zehn Jahren ein Maßnahmenkonzept für die Herzog-Wilhelm-Straße.
Demnach soll dort eine "möglichst breite und durchgängige Grünverbindung" entstehen, die sich bis zur Kaufingerstraße hinziehen könnte. Die Expertenrunde will sich Ende April erneut treffen, bis dahin soll auch der Altstadt-Bezirksausschuss eine Stellungnahme erarbeitet haben. Anschließend soll ein möglichst fraktionsübergreifender Stadtratsantrag formuliert werden, wie das etwa 550 Meter lange Stück Altstadt zwischen Sendlinger Tor und Kaufingerstraße umgestaltet werden könnte.
Eine große Lösung in diesem Bereich könnte Auswirkungen auf die Verkehrsführung im Hackenviertel haben. Spätestens im Sommer soll das Verkehrsgutachten für das Viertel dem Stadtrat vorgelegt werden. Darin wurden die Verkehrsströme und das Parkverhalten untersucht - auch im Hinblick auf die Umwandlung der Sendlinger Straße in eine Fußgängerzone. Denn bislang ist unklar, ob die Autofahrer seither die Altstadt in diesem Bereich eher meiden oder einfach auf andere Straßen wie die Herzog-Wilhelm-Straße ausweichen.
Mit dem geplanten Umbau des Sattlerplatzes und einer erneuten Ausweitung der Fußgängerzone vom Rindermarkt bis in die Fürstenfelderstraße fallen nicht nur weitere Parkplätze im Hackenviertel weg. Es gibt auch vereinzelt Überlegungen, die Einbahnstraßenregelung in der Herzogspitalstraße umzudrehen - vom Oberanger zur Sonnenstraße statt umgekehrt. Damit wäre außer dem Oberanger die letzte Altstadtquerung aus Richtung Westen für Kraftfahrzeuge geschlossen. Schon im Beschlusspapier von 2004 heißt es, das Ziel sei dort "eine Minimierung des künftigen Verkehrsaufkommens".