Sportschießen:Mit der letzten Kugel

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"Er ist abgezockt", sagt sein Trainer über Mario Nittel. Er drücke gerne schnell ab, erklärt der angehende Jetpilot. (Foto: Johannes Simon)

Neben Prittlbach erreicht auch die HSG München das Luftgewehr-Finale

Von Julian Ignatowitsch, München

Ein Schuss, der über den Verlauf einer ganzen Saison entscheidet. Wie er ihn angegangen ist? Mario Nittel lacht: "Ich habe einfach schnell abgedrückt", sagt er, "generell liegt mir das." Nittel mag es gerne knapp. Er ist in der Luftgewehr-Bundesliga der Schütze, der in dieser Saison am häufigsten ins Stechen gegangen ist. Drei von vier Mal hat er gewonnen. "Gute 75 Prozent", rechnet er seine Quote vor. Bei Gleichstand entscheidet im Sportschießen eine einzige Kugel über Sieg oder Niederlage. Im Falle der HSG München musste es an diesem letzten Wettkampfwochenende sogar korrekt heißen: über Finalteilnahme oder Saison-Aus. Nittel traf besser als seine Gegnerin Verena Schmid (10,3:9,6 Ringe), der schnelle Schuss war taktisches Kalkül, um die junge Gegnerin unter Druck zu setzen, verrät er noch. Die HSG München steht damit nach einer turbulenten Saison und dem 3:2-Sieg gegen Petersaurach in der Endrunde (4./5. Februar) in Paderborn. Ebenfalls qualifiziert ist Tabellenführer Germania Prittlbach. Fehlen wird im Finale diesmal "Der Bund" München, das stand schon vorher fest.

Für die HSG bedurfte es nicht nur Nittels Nervenstärke, sondern auch "einer guten Portion Schützenhilfe", wie Trainer Theo Gschwandtner zugab. Denn dass die HSG sich den letzten freien Platz in der Süd-Gruppe sicherte, verdankte sie den anschließenden Überraschungssiegen von Waldkraiburg (3:2 gegen Fürth) und Saltendorf (4:1 gegen Coburg). "Das Glück war an diesem Wochenende auf unserer Seite", fand Gschwandtner. Vor allem mit dem Erfolg von Absteiger Waldkraiburg gegen den direkten Konkurrenten Fürth war nicht zu rechnen. Ein besonders süßer Triumph, denn vor allem der ehemalige Schützenmeister Elmar Schmid hatte mit den Franken eine Rechnung offen: In seiner Zeit waren Schützin Sonja Pfeilschifter und ihr Trainer Hubert Bichler im Streit von der HSG geschieden, beide sind nun in Fürth aktiv. Am Samstag hatte Fürth die Münchner noch besiegt (3:2) und sich die bessere Ausgangsposition gesichert, einen Tag später jubelten dann doch die Athleten aus der Landeshauptstadt - worauf Schmid spontan 50 Liter Freibier spendierte. "Alles privat und erst im Nachhinein", wie der Klub versicherte.

Es war ein schweres Jahr für die HSG: Zunächst verlief die Kaderplanung schleppend. In Nina-Laura Kreutzer verletzte sich eine Leistungsträgerin schwer und sagte alle Einsätze ab, Olympiateilnehmerin Selina Gschwandtner war nach den Spielen weit von ihrer Bestform entfernt. Zwei der ersten drei Wettkämpfe gingen verloren. Schließlich verkündete die HSG nach Differenzen mit dem Verband und einem Heimwettkampf, den sie nicht im eigenen Schützenheim austragen durfte, den Rückzug aus der Bundesliga zum Saisonende. Die Stimmung war am Boden. "Aber irgendwie hatte die Entscheidung auch etwas Befreiendes", sagt Nittel: "Der Druck war weg." Plötzlich lief es. Nittel selbst, der anfangs nur Ergänzung war, wurde zum Leistungsträger: "Ich habe in diesem Winter einen großen Sprung gemacht und bin mit dieser Saison sehr zufrieden." Viele hohe Ergebnisse und ein Schnitt von 394,1 Ringen machten den 22-Jährigen vorübergehend sogar zur Nummer eins im Team.

"Er ist abgezockt", sagt Trainer Gschwandtner über den Mann, der bald bei der Bundeswehr zum Jetpiloten ausgebildet wird. Das Schießen hat Nittel lange nur nebenher betrieben, sein Fokus liegt auf Studium (Sportwissenschaften) und beruflicher Karriere. "Man muss abwägen, wie viel Zeit man in den Sport investieren möchte", erklärt er, "das geht ja von Arbeit, Familie und Freunden weg." 2016 war er an 130 Tagen für den Schießsport unterwegs, auch in diesem Jahr will er sich weiterhin "sportlich reinhängen" und den Schritt in die internationale Spitze zumindest versuchen. Momentan ist er im B-Kader der Nationalmannschaft und hofft auf eine Weltcup-Teilnahme. "Dann könnte ich mit einem guten Ergebnis auf mich aufmerksam machen." Der A-Kader und eine höhere Fördergruppe wären in Reichweite. Mit der verpassten EM-Qualifikation hat er allerdings einen Rückschlag hinnehmen müssen. Dafür kann er "mal sozialen Aktivitäten nachkommen", wie er sagt, "die kommen viel zu kurz". Die Hochzeit seines besten Freundes zum Beispiel: "Ich bin der Trauzeuge." Und eine Woche später steht das Bundesliga-Finale an. Dann ist Nittel wieder am Start.

© SZ vom 10.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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