Stadtplanung:Feilen am Werkzeug

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Selbst nach Auffassung ihrer Befürworter ist die Erhaltungssatzung als Schutzinstrument an ihre Grenzen gelangt. Wenn sie den Münchner Charme und die vorhandenen Milieus bewahren soll, muss sie schärfer werden

Von Alfred Dürr, München

Sie gilt als eines der wichtigsten rechtlichen Instrumente, um gewachsene Milieu-Strukturen in den Vierteln zu schützen und um den Verlust von bezahlbaren Wohnungen zu verhindern: die Erhaltungssatzung. Vor 30 Jahren wurden in der Maxvorstadt - um den Pündterplatz sowie um die Georgen- und Zentnerstraße - die ersten Bestimmungen dieser Art erlassen. Inzwischen gibt es 21 solcher geschützten Gebiete, verteilt auf 14 Stadtbezirke, in München. Insgesamt betrifft dies 262 000 Einwohner in 146 800 Wohnungen, 17 Prozent der Bevölkerung. In einem Überblick stellt das Planungsreferat jetzt dar, was der Kampf gegen die Gentrifizierung bisher gebracht hat.

In Gebieten mit einer Erhaltungssatzung müssen der Abbruch von Gebäuden oder bauliche Änderungen an Wohnhäusern von der Stadt genehmigt werden. Diese hat also einen Hebel, mit dem sie die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen oder Luxusmodernisierungen verhindern kann. Außerdem geht es darum, die Mieter - also das "Milieu" - vor Verdrängung zu schützen. Außer München bedienen sich vor allem Berlin und Hamburg dieses Instruments. Aber auch Köln oder Frankfurt haben entsprechende Regelungen, die dort Erhaltungsverordnung oder Milieuschutzsatzung heißen.

Obwohl die Erhaltungssatzung nur Teile der Stadt schützt, ist sie wichtig. Die Münchner jedenfalls sorgen sich – auch bei Demonstrationen. (Foto: Florian Peljak)

Ein Großteil der Münchner Erhaltungssatzungs-Gebiete liegt innerhalb des Mittleren Rings, also in den Innenstadt-Vierteln. Ein Großteil des klassischen Altbaubestandes hat allerdings bereits eine bauliche Aufwertung erfahren oder befindet sich im Umgriff einer Erhaltungssatzung. Nun rücken nach Erkenntnissen des Planungsreferats zunehmend auch Bereiche außerhalb des Mittleren Rings mit den Wohnungsbeständen aus den Siebziger- und Achtzigerjahren in den Fokus von Investoren.

Immerhin hat die Kommune eine Möglichkeit, übermäßige Aufwertungs- und damit einhergehende Verdrängungsprozesse sowie spekulative Umwandlungsaktivitäten in bestimmten Bereichen abzumildern und zu verlangsamen, heißt es im Bericht des Planungsreferats. Aber in der Behörde macht man sich auch keine Illusionen. Der Einsatz des rechtlichen Instruments kann die im Wandel befindlichen Stadtviertel nicht konservieren oder vor jeglicher Veränderung schützen, lautet eine zentrale Feststellung. Das sei generell in einer wachsenden Stadt wie München mit derartig hohen Zuwachszahlen nicht zu schaffen.

Der Begriff vom "stumpfen Schwert" im Zusammenhang mit der Anwendung der Erhaltungssatzung macht die Runde. Die Debatte im Bezirksausschuss Altstadt-Lehel zeigte anschaulich das Problem. Die Mehrheit der Lokalpolitiker forderte den flächendeckenden Erlass einer Erhaltungssatzung für die zwei Innenstadt-Viertel. Die Stadt lehnte ab. Denn in der Altstadt leben nach jahrzehntelangen Sanierungsaktivitäten eher finanzkräftige Bewohner. Solche mit geringem Einkommen gibt es kaum mehr. Deshalb sind für Investoren auch nur noch wenige Häuser als potenzielle Modernisierungsobjekte attraktiv.

Die Erhaltungssatzung, so argumentiert das Planungsreferat, kann generell immer nur als ein Baustein des gesamten wohnungspolitischen Instrumentariums angesehen werden und nicht als Lösung für die Wohnungsproblematik in München. In den vergangenen Jahren zeigte sich demnach immer deutlicher, dass Gentrifizierung nicht nur in den für Erhaltungssatzungen als geeignet erachteten Bereichen stattfindet. Betroffen ist das gesamte Stadtgebiet - und zwar nicht nur Wohnungen, sondern auch kleine Handwerksbetriebe oder der Einzelhandel. Das Instrument der Erhaltungssatzung gerät nach Ansicht der Behörde in der bisherigen Ausgestaltung an seine Grenzen.

Ein Vorstoß für einen verbesserten Schutz der Bevölkerung vor Verdrängung ist bereits erfolgt. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) fordert von der Bundesregierung schärfere Gesetze. Um spekulativen Wohnungsverkäufen entgegenzuwirken, müsse der Genehmigungsvorbehalt bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen auf das gesamte Stadtgebiet ausgeweitet werden, lautet eine seiner zentralen Forderungen.

Des weiteren soll die sogenannte Veräußerungssperrfrist von derzeit sieben auf zehn Jahre erhöht werden. Während der Sperrfrist ist ein Verkauf der Wohnungen nur an die jeweiligen Mieter zulässig. Der OB will außerdem, dass sich Erhaltungssatzungen nicht nur auf das Thema Wohnen beziehen. Da auch alteingesessene Betriebe - darunter zum Beispiel Gaststätten - von Verdrängung bedroht sind, will Reiter überprüfen lassen, inwieweit der Schutz der Erhaltungssatzung auch auf das Kleingewerbe ausgeweitet werden kann. Nur so kann laut Dieter Reiter erreicht werden, dass die Viertel weiterhin gemischt, lebendig und attraktiv bleiben.

© SZ vom 18.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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