Sie habe nicht viel Zeit, gleich beginne der Check-in am Flughafen. Gerade erst ist Isabella Straub von der Weltmeisterschaft im südkoreanischen Changwon zurückgekommen, da steigt sie schon wieder in den Flieger. "Urlaub", sagt sie und lächelt. Diesmal geht es "nur" nach Paris - ihr Gewehr bleibt natürlich daheim.
Straub war bei der Weltmeisterschaft die beste Athletin des Deutschen Schützenbunds (DSB), sie holte fünf Medaillen: zweimal Silber im Einzel, zweimal Gold und einmal Bronze im Team. Letztlich war sie der Grund, dass Bundestrainer Claus-Dieter Roth resümieren konnte: "Ich bin froh, dass der Quotenplatz da ist, über unsere Bilanz insgesamt kann keiner meckern!" Den ersten Startplatz für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio sicherte Straub dem deutschen Team durch ihren zweiten Platz im KK-Dreistellungskampf. "Das war sicher die wichtigste und schönste Medaille", sagt sie. Nahezu perfekt lief es für sie im Dreistellungskampf, wo kniend, liegend und stehend geschossen wird. In ihrer "Wackeldisziplin" Kniendschießen fing sie gut an (387 Ringe), im Stehen hörte sie stark auf (389) und im Liegen lieferte sie das perfekte Schussbild ab, sie traf die maximale Zahl von 400 Ringen. Im Schießsport, wo jeder Mikrometer über den Erfolg entscheidet, ist so eine Leistung selten. Perfektion gibt es eigentlich nicht, da bekommt die Zahl 400 eine magische Aura. Schon in der Bundesliga war Straub vor drei Jahren mit dem Luftgewehr ein perfekter Wettkampf geglückt. "Natürlich gehört ein bisschen Glück dazu", sagt sie. "Ich wollte einfach mein Ding durchziehen."
Für Straub war diese Weltmeisterschaft der Durchbruch auf der internationalen Ebene, wo sie sich in den vergangenen Jahren oft schwer tat. Trotz guter Leistungen bei kleineren Wettkämpfen, in der Bundesliga und im Training stand sie bei den Großereignissen meist hintenan und verpasste gute Ergebnisse. "Ich bin jetzt erfahrener", sagt die 27-Jährige aus Kirchseeon (Landkreis Ebersberg). "Und auch nicht mehr so nervös." Mit ihrer ersten Finalteilnahme im Weltcup in Fort Benning im Mai dieses Jahres sei der Knoten geplatzt.
Davor stammten Straubs größte Erfolge noch aus der Junioren-Zeit, wo sie 2009 und 2010 Europameisterin wurde. Die Entwicklung ist nicht ganz untypisch. Einige Schützen benötigen für den Übergang von Junioren- zu Profiklasse mehrere Jahre und starten erst in ihren späten 20ern durch. "Das ideale Schützenalter liegt zwischen 25 und 32 Jahren", glaubt Straub. "Man lernt einfach immer besser, wie man mit bestimmten Situationen umzugehen hat." Schießen ist zu einem Großteil Kopfsache. Im Training hat jeder Profi schon einmal eine perfekte Serie hingelegt, aber im Wettkampf, mit der Konkurrenz am Nebenstand, der Anzeigetafel, dem Publikum im Rücken, ist das eine ganz andere Sache.
Diesmal hatte Straub das Gefühl, sie sei zum "richtigen Zeitpunkt in der richtigen Form" - und schoss gleich mehrfach Bestleistung, auch im Teamwettbewerb, wo sie im Dreistellungskampf mit 1180 Ringen den bestehenden Weltrekord einstellte. Ihr Training hat die Lehramt-Studentin noch mehr auf die internationalen Höhepunkte ausgerichtet. DSB-Sportdirektor Heiner Gabelmann bezeichnete Straub "als die große Überraschung" der WM und war vor allem über ihre Konstanz erstaunt.
Straub hat jetzt abgeliefert, mehr als einen Quotenplatz kann sie nicht beisteuern, weshalb "der Druck etwas raus ist", meint sie. Allerdings hat sie ihren Startplatz für die Sommerspiele auch noch nicht sicher, da die deutsche Mannschaft ihre Olympia-Teilnehmer separat in einer internen Ausscheidung festlegt. "So war das schon das letzte Mal", weiß Straub, die sich darüber auch nicht beklagen will. Klar ist aber: "Tokio 2020 ist jetzt natürlich mein Ziel."
So nah dran wie aktuell war sie noch nie. Ihr Studium endet 2020. "Vorher mit der Arbeit anzufangen, macht keinen Sinn", erklärt sie. Schließlich ist der Aufwand mit vier bis fünf Trainingseinheiten in der Woche und zahlreichen Wettkämpfen wie der eines Profisportlers. Nur dass sich die meisten Schützen finanziell nicht allein auf den Sport verlassen können. Ein tiefer vierstelliger Betrag durch die Sporthilfe ist die höchste Fördersumme für Spitzenathleten. Die Unterstützung andernorts, beispielsweise in China, ist da ganz anders. Und es ist so gesehen auch kein Zufall, dass China (43) im Medaillenspiegel bei der WM erneut weit vor Deutschland (17) lag.
Eine zweite Reise wird Straub dann übrigens nächste Woche machen. "Ich wurde wegen meiner guten Leistung von der Sporthilfe zu einem Urlaub eingeladen", verrät sie. Mit anderen Top-Athleten, auch Olympioniken, fliegt sie nach Spanien in die Nähe von Malaga. "Die Saison macht jetzt eine Pause", erklärt Straub. Im Oktober geht es in der Bundesliga weiter, in der sie für Germania Prittlbach antritt, die nächsten großen Veranstaltungen stehen erst 2019 an.