Daniel Brodmeier hat sichtlich gute Laune. Mit Sonnenbrille und Dreitagebart steht er auf der Olympia-Schießanlage in Hochbrück. "Wie Urlaub", sagt Brodmeier. Gleich wird er in die Halle gehen und das letzte Finale der Weltcup-Veranstaltung anschauen, den Dreistellungskampf der Männer. Eigentlich ist das seine Disziplin, in den vergangenen Jahren stand er hier meist selbst am Schießstand. Diesmal nimmt er auf der Tribüne Platz.
Brodmeier nimmt sich gerade eine Auszeit vom Sport. Seit den Olympischen Spielen in Rio, bei denen er als Vierter knapp eine Medaille verpasste, hat er sein Gewehr kaum mehr in der Hand gehabt. "Ich muss den Kopf freikriegen", sagt er, "Schießen ist reine Kopfsache, deswegen muss man sich Pausen nehmen." So radikal wie Brodmeier macht das kaum ein Profi. Der Verband, die Trainer, die Konkurrenz, die eigene Form - alles Gründe, die gegen eine solche Pause sprechen. Brodmeier winkt ab. "Wir sind ja gut aufgestellt, ich mache mir da keine Sorgen. Generell haben die meisten Leute Verständnis." Ob er überhaupt weitermachen will, entscheidet er im Herbst. Aktuell konzentriert er sich auf seinen Beruf als Elektrotechniker.
Nach dem Rücktritt der beiden Goldmedaillengewinner Barbara Engleder und Henri Junghänel fehlen den deutschen Gewehr-Schützen mit dem pausierenden Brodmeier also plötzlich ihre drei besten Athleten. Trotzdem feierte die Mannschaft beim Weltcup in München Erfolge. Brodmeier kann sich auch dank seiner Teamkollegen zurücklehnen. Am abschließenden Dienstag sah er, wie der 20-jährige Maxi Dallinger im Finale auf Platz sieben kam. Schon am Samstag hatte der gebürtige Erdinger Dallinger, der für die SG Isental Lengdorf antritt, mit dem fünften Platz im Liegendschießen ein starkes Ergebnis erzielt. "Der Gewehr-Kader ist breit und sehr stark aufgestellt", erklärt Ralf Horneber vom Bayerischen Sportschützenbund. Seit Jahren verbuchen die Gewehrschützen Erfolg um Erfolg. Das setzt sich trotz der Veränderungen nach den Sommerspielen fort. Die Bilanz in München: zwei Medaillen, vier Finalteilnahmen, so viele wie die besten Nationen. Selina Gschwandtner von der HSG München gewann im Dreistellungskampf Silber, Jolyn Beer landete auf Platz drei. Alle erwähnten Athleten sind jünger als 24, dazu kommen Top-Talente wie Isabella Straub (Kirchseeon) oder Sebastian Franz (Prittlbach), die in München nicht am Start waren.
Nachwuchsförderung und Verzahnung zwischen U- und A-Kader funktionieren im Gewehrbereich hervorragend, die Kommunikation zwischen Bundestrainer Claus-Dieter Roth und Landestrainern wie Mario Gonsierowski in Bayern stimmt. Ein Musterbeispiel ist die Münchner Trainingsgruppe "Burning Eye", die nach dem Ausscheiden von Engleder und Brodmeier durch die jungen Akteure weitergeführt wird. Die Alten geben Ratschläge. "Da steckt schon eine besondere Chemie in der Mannschaft", sagt Brodmeier.
Natürlich profitieren die Jungen jetzt auch von den guten Ergebnissen bei den Spielen, denn dadurch ist die Förderung durch den Deutschen Olympischen Sportbund nach wie vor hoch. Allein das reicht aber nicht, wie die Probleme bei den deutschen Pistolenschützen zeigen. Die einzige Medaille in München gewann mal wieder Christian Reitz (Bronze), noch dazu in der gesonderten Disziplin Schnellfeuerpistole. Dagegen blieben die Athleten an Luft- und Freier Pistole unter Bundestrainer Jan-Erik Aeply einmal mehr ohne Medaille und Finalteilnahme. Schützen wie Philipp Grimm oder der Münchner Michael Heise treten seit mehreren Jahren auf der Stelle, die Silbermedaillengewinnerin Monika Karsch sucht ihre Form. Teilweise stellen die Athleten Absprachen und Trainingsmethoden in Frage. Immerhin die 21-jährige Michelle Skeries zeigte mit einem elften Platz gute Ansätze.
Im Medaillenspiegel landete Deutschland insgesamt auf Rang neun, holte zwar kein Gold, aber insgesamt so viele Medaillen wie die besten Nationen. Abseits des Sports war inmitten der 700 Schützen aus 75 Ländern Zeit für das ein oder andere Gespräch. "Deshalb bin ich ja in erster Linie hier", sagte Brodmeier: "Ein Flair wie bei Olympia."